Justiz:Einmaliges Symbol

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Söder führt das Bayerische Oberste Landesgericht wieder ein. Weil das sonst keiner hat

Von Wolfgang Wittl, München

So viele Versprechen, so viele neue Projekte. Manch einem Abgeordneten rauchte am Mittwoch noch Stunden nach der Regierungserklärung von Markus Söder der Kopf. Manchmal ist es aber auch nur eine Generationenfrage, um die Dinge zu verstehen. "Um die Eigenständigkeit der bayerischen Justiz zu stärken, werden wir wieder das Bayerische Oberste Landesgericht einrichten", sagte der Ministerpräsident. Altgediente CSU-Politiker winkten später nur lachend ab, als sie darauf angesprochen wurden. Jüngere Abgeordnete stammelten was von "Bayerisches-Oberstes-was-genau-ist-das-nochmal?" Die ehrlichste Antwort auf die Frage heißt wohl: Das Bayerische Oberste Landesgericht ist ein Beispiel für Symbolpolitik, wie es alle Jahrzehnte zu beobachten ist - und wie es so vermutlich nur die CSU zustande bringt.

Es war im Sommer 2000, als Ministerpräsident Edmund Stoiber diese altehrwürdige Institution noch feierlich würdigte: "Unterbrochen wurde die 375-jährige Geschichte des Bayerischen Obersten Landesgerichts bezeichnenderweise nur in der Zeit des NS-Regimes." Damit, fuhr Stoiber fort, sei "nicht nur ein Symbol der Eigenstaatlichkeit Bayerns, sondern auch ein wichtiger Garant einer unabhängigen Justiz zerschlagen" worden. Drei Jahre später kündigte er im Landtag selbst die Zerschlagung an: "Abgeschafft wird das Oberste Landesgericht. Seine Aufgaben werden auf die Oberlandesgerichte verlagert."

Es war die berühmte Regierungserklärung, mit der Stoiber das Land auf seinen harten Reformkurs einschwören wollte. Kaum eine Sparmaßnahme wurde erbitterter bekämpft als die befohlene Exekution des Obersten Landesgerichts. Juristen in ganz Bayern liefen Sturm, sogar die eigene Landtagsfraktion folgte Stoiber erst unter dem maximalen Druck der Vertrauensfrage. 2006 war das Oberste Landesgericht Geschichte, die Ersparnis lag bei 1,49 Millionen Euro. Stoiber kam sein Reformeifer politisch teurer zu stehen, ein Jahr später verlor er all seine Ämter. Doch siehe da: Bald hatten die Bayern ihre traditionsreichste Justizbehörde vergessen, es lebte sich offenbar auch ohne sie ganz gut. Sogar der Verein "Freunde des Bayerischen Obersten Landesgerichts" hatte sich inzwischen mangels Erfolgs aufgelöst. Warum jetzt also die Wiederauferstehung?

Ganz einfach, findet Justizminister Winfried Bausback. Er sitzt am Donnerstag im Münchner Justizpalast und referiert gut gelaunt über die Vorteile des neuen "Obersten", wie das Gericht im Fachjargon heißt. Erstens, nun kläre ein einziges Gericht alle Rechtsfragen für Bayern, eine einheitliche Rechtsanwendung sei damit sichergestellt. Und die Wirtschaft profitiere von zügigeren Entscheidungen bei Vergaben. Zweitens, das "Oberste" habe wieder eine juristische Prägekraft über Bayern hinaus. Drittens, zivilrechtliche Streitigkeiten würden nun in Bayern entschieden, nicht in Karlsruhe. So könnten auch sämtliche Revisionen beim "Obersten" landen. Hauptsitz ist München, Nebenstellen gibt es in Nürnberg und Bamberg. Weil die Behörde eng an die dortigen Oberlandesgerichte angebunden sein soll, entstünden nur geringe Kosten, sagt Bausback. Eine Million Euro fürs Personal, hinzu kommt das Gebäude.

Der Bayerische Richterverein nimmt die Wiedereinführung mit "besonderer Freude" zur Kenntnis. Und auch einer, der das Hin und Her von Anfang an kennt, freut sich. Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende im Verfassungs- und Rechtsausschuss, hat im Landtag einst eine Dreiviertelstunde für den Erhalt des "Obersten" geworben. Daran hat er die damalige Justizministerin Beate Merk nach Söders Worten noch einmal erinnert. Wie die Fachwelt habe er all die Jahre schon etwas vermisst, sagt Schindler: "Aber wie die CSU mit dieser Institution umgeht, das grenzt schon an Arroganz."

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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