Haftstrafe droht:Anklage gegen Ingolstadts Ex-Oberbürgermeister erhoben

Haftstrafe droht: Unter Verdacht: Alfred Lehmann war zwölf Jahre lang CSU-Oberbürgermeister von Ingolstadt.

Unter Verdacht: Alfred Lehmann war zwölf Jahre lang CSU-Oberbürgermeister von Ingolstadt.

(Foto: André Poehlmann/oh)
  • Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat Anklage gegen Alfred Lehmann, den Ex-Oberbürgermeister der Stadt, erhoben.
  • Ihm werden Bestechlichkeit in zwei Fällen sowie Untreue in einem Fall vorgeworfen - dem Alt-OB droht eine mehrjährige Haftstrafe.
  • Es geht dabei um Privatwohnungen, die Lehmann erworben haben soll - und um die Frage, ob er sich dabei unerlaubt Vorteile verschaffte.

Von Andreas Glas und Matthias Köpf, Ingolstadt

Im April 2014 stand der Ministerpräsident im Festsaal des Ingolstädter Stadttheaters und hielt eine Rede auf Alfred Lehmann, den scheidenden Oberbürgermeister. Horst Seehofer, selbst Ingolstädter, lobte seinen Parteikollegen als "Vorzeige-Bayer". Unter Lehmann sei die Stadt zur Boomtown geworden, einer "Region mit unbegrenzten Möglichkeiten", sagte Seehofer (CSU). Nun, knapp vier Jahre später, hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Vorzeige-Bayer Lehmann erhoben. Es steht der Verdacht im Raum, dass er sich in seinen Möglichkeiten als OB ebenfalls recht unbegrenzt fühlte.

Es geht um mutmaßlich sehr krumme Geschäfte, die Lehmann mit öffentlichen Immobilien gemacht haben soll. In ihrer Anklage legt ihm die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Bestechlichkeit in zwei Fällen zur Last. In einem der Fälle lautet der Vorwurf zudem auf Untreue. Das hat die Behörde am Freitag in einer schriftlichen Erklärung mitgeteilt. Dass gegen den CSU-Politiker ermittelt wird, war bereits im Dezember 2016 öffentlich geworden. Die Erklärung der Staatsanwaltschaft offenbart nun, wie schwer die Vorwürfe gegen Lehmann wiegen. Dem Alt-OB droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Konkret geht es um Privatwohnungen, die Lehmann erworben haben soll - und um die Frage, ob er sich dabei unerlaubt Vorteile verschaffte. Unter anderem beim Verkauf eines Gebäudes auf dem Areal der früheren Pionierkaserne in den Jahren 2010 und 2011. Die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft IFG, deren Verwaltungsrat Lehmann damals war, verkaufte das Gebäude an einen Bauunternehmer aus dem Kreis Eichstätt. "Im Gegenzug", so die Staatsanwaltschaft, soll der damalige OB "wirtschaftliche Vorteile in insgesamt sechsstelliger Höhe" erhalten haben. Die Vorteile bestanden offenbar darin, dass sich Lehmann mehrere Wohnungen in dem Gebäude sicherte - und dabei einen üppigen Preisnachlass bekommen haben soll.

Ebenfalls Bestandteil der Anklage ist der Verkauf von Flächen auf dem früheren Ingolstädter Klinikareal in den Jahren 2012 und 2013. Zum Zeitpunkt des Verkaufs war Lehmann als OB auch Aufsichtsratschef des Klinikums, das zu gut drei Vierteln der Stadt gehört. Er könnte sich damals pflichtwidrig für einen Bauträger eingesetzt haben, der schließlich auch den Zuschlag bekam. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung könnte Lehmann bei der Vergabe ein Täuschungsmanöver initiiert haben, indem er nach außen einen Losentscheid vorgab, der in Wirklichkeit nicht stattfand. Später soll Lehmann dann auch auf dem früheren Klinikgelände eine Privatwohnung erworben und dabei einen großzügigen Rabatt bekommen haben.

Auch der zusätzliche Vorwurf der Untreue bezieht sich auf das Geschäft rund um die verkauften Flächen auf dem früheren Klinikgelände. In diesem Zusammenhang spricht die Staatsanwaltschaft gar von einem niedrigen Millionenschaden, den Lehmann dem Ingolstädter Krankenhauszweckverband beschert haben könnte. Zusammen mit Alfred Lehmann müssen sich auch die Manager der beiden Bauunternehmen verantworten, denen der Ex-Oberbürgermeister die Immobilien zugeschoben haben soll. Ihnen legt die Staatsanwaltschaft - spiegelbildlich zu den Vorwürfen gegen Lehmann - Bestechung sowie Beihilfe zur Untreue und zur Bestechung zur Last.

Der Auslöser für die Ermittlungen gegen Lehmann war die sogenannte Klinikaffäre - ein System mutmaßlicher Vetternwirtschaft um den früheren Geschäftsführer des Ingolstädter Klinikums, auf das die Staatsanwaltschaft im Herbst 2016 gestoßen war. Im vergangenen November hatte die Behörde dann auch Anklage gegen den früheren Klinikchef erhoben. Sie warf ihm Untreue, Vorteilsnahme und Bestechlichkeit vor. Er soll das Klinikum "im niedrigen siebenstelligen Bereich" geschädigt haben. Kurz nach Weihnachten nahm sich der 63-Jährige in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen das Leben. Inwiefern der Suizid ein mögliches Gerichtsverfahren gegen Lehmann beeinflusst, ist unklar. Wie der Donaukurier kürzlich berichtete, könnte der Ex-Klinikchef den Alt-OB vor seinem Tod gegenüber den Ermittlern belastet haben.

Alfred Lehmann war von 2002 bis 2014 Oberbürgermeister in Ingolstadt. Nach Ende seiner Amtszeit blieb er zunächst Mitglied im Stadtrat und behielt auch seinen Sitz im Aufsichtsrat des Ingolstädter Klinikums. Nachdem die Ermittlungen gegen ihn bekannt geworden waren, legte er sein Stadtratsmandat und den Aufsichtsratsposten nieder. Seitdem war es ruhig geworden um Lehmann, der die Vorwürfe bislang stets bestritten und seine Unschuld beteuert hat.

Nun muss die Große Strafkammer am Landgericht Ingolstadt über die Zulassung der Anklage entscheiden - und damit darüber, ob es zum Prozess gegen den Alt-OB kommt. Währenddessen geht die Staatsanwaltschaft weiteren Verdachtsmomenten gegen Lehmann nach: Dabei geht es um seine Doppelrolle als Berater einer Headhunter-Agentur und seinen Posten als Aufsichtsratschef des Ingolstädter Klinikums, den er auch nach seinem Rückzug als OB noch inne hatte. In dieser Zeit soll Lehmann dem Klinikum empfohlen haben, eben jene Headhunter-Agentur zu beauftragen, auf dessen Gehaltsliste er steht. Wegen möglicher Verquickung von Amt und Geschäft prüft die Staatsanwaltschaft, ob sich der Alt-OB auch in dieser Angelegenheit strafbar gemacht hat.

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