Gesundheitsreport:Bayern hat's im Kreuz

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Viele Menschen haben Rückenschmerzen - und die meisten versuchen, alleine damit zurechtzukommen

Von Dietrich Mittler, München

Die Bayern sind, der historischen Überlieferung folgend, hart im Nehmen. Bei Rückenleiden ist dies offenbar bis heute der Fall. 85 Prozent der Betroffenen im Freistaat gehen auch dann zur Arbeit, wenn sie von Rückenschmerzen arg geplagt werden. Dies geht aus dem neuen Gesundheitsreport der DAK hervor, den die Krankenkasse am Dienstag in München vorstellte. Nur ein Viertel der Arbeitnehmer in Bayern hatten einer repräsentativen Umfrage zufolge in den vergangenen zwölf Monaten "gar keine Rückenschmerzen". Der Rest, hochgerechnet handelt es sich dabei um 5,1 Millionen Menschen, hatte sehr wohl Schmerzen. Bei jedem Zehnten (gut 690 000 erwerbstätige Patienten in Bayern) sind diese chronisch.

Volker Ranke kann davon ein Lied singen. Jahrelang hat der in München lebende Presse-Fotograf - für die frühere Illustrierte Quick immer vorne mit dabei - seine schwere Ausrüstung auf der Schulter umhergeschleppt. "Permanente Rückenschmerzen", so umreißt der 72-Jährige sein Motiv, das ihn aus privatem Interesse zur Präsentation des DAK-Reports führte. "Schmerzmittel habe ich nie genommen. Nee, das mag ich nicht", sagt er.

Stattdessen suchte er Chiropraktiker auf, ließ sich Gymnastikübungen zeigen, mit denen er die Rückenmuskulatur stärken konnte. Damit wäre Ranke eigentlich ein Paradebeispiel für Prävention bezüglich Rückenbeschwerden. Aber, und auch das zeigt der Report: Dieses Konzept wirkt offenbar in vielen Fällen nicht so, wie es sollte - zumindest nicht bei der großen Masse. "Trotz Prävention und zahlreicher Gesundheitskurse ist Rückenschmerz in Bayern die zweitwichtigste Diagnose für den Krankenstand", heißt es da. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen im Freistaat kamen 2017 mehr als 4,5 Millionen Ausfalltage wegen Rückenschmerzen zusammen. "Das gesundheitspolitische Ziel, das Problem Rücken in den Griff zu bekommen, wurde nach den Ergebnissen unserer Studie nicht erreicht", sagte Sophie Schwab, Leiterin der DAK-Landesvertretung in Bayern bei der Vorstellung des fast 250 Seiten starken "Gesundheitsreport 2018", für den Daten der DAK-Versicherten im Freistaat ausgewertet wurden.

Es gelte, die Bereiche Prävention und Versorgung "auf den Prüfstand zu stellen", sagte Schwab. Der Report zeige, dass die große Mehrheit der Bayern zunächst einmal versuche, allein mit den Schmerzen zurechtzukommen. Nur jeder Dritte nahm eigenen Angaben zufolge 2017 wegen Rückenbeschwerden ärztliche Hilfe für sich in Anspruch - und von diesen wiederum 77 Prozent bei einem einzigen Arzt.

Doch, auch das ist typisch für Bayern: Viele Betroffene landen mit ihren Rückenbeschwerden in der Notaufnahme einer Klinik. "Seit 2007 stieg die Zahl der stationären Behandlungen hier um 130 Prozent an", sagte Schwab. Thomas R. Tölle, der Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerzmedizin am Münchner Klinikum rechts der Isar, glaubt, dass bei vielen dieser Patienten dieses Motiv eine Rolle spielte: "Ich will endlich mal die richtige Diagnose haben." Doch der Gang ins Krankenhaus ende oft mit einer Enttäuschung. Das zeige sich auch anhand der DAK-Daten. "Viele dieser Patienten haben gar nichts bekommen außer einem Röntgenbild", hieß es auf der Pressekonferenz.

Tölle versucht Studenten und Kollegen dazu zu motivieren, durch Patientengespräche mehr über die Ursachen von Rückenschmerzen herauszufinden. Oft liegen die nicht nur im körperlichen, sondern auch im psychischen Bereich. Im Verbund mit AOK und Barmer erprobt die DAK mit dem Modellprojekt "rise up" ein neues individuelles Rücken-Coaching. Zudem erhalten DAK-Versicherte unter "Rücken@fit" im Internet Hilfe. Immerhin, Rückenprobleme machen auch erfinderisch. Fotograf Ranke kam darauf, seine Ausrüstung gleichmäßig in den vielen Taschen einer Fischerjacke zu verstauen. Viele Kollegen machten ihm das nach. Darauf ist er "richtig stolz".

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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