Hochwasser:Streit um Hochwasserschutz für Rosenheim

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SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)
  • In Feldolling soll ein Polder auf 112 Hektar Fläche rund 4,6 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen können.
  • Die Überlauffläche direkt an der Mangfall soll Rosenheim im Fall eines schweren Hochwassers schützen.
  • Gegner finden den Flutpolder völlig überdimensioniert und haben geklagt.

Von Matthias Köpf, Feldolling

Für die betroffenen Bauern hätte das Wasserwirtschaftsamt längst Flächen zum Tauschen parat, und inzwischen hat die Behörde auch für die Zauneidechsen, die Haselmäuse und die Biber nachgebessert. Die Eidechsen sollen ersatzweise andere Lebensräume nach dem maßgeblichen Modell "Kleinstruktur Steinhaufen" bekommen, die Mäuse spezielle Nistkästen. Für sich selbst können die knapp 1000 Menschen in Feldolling in den neuen Plänen aber keine Verbesserung erkennen. Sie wehren sich seit Jahren gegen einen riesigen Flutpolder, den der Freistaat direkt an der Mangfall schaffen will, um den unterhalb gelegenen Großraum Rosenheim besser vor Hochwasser zu schützen.

Dass das Wasserwirtschaftsamt jetzt mehr Rücksicht auf Eidechsen und Mäuse nimmt, ist für die Polder-Kritiker nur der Versuch, einige ihrer Argumente zu entkräften. So sieht es etwa der Sprecher des Feldollinger Dorfrats, Burghardt Schallenberger. Behördenleiter Paul Geisenhofer will ihm da gar nicht widersprechen. Denn grundsätzlich bestünde schon seit 2014 Baurecht für den Flutpolder, die Arbeiten hätten 2016 beginnen sollen.

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Doch etwa zwei Dutzend Gegner und auch die Gemeinde Feldkirchen-Westerham, zu der Feldolling gehört, haben gegen das Projekt geklagt. Die Behörden sahen sich zum Nachbessern beim Artenschutz gezwungen. Solange die Ehrenrunde nicht erledigt ist, wollen die Richter nicht über die Klagen verhandeln. Auch anderswo in Bayern warten Bürger auf ihr Urteil, da die Staatsregierung beim Hochwasserschutz seit 2013 verstärkt auf Polder wie diesen setzt.

Feldkirchen-Westerhams Bürgermeister Bernhard Schweiger (CSU) hat erklärtermaßen Vertrauen in die Planung des Freistaats und gehört nicht zu den Gegnern des Vorhabens. Ihm geht alles zu langsam. "Das nächste Hochwasser wartet nicht", sagt Schweiger und erinnert an die Flut vom Juni 2013, die auch die Menschen an der Mangfall bis nach Rosenheim schwer getroffen hat. Für Burghardt Schallenberger ist es hingegen schon ein Erfolg, das Projekt so weit verzögert zu haben. Denn geplant wird der neue Hochwasserschutz schon lange, im Jahr 2000 haben sich die Behörden dann auf einen Polder bei Feldolling festgelegt.

Dieser sollte damals noch kleiner werden und den inzwischen weitgehend erledigten Ausbau der Deiche bis zur Mündung der Mangfall in den Inn in Rosenheim ergänzen. Doch im Jahr 2004 beschloss die Staatsregierung angesichts des fortschreitenden Klimawandels einen "Klimazuschlag" von 15 Prozent auf das "hundertjährliche Hochwasser". Ein solches Hochwasser, wie es statistisch alle 100 Jahre vorkommt, ist der Richtwert für den Hochwasserschutz. Weil er sich mit dem Klimazuschlag durch den bereits begonnenen Deichausbau an der Mangfall nicht mehr einhalten ließ, soll der Feldollinger Polder umso nun größer werden.

Gegner halten das Projekt für überdimensioniert

Auf 112 Hektar - das entspricht mehr als 150 Fußballfeldern - soll er 4,6 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen. Weitere zwei Millionen Kubikmeter sollen von dort aus in drei schon existierende Speicherbecken überlaufen können. Diese dienen als Unterwasser eines Pumpeicherwerks der Münchner Stadtwerke, sein Oberbecken ist der Seehamer See an der A 8. Am Einlauf des Polders soll eine Schleuse wie für ein Kraftwerk entstehen und dahinter eine "Flutmulde" modelliert werden, die das Wasser in das eingedeichte, aber weiterhin aus Wiesen und Feldern bestehende Gelände leitet.

Für viele Feldollinger ist dieses Projekt völlig überdimensioniert. Man leiste gern einen Beitrag, sagt Burghardt Schallenberger, doch müsse es dann viele kleinere Polder auch anderenorts geben und nicht nur einen großen in Feldolling. Denn bei einem höheren Deich zum Polder hin werde die Mangfall im Extremfall über den niedrigeren Deich auf der Dorfseite laufen, befürchtet Schallenberger. Auch werde ein voller Polder Grundwasser in die Keller drücken.

Die Behörden sehen keine großen Probleme mit dem Grundwasser, und was die Höhe der Deiche betrifft, so sei eben nicht jede Flutkatastrophe technisch beherrschbar, die noch deutlich über ein hundertjährliches Hochwasser hinausgehe. Für Amtsleiter Geisenhofer ist auch die Lage in Feldolling optimal, denn nur hier nach dem Zusammenfluss von Mangfall und Leitzach lasse sich das Wasser aus beiden Einzugsgebieten zurückhalten. Flussabwärts liegen Bruckmühl, Bad Aibling, Kolbermoor und Rosenheim mit vielen Tausend Menschen. Der auf 55 Millionen Euro geschätzte Polder soll dort nach amtlichen Hochrechnungen Sachschäden von einer Milliarde Euro verhindern.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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