Landkreis Ansbach:Krisen-Klinik von Ansbach ohne Chefin

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Der Klinikverbund im Landkreis Ansbach ist wegen politischer und wirtschaftlicher Fehler hoch defizitär. 2016 belaufen sich die Verluste auf 15 Millionen Euro, bis 2021 sind weitere 46 Millionen Euro zu erwarten. (Foto: Peter Roggenthin)
  • Zum Jahresende kündigt die Vorständin von ANregiomed, Claudia B. Conrad, überraschend dem Finanzchef Jörg Reinhardt.
  • Mit den Eigentümern, dem Landkreis und der Stadt Ansbach, spricht sie sich dabei nicht ab und verliert deshalb selbst ihren Posten.
  • Der Klinikverbund versinkt seit Jahren in tiefroten Zahlen und steht kurz vor dem Kollaps.

Von Uwe Ritzer, Ansbach

Am Ende schien es fast, als wollte Claudia B. Conrad ihren Rauswurf provozieren. Womöglich in der Hoffnung auf eine satte Abfindung. Kurz vor Jahresende schasste die Vorständin von ANregiomed überraschend Jörg Reinhardt, den Finanzchef des maroden kommunalen Klinikbetreibers - ohne allerdings diese wichtige Personalie mit den Eigentümern von ANregiomed abzustimmen, dem Landkreis und der Stadt Ansbach.

Den Alleingang mussten Landrat Jürgen Ludwig (CSU) und Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos) als Affront empfinden. Sie reagierten entsprechend verärgert und forderten von der Klinikchefin, die Kündigung umgehend rückgängig zu machen. Stattdessen aber ist nun Claudia B. Conrad selbst ihren Job los. In einer fast zwölfstündigen Krisensitzung berief sie der Verwaltungsrat des mit mehr als 100 Millionen Euro verschuldeten Klinikunternehmens ab.

Gleichzeitig wurde Reinhardt zurückgeholt. Er wird gemeinsam mit seinem Kollegen Lars Bergmann ANregiomed kommissarisch führen, allerdings nur im operativen Tagesgeschäft. Das Oberkommando im Klinikverbund übernehmen stattdessen Landrat Ludwig und (in seiner Abwesenheit) OB Seidel, was allein deshalb schon ein kurioses Konstrukt ist, weil beide zugleich die Spitze des Verwaltungsrates bilden und sich nun selbst kontrollieren. Die ANregiomed-Satzung gibt das her, was nicht der einzige Konstruktionsfehler in dem seit Jahren dahintrudelnden Klinikverbund zu sein scheint.

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Die merkwürdige Doppelrolle sollen Ludwig und Seidel solange spielen, bis ein "diesbezüglich erfahrenes Unternehmen" aus der Gesundheitswirtschaft die Geschäftsführung von ANregiomed übernimmt, so Landrat Ludwig. Die Firma solle "schnellstmöglich beauftragt" werden.

Dennoch dürfte es noch einige Zeit lang drunter und drüber gehen im Krankenhauswesen des größten bayerischen Landkreises. Schnell werde die massiven Probleme dort niemand in den Griff bekommen, sagen Insider. Niemand weiß in Ansbach, wie es strukturell und wirtschaftlich bei ANregiomed weitergehen soll, das allein im abgelaufenen Jahr 15 Millionen statt der erwarteten 4,5 Millionen Euro Verlust einfuhr und selbst davon ausgeht, bis 2021 weitere 46 Millionen Euro Defizit einzufahren. Am 18. Januar trifft sich der Verwaltungsrat zur nächsten Krisensitzung.

Dass Klinikchefin Claudia B. Conrad zwar degradiert, nicht aber gefeuert wurde, hat einen finanziellen Hintergrund. Ihr Vertrag läuft noch bis Ende 2020, und bei einem Rauswurf wäre ihr eine hohe sechsstellige Abfindung sicher gewesen. Denn juristisch betrachtet hat sie ihre Kompetenzen als Klinikverbund-Chefin bei der Kündigung von Finanzchef Reinhardt womöglich nicht überschritten. Andererseits sollen gravierende handwerkliche Fehler passiert sein. Nicht zuletzt, weil Reinhardt als schwerbehindert eingestuft ist und in solchen Fällen besonders strenge gesetzliche Regelungen gelten.

Zu einer Trennung von Conrad samt Abfindung wird es über kurz oder lang wahrscheinlich trotzdem kommen. Denn es ist kaum vorstellbar, dass die umstrittene Ex-Chefin sich nun als niederer Dienstgrad in die ANregiomed-Organisation einreiht. Spätestens nach dem in jeder Hinsicht missglückten Rauswurf des Finanzchefs war klar, dass Conrad nicht länger haltbar ist. Abgesehen davon trauten ihr ohnehin immer weniger zu, ANregiomed aus den tiefroten Zahlen zu führen, in denen der Klinikverbund seit Jahren versinkt. Zu ANregiomed gehören die Kliniken in Ansbach, Rothenburg ob der Tauber und Dinkelsbühl, eine Tagesklinik in Feuchtwangen, sechs Pflegeschulen und fünf Medizinische Versorgungszentren.

"Es musste dringend die Notbremse gezogen werden", kommentierte ein Beteiligter Conrads Abberufung. Nun steht der Zug - um im Bild zu bleiben - auf freier Strecke. Ein neuer, dauerhafter Lokführer ist weit und breit nicht in Sicht. Und wohin die Reise gehen soll, wie also die enormen Schulden getilgt und eine zukunftsträchtige Klinikstruktur aussehen sollen, ist völlig unklar.

Krankenhausexperten von außerhalb halten es für ausgeschlossen, dass der Ansbacher Krankenhausverbund ohne schmerzhafte Eingriffe gerettet werden kann. Es drohen Stellen- und Bettenabbau in größerem Umfang. Fraglich ist, ob das Konstrukt mit vier Hospitälern in einem zwar flächenmäßig großen, aber dünn besiedelten Landkreis dauerhaft finanzierbar ist. Zumal in der Region auch andere Betreiber wie die Diakonie Neuendettelsau Kliniken betreiben.

Doch gegen etwaige Kappungen sträuben sich die Kommunalpolitiker der jeweiligen Städte. Und auch der ANregiomed-Verwaltungsrat bekräftigte am Donnerstag einstimmig, an den Kliniken Ansbach, Rothenburg, Dinkelsbühl und Feuchtwangen festhalten zu wollen. Die beiden letztgenannten gelten nach heutigem Stand als wirtschaftlich kaum überlebensfähig. In einer ihrer letzten Amtshandlungen hat Conrad noch erklärt, Stadt und Kreis Ansbach müssten das jährliche Defizit von 3,5 Millionen in Dinkelsbühl übernehmen, oder aber die Klinik müsse geschlossen werden.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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