Fünfter Platz im Ranking:Spitzenposition mal anders

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Der Export von Autos ist ein wichtiges Standbein für die bayerische Wirtschaft. Derzeit kommt die Ausfuhr in die USA allerdings ins Stocken. (Foto: Florian Peljak)

Bayerns Wirtschaft wächst nicht so stark wie die anderer Bundesländer. Ministerin Aigner betont die langfristigen Erfolge

Von Maximilian Gerl, München

Die Wirtschaft im Freistaat ist im vergangenen Jahr um 2,1 Prozent gewachsen. Das ist mehr als der deutschlandweite Durchschnitt von 1,9 Prozent - und doch nicht so viel wie in manch anderen Bundesländern. Das geht aus den bayerischen Wirtschaftsdaten für 2016 hervor, die Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Donnerstag in München vorstellte. Bayern liegt demnach im Bundesländer-Vergleich auf dem fünften Platz. Den gemeinsamen ersten Rang bekleiden Sachsen und Berlin mit je 2,7 Prozent. Klammert man Stadtstaaten aus, wird Bayern immerhin Dritter hinter Baden-Württemberg. So oder so eine ungewohnte Platzierung, jedenfalls für die bayerische Staatsregierung, die sich bekanntlich immer auf einer Spitzenposition sieht - egal worin.

Eine solche erkannte Aigner dann doch noch, nämlich in der Langzeitbetrachtung: "Wer jetzt schreiben will, Bayern rutscht ab auf Rang drei, dem sage ich: Das ist falsch." Erstens sei der Freistaat in den vergangenen 25 Jahren fast nie Erster gewesen im Bundesländer-Ranking. Zweitens sei Wachstum ein "langfristiges Phänomen". Seit 1996 sei die bayerische Wirtschaft um rund 48 Prozent gewachsen. Damit liege Bayern im 20-Jahres-Vergleich "ganz klar an der Spitze".

Tatsächlich hätte Bayerns Wirtschaft im vergangenen Jahr stärker wachsen können - wäre es nur halb so lang gewesen. Denn in der zweiten Jahreshälfte schwächte sich das Wachstum ab. Das hat mehrere Gründe, zum Beispiel den Brexit. Im Juni 2016 stimmten die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union. Das führte nach und nach zu einer Abwertung des britischen Pfunds gegenüber dem Euro. Waren aus Euroländern wurden damit in Großbritannien teurer. Das bekamen offenbar auch einige bayerische Unternehmen zu spüren, ihre Gewinne sanken.

Ein anderer Grund: Die Autohersteller haben weniger Fahrzeuge in die USA exportiert. Ein Vorgeschmack, was der bayerischen Wirtschaft bevorstehen könnte, sollte US-Präsident Donald Trump seine protektionistischen Absichten wahr machen und Import-Strafzölle erheben. "Freier Handel ist für uns von entscheidender Bedeutung", sagte Aigner. "Er ist die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolges und unseres Wohlstandes." Deshalb sei es wichtig, den Austausch mit Großbritannien und den USA nicht abreißen zu lassen. Gleichzeitig müsse man aber die wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Ländern stärken. Aigner will deshalb bald nach China reisen.

Wie stark der Freistaat inzwischen vom Export abhängt, zeigt auch eine andere Zahl. Insgesamt exportierten die bayerischen Unternehmen im vergangenen Jahr Waren im Wert von 182,8 Milliarden Euro in alle Welt. Ein neuer Außenhandelsrekord, trotz aller Probleme. Aber auch eine Warnung, wie sehr der bayerische Wohlstand an weltweiten Entwicklungen hängt.

Erfreulich entwickelte sich 2016 die Arbeitslosenquote: nach unten. Sie lag bei 3,5 Prozent, in 40 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte sogar unter drei Prozent - damit herrschte dort nach volkswirtschaftlicher Definition Vollbeschäftigung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg weiter, auf knapp 5,3 Millionen Menschen im Jahresdurchschnitt, ein neuer Höchststand. Und sogar ein knappes Drittel aller in Deutschland angemeldeten Patente stammte aus dem Freistaat. Aigner deutete das als ein Zeichen für die hohe Innovationskraft bayerischer Unternehmen.

Damit diese in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben, präsentierte die Wirtschaftsministerin eine Reihe von Forderungen, die die CSU im Wahlkampf wohl öfter wiederholen wird. Die meisten hatten mit einer Steuerreform zu tun. Die "Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung" könne Unternehmen dabei helfen, mit dem immer schnelleren technologischen Fortschritt mitzuhalten. In der EU sei eine solche Förderung bereits "praktisch Standard", sagte Aigner. Die Erbschaftssteuer wolle sie erst regionalisieren, dann in Bayern abschaffen. "Dabei geht es nicht um den Erhalt eines Luxuslebens von Wirtschaftsbossen, sondern um den Erhalt von Arbeitsplätzen." Aigner forderte außerdem, Investitionsanreize für Wagniskapitalanleger zu schaffen. Das finanzielle Risiko von Investoren müsse verringert werden, damit private Kapitalgeber stärker in Start-Ups investierten. Dies könne über eine "steuerwirksame Sofortabschreibung bei Erwerb von Anteilen an Start-Ups" geschehen.

Inwiefern die Forderungen umsetzbar sind, wird unter anderem vom Ergebnis der Bundestagswahl im September abhängen. Auch danach wäre die CSU gern in Spitzenpositionen in Berlin vertreten. Entsprechend wenig begeistert zeigte sich Aigner vom Vorschlag des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, Arbeitslosen länger Arbeitslosengeld zu bezahlen, sofern sie sich fortbilden. Aigner sagte, mit einer Verlängerung der Arbeitslosigkeit samt schleichender Verrentung könne man den demografischen Herausforderungen nicht begegnen. Sie setze auf die Entlastung von Unternehmen.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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