Gesellschaftliches Engagement:Zweifache Lebensretterin mit nur sechs Jahren

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  • Ministerpräsident Söder zeichnete im Antiquarium der Münchner Residenz etwa 100 Lebensretterinnen und Lebensretter aus.
  • Bayerische Rettungsmedaillen und Christophorus-Medaillen wurden für Rettungen unter Einsatz des eigenen Lebens oder "besonders schwierigen Umständen" verliehen.

Von Dietrich Mittler, München

Im Antiquarium der Münchner Residenz, in welchem Ministerpräsident Markus Söder am Mittwoch das erste Mal Lebensretterinnen und Lebensretter aus ganz Bayern auszeichnete, ist einiges schon ziemlich alt: das Tonnengewölbe und die Wandmalereien zum Beispiel. Kontrastprogramm: Melina Hacker aus Forchheim, sechs Jahre alt, in der Schulklasse das einziges Mädchen unter lauter Buben und gleich zweifache Lebensretterin. Sie tänzelt in ihrem pinkfarbenen Kleid zum Ministerpräsidenten, zieht den Fotografen Grimassen. Die Kameras machen Klick, dann hüpft Melina zurück zur Mama - in der Hand einen Kuschel-Löwen, den ihr der Mann im dunklen Anzug und der fliederfarbenen Krawatte überreicht hat.

"Die Auszeichnung ist ein Dankeschön der Gemeinschaft an Sie", hatte Söder in seiner Festansprache erklärt. Die nahezu 100 Lebensretter, die sich an diesem Tag, aus allen Landesteilen kommend, in der Münchner Residenz versammelt hätten, seien "echte Helden, die wahre Größe gezeigt haben". Das sagte der Ministerpräsident zu einem Zeitpunkt, als Melina noch gar nicht wusste, dass man dafür gleich einen Löwen geschenkt bekommt. "Der Löwe kann ganz schön böse werden, wenn mich jemand ärgert", stellt sie später klar.

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Melina hat zwei Christophorus-Medaillen erhalten, denn so oft hat sie bereits ihre an Diabetes leidende Mutter gerettet, nachdem diese im Unterzucker das Bewusstsein verloren hatte. Das erste Mal, da war Melina gerade einmal vier Jahre alt, beim zweiten Mal fünf. Da hatte sie der Mama gar den Blutzucker gemessen und dann den Papa angerufen. "Beim Eintreffen der Rettungskräfte öffnete Melina mit Hilfe eines Stuhls die Türe und wies ihnen den Weg zur Mutter", heißt es in der Laudatio.

Außer Melina erhielten weitere 53 Personen die Christophorus-Medaille als Dank dafür, dass sie Mitmenschen "unter besonders schwierigen Umständen" das Leben retteten. So wie etwa Katharina Huber und Moritz Metzler aus dem Berchtesgadener Land, die am Weidsee einem in Panik geratenen Mann beistanden, der sich in Unterwasserpflanzen verfangen hatte. Oder auch Jonas Küppers und Sandra Werner aus dem Kreis Mühldorf am Inn. Sie hatten Schreie von zwei Frauen gehört, die von einem Mann durch Messerstiche lebensbedrohlich verletzt worden waren. Obwohl der Täter noch in der Nähe war, begannen sie damit, die Blutungen zu stillen.

Die Verleihung der Medaillen spiegelt ein Stückweit Bayerns Gesellschaft wider, mit allen ihren Veränderungen. Längst werden hier nicht mehr nur so bayerisch klingende Namen wie Kollmannsberger, Huber oder Hindelang aufgerufen, sondern auch die von Michael Kingston (versuchte unter Lebensgefahr, zwei Männer aus den Wasserstrudeln zu ziehen), Azad Issa (Rettung eines Rentners "aus einem völlig verrauchten Haus") oder Mohamed Salama, der einen bereits am Boden liegenden Mann vor weiteren Fußtritten bewahrte.

Salamas dramatisches Erlebnis ist kein Einzelfall. Auch Isabel Branco Ernesto aus dem mittelfränkischen Roth stand einem Gewalttäter gegenüber. Die heute 14-Jährige ging dazwischen, als ein Mann ihre zu diesem Zeitpunkt bereits lebensgefährlich verletzte Mutter erneut mit einem Messer attackierte. Sie drängte den Angreifer ab, versuchte ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Ein traumatisches Erlebnis, das nachwirkt: Sie selbst hat keine Erinnerung mehr daran, ob sie der Täter ebenfalls verletzte. Isabel hat dafür wie 44 weitere Persönlichkeiten die Bayerische Rettungsmedaille verliehen bekommen, die nur diejenigen erhalten, die anderen unter Einsatz ihres eigenen Lebens halfen.

Felix Freundorfer aus Stephansposchiching im Kreis Deggendorf war zwölf Jahre alt, als ein Mädchen einer Mitschülerin mit einem Küchenmesser in den Rücken stach. Er nahm der Angreiferin das Messer aus der Hand und drängte sie von der Verletzten weg. "Die erste Nacht habe ich geträumt, dass sich das alles wiederholt - dann aber nimmer", sagt er. Felix ist glücklich. Gerade eben hat er dem niederbayerischen Polizeipräsidenten Josef Rückl erzählt, dass er Polizist werden will. Und der hat ihm angeboten, dass er "hineinschnuppern" darf. Als Vorbild könnte ihm die Fürther Polizistin Melanie Emmer dienen. Obwohl die bereits bei einem ähnlichen Einsatz gut ein halbes Jahr zuvor fast ihr Leben eingebüßt hätte, zog sie erneut einen Menschen aus den Fluten. Erzählt hat sie das den Verwandten erst später, weil die sich Sorgen genug machen. "Meine Mama hatte Tränen in den Augen und gesagt, dass sie sehr stolz auf mich ist", sagte sie.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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