Gesundheit:Medikamentenversuche bei Demenzkranken

Lesezeit: 2 min

Bayerns Mediziner wollen beim Ärztetag diffizile und berufsethisch schwierige Themen behandeln

Von Dietrich Mittler, München

"Das Thema beschäftigt mich schon lange. Aber es fällt mir auch ganz schön schwer, damit weiterzukommen!" Immer wieder hören Mitarbeiter in Bayerns Patientenberatungsstellen solche Äußerungen, wenn es um das Thema Patientenverfügung geht. Bayerns Ärzteschaft will hier nun verstärkt aktiv werden, wie Max Kaplan, der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, am Montag in München betonte. Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs lasse keinen Zweifel daran, dass Patientenverfügungen möglichst konkret und präzise formuliert sein müssen.

Patientenverfügungen sollen regeln, welche medizinische und pflegerische Maßnahmen ein schwerstkranker Mensch am Ende seines Lebens noch erhalten will oder nicht. Doch trotz bestehender Beratungsangebote, wie etwa im Gesundheitsladen München, und trotz einschlägiger, im Buchhandel erhältlicher Ratgeber, ist die Verunsicherung vieler Menschen groß, wenn es darum geht, für sich selbst eine solche Verfügung zu formulieren.

"Gegen den informierten Patienten ist nichts einzuwenden."

Kammerpräsident Max Kaplan will dieses diffizile Thema nun auf die Tagesordnung des 75. Bayerischen Ärztetags setzen, der am Freitag in Schweinfurt beginnt. Den Betroffenen selbst rät er, beim Verfassen einer persönlichen Patientenverfügung möglichst ärztlichen Rat einzuholen. "Es genügt nicht, so vage Vorgaben wie etwa ,keine lebenserhaltenden Maßnahmen' zu formulieren", sagte Kaplan. Das sei, wie die aktuelle Rechtsprechung klargestellt habe, zu ungenau. Vielmehr müsse vom Patienten konkret festgelegt werden, wann Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder künstliche Ernährung beendet werden sollten. Patientenverfügungen, so regte Kaplan an, sollten auch auf die religiöse und ethische Einstellung des oder der Betroffenen eingehen. Essenziell sei zudem die Frage, ob es sich beim Patienten um einen Menschen handelt, "der Wert darauf legt, alles noch voll mitzuerleben", sagte er. Die Antwort darauf sei wichtig beim Einsatz schmerzstillender Mittel.

Auch mit dieser berufsethischen Frage wollen sich Bayerns Ärzte in Schweinfurt auseinandersetzen: Soll man bei Patienten, die zum Beispiel durch fortschreitende Demenz nicht mehr "einwilligungsfähig" sind, im allgemeinen Interesse Arzneimittelversuche zulassen? Die Frage ist hochaktuell. Derzeit wird genau darüber im Bundestag diskutiert. Kaplan plädiert dafür, es bei der alten Gesetzgebung zu belassen: Demnach sind solche Versuche nur dann gestattet, wenn sie alleinig dem Interesse des Betroffenen dienen.

Nicht minder brisant ist das Thema Substitutionsbehandlung bei opiatabhängigen Patienten. Immer weniger junge Ärzte seien bereit, die Weitergabe von Heroin-Ersatzpräparaten zu riskieren. Zu hoch sei die Gefahr, dabei selbst ins Visier der Justiz zu geraten. Unter manchen Strafverfolgern kursiere der Begriff vom "Dealer in Weiß", sagte Heidemarie Lux, die Vizepräsidentin der Landesärztekammer.

Reformbedürftig sei zudem auch der Umgang mit schweren Schmerzmitteln. "In Deutschland werden nicht zu viele Opiate verordnet, sondern teilweise den falschen Patienten", sagte Lux. Oft erhielten "gerade Tumorpatienten sogar zu wenig dieser Schmerzmittel".

Offen und zugleich offensiv wollen Bayerns Ärzte indes mit "der zunehmenden Ausbreitung der digitalen Medizin" umgehen. Wolfgang Rechl, zweiter Vizepräsident der Kammer, erklärte: "Gegen den informierten Patienten ist nichts einzuwenden." Wichtig sei jedoch, dass angesichts von Dr. Google "die direkte Arzt-Patienten-Kommunikation nicht auf der Strecke bleibt".

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: