Gauweiler als neuer Vizechef der CSU:Rochade für die Europawahl

Von der jungen und weiblichen CSU redet Horst Seehofer immer gerne. Wenn es um die Macht geht, darf die Partei aber trotzdem älter und männlicher sein. Beate Merk muss ihren Stellvertreter-Posten jetzt für den 64-jährigen Peter Gauweiler frei machen. Ein taktischer Zug, der die CSU bei der Europawahl gegen ein drohendes Erstarken der AfD absichern soll.

Von Frank Müller, Robert Roßmann und Mike Szymanski

Da stehen sie nun, Horst Seehofer und Peter Gauweiler. Der Chef und sein künftiger Vize. Der CSU-Vorsitzende ist von den Vorstandstischen eigens nach hinten gegangen, dorthin, wo beim Parteitag die normalen Delegierten sitzen. Noch ist Gauweiler einer von ihnen. Der 64-Jährige gehört zwar schon seit Jahrzehnten zu den prominentesten Christsozialen. Aber er ist doch nur ein einfacher Bundestagsabgeordneter. Seehofer kommt, Gauweiler steht auf - und schaut doch nach oben. "Der ist immer so groß, der Seehofer", sagt Gauweiler. "Das musst' jetzt aushalten", scherzt der Vorsitzende.

Hier haben sich zwei doch noch gefunden - zu Lasten einer Dritten: Beate Merk muss ihren Vize-Posten für Gauweiler frei machen. Jetzt steht sie neben den beiden Männern und versucht gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Um nicht so klein zu wirken, habe sie extra ihre "höchsten Schuhe" angezogen, sagt die Ministerin. Sie schaut in diesem Moment trotzdem ziemlich klein aus.

Es war die Überraschung vor dem CSU-Parteitag. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass Seehofer Gauweiler in die Parteispitze holen will. Auch Gauweiler hat von der Rochade erst am Mittwoch erfahren. Merk hatte in der Mollath-Affäre viel Kredit verspielt. Auch im Fall Gurlitt macht sie keine gute Figur. Die Europaministerin hätte mit einem desaströsen Ergebnis bei der Stellvertreter-Wahl rechnen müssen.

Für Seehofer war das eine Chance: Er konnte nicht nur Merk loswerden, sondern auch den Europa-Kritiker Gauweiler auf den Schild heben. "Ich glaube, das ist ein Gewinn für uns", sagt Seehofer. Und lobt den Abgeordneten auch sonst über den Klee. Seine Berufung sei auch eine Anerkennung dafür, dass er sich in den letzten Jahren "nicht in den Schmollwinkel" zurückgezogen habe.

Gauweilers Botschaft: Ja zu Europa braucht ein großes Aber

Mit Hilfe Gauweilers will die CSU ihre Erfolge bei der Landtags- und Bundestagswahl bei der Europawahl fortsetzen. Er soll die CSU absichern gegen die Euroskeptiker von der AfD. Verglichen mit deren Chef Bernd Lucke ist Gauweiler ein politisches Schwergewicht. Schon im Bundestagswahlkampf nahm Gauweiler mit seinem Einsatz der AfD vieles weg; manch einer in der CSU glaubt sogar, dass es die entscheidenden Punkte zur Fünf-Prozent-Hürde waren.

Es ist ein später Triumph Gauweilers, was für ein Unterschied zum Wahlparteitag vor zwei Jahren. Damals hatte er noch auf eigene Faust versucht, Partei-Vize zu werden. Mit einer Kampfkandidatur forderte er Verkehrsminister Peter Ramsauer heraus. Gauweilers Botschaft war schon damals dieselbe wie heute: Das Ja zu Europa braucht ein großes Aber. Die Skepsis gegen die EU hatte Gauweiler über die Jahre immer stärker zu seinem Markenzeichen gemacht. Doch damals passte Seehofer das noch nicht ins Konzept.

Gauweiler hatte damals zwar zunächst große Sympathien bei der Basis. Doch dann wurden die Delegierten in vielen Telefonaten und Gesprächsrunden bekniet, doch lieber Ramsauer zu wählen. Seehofer hielt sich damals öffentlich raus, er überließ diese Überzeugungsarbeit unter anderem Ilse Aigner.

Heute ist die Lage aber eine andere. 2014 wird ein neues Europaparlament gewählt. In der CSU werden schon seit Wochen die euroskeptischen Töne lauter. "Ich habe Horst Seehofer gesagt, wenn ich helfen kann, dann gerne", sagt Gauweiler. Damit kam er Seehofer gerade recht.

Zeit der Männerfreunde und Strauß-Verehrer

Das weiß Gauweiler auch, man sieht es ihm an. Und seinem alten Mithaudegen Wilfried Scharnagl erst recht. Die beiden Männerfreunde und Strauß-Verehrer fallen sich auf dem Parteitag in der Münchner Messe in die Arme. "Komm her, Alter", sagt Scharnagl und wird gar theologisch. "Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat." Es ist ein Aufbruch der alten Männer: Gauweiler ist 64 Jahre alt, Scharnagl 75.

Seehofer redet zwar viel von einer moderneren, weiblicheren, jüngeren CSU. Wenn es darum geht, die Macht zu erhalten, darf die Partei allerdings gerne älter und männlicher aussehen. Das ist schon länger zu beobachten: In den Wahlkämpfen setzte Seehofer stark auf die alten Mythen von Strauß und Stoiber. Und auch Gauweiler wurde aktiviert. Seehofer schickte ihn gemeinsam mit Scharnagl auf eine eigenständige Wahlkampftour durch den Freistaat. "Bayern zuerst", hieß sie.

Sorge vor einer zweistelligen AfD

Das Jahr 2012 hatte Seehofer zum Jahr der Frau ausgerufen und sogar eine Quote für CSU-Vorstandsposten durchgesetzt. Das Jahr 2013 scheint nun zum Jahr des Mannes zu werden. Bisher sieht es danach aus, als ob die CSU keine einzige Frau ins Berliner Kabinett schicken wird. Und in der Parteispitze sitzt nach dem Wechsel von Merk zu Gauweiler nur noch eine Frau: Landtagspräsidentin Barbara Stamm.

In der CSU-Spitze schauen sie mit Sorge auf die Europawahl im kommenden Jahr. In den Augen der meisten Bürger ginge es dabei um nichts, glauben sie in der CSU. Deshalb drohten besonders viele Proteststimmen. Die AfD könne sogar ein zweistelliges Ergebnis einfahren.

Dass in Berlin bald eine große Koalition regiert, erschwert die Lage zusätzlich. CDU und SPD werden mit David McAllister und Martin Schulz zwar prominente und beliebte Spitzenkandidaten ins Rennen schicken. Allerdings werden die beiden von den Bürgern nicht gerade als Alternative wahrgenommen werden, zwischen der man wählen kann. Schließlich haben sich ihre Parteien bei den Koalitionsverhandlungen ja gerade auf eine gemeinsame Europapolitik verständigt.

An der solle auch Gauweiler nichts ändern, versichert Seehofer am Freitag treuherzig: "Es bleibt bei unserer Europapolitik.". Das mag sein. Mit Gauweiler im Schaufenster wird die CSU trotzdem anders wahrgenommen werden als bisher.

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