Justiz:Versehen oder Versagen

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DNA-Spur zum NSU im Fall Peggy war Ermittlungspanne

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Die in der Nähe des Leichnams von Peggy gefundene DNA-Spur des mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt geht auf eine schwere Ermittlungspanne zurück. Nach dem Ergebnis mehrerer Gutachten gehen die Ermittler "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" davon aus, dass das genetische Material Böhnhardts - eines der Mitglieder des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) - über Beamte der Spurensicherung zum Fundort Peggys gelangte. "Das darf nicht passieren, darüber herrscht Einigkeit", sagte der Leiter der Sonderkommission Peggy, Uwe Ebner.

Weil der Leichnam Peggys im Sommer 2016 in Thüringen gefunden wurde, waren es thüringische Beamte, die für die Sicherung von Spuren zuständig waren, also nicht die Beamten der in Bayreuth angesiedelten Soko Peggy. Wie genau das genetische Material Böhnhardts an den Fundort von Peggy kommen konnte, soll erst mithilfe einer weiteren Untersuchung festgestellt werden. Zweifelsfrei erwiesen ist aber, dass ein winziges, exakt 0,019 Gramm schweres Textilstück, das in der Nähe der Knochenreste von Peggy sichergestellt wurde, von einem Kopfhörer Böhnhardts stammt. Dieser Kopfhörer war 2011 im Wohnmobil der NSU in Eisenach gefunden worden. Es sei auszuschließen, teilte die Staatsanwaltschaft Bayreuth mit, dass das darauf sich befindende Genmaterial sicherzustellen gewesen wäre, wenn es tatsächlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren in einem Waldstück gelegen hätte. Sowohl Qualität als auch Quantität der DNA schlössen dies aus, die Witterungsbedingungen hätten das Genmaterial schwer in Mitleidenschaft ziehen müssen.

Vielmehr können die Ermittler inzwischen den Zeitpunkt, in dem die DNA in das Waldstück an der bayerisch-thüringischen Grenze gelangt sein muss, auf wenige Stunden eingrenzen. Dieser Zeitpunkt ist identisch mit dem Tag, an dem die Spurensicherer der thüringischen Polizei den Fundort von Peggys Leiche absuchten: der 2. Juli 2016. Im Sommer vergangenen Jahres hatte ein Pilzsammler die Überreste von Peggy in einem Waldstück gefunden, 15 Jahre nach dem Verschwinden des neunjährigen Mädchens aus dem fränkischen Lichtenberg. Nach dem Fund hatten Ermittler aus Thüringen mehrere Tage lang den Fundort nach Spuren untersucht.

Wie es zu der folgenschweren Panne kommen konnte, ist noch nicht völlig geklärt. Für einen Vorsatz gebe es keine Hinweise, man gehe daher von "Versehen oder Versagen" aus, sagte Staatsanwalt Daniel Götz. Womöglich sei das zwölf mal vier Millimeter kleine Textilteil durch eine "statische Aufladung" an Spurensicherungsgerät gelangt, das sowohl in Eisenach, beim Fundort von Böhnhardts Leichnam, als auch fünf Jahre später in dem thüringischen Waldstück zum Einsatz gekommen ist. Infrage dafür kommt etwa ein Zollstock, der hier wie dort von den Thüringer Ermittlungsbeamten benutzt wurde. Es komme aber auch anderes Gerät infrage.

Zu möglichen Konsequenzen der Ermittlungspanne wollten sich weder der Leiter der Soko Peggy noch die Staatsanwaltschaft Bayreuth äußern. Man werde nun, erklärten beide, eine "konstruktive, kritische Auseinandersetzung über diesen Sachverhalt" mit den Kollegen aus Thüringen suchen. Einen Zusammenhang des Falls Peggy mit den Morden der NSU schließe man nunmehr aus. Es seien "keine Bezüge der NSU in den Lebensraum von Peggy" festzustellen, sagte Staatsanwalt Götz. Die Soko Peggy ermittle weiterhin in "alle Richtungen", sagte Soko-Chef Ebner. Einen konkret Tatverdächtigen im Fall Peggy gibt es derzeit nicht.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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