Finanzskandal bei reformierter Kirche:Im falschen Glauben

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"Unser H. regelt das": Wie der Kämmerer Günther H. das Vermögen der Evangelisch-reformierten Kirche verzockt hat.

Olaf Przybilla u. Roman Deininger, Nürnberg

Wer Menschen, die ihn gut kennen, über Günther H. reden hört, der könnte glauben, in Saal 144 des Nürnberger Landgerichts sitze der falsche Mann.

Die Kirche vertraute ihm: der Angeklagte Günther H. (Foto: Foto: ddp)

Für sein heiteres Gemüt ist der frühere Kämmerer der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern bekannt, als einer, den man beim Frankenfasching in Veitshöchheim sitzen sah und dachte: Das passt.

Aber jetzt passt gar nichts mehr. H. lächelt nicht, mit gesenktem Kopf schlurft er zur Richterbank und zurück auf den Stuhl des Angeklagten. Der 68-Jährige spricht leise, wenn er nicht gleich seine Anwälte für sich sprechen lässt. Er ist erkältet, er sagt, er sei angeschlagen nach einer Erkrankung.

7,5 Millionen Euro hat er veruntreut - das gesamte Barvermögen seiner Kirche. Seit vergangenem Mittwoch zeichnet sich ab, dass H. dafür ins Gefängnis muss. Die Staatsanwältin plädiert auf sechs Jahre Haft - der Anwalt von H. auf "höchstens sechs Jahre". An diesem Montag soll das Urteil fallen.

Gleich zum Prozessauftakt hat H. die Vorwürfe eingeräumt. Doch bis zuletzt bestreitet er, sich selbst bereichert zu haben. "Es war das erklärte Ziel des Rechners, das Vermögen der Kirche zu mehren", beteuert er. Rechner, so nennen die Reformierten ihren Finanzchef.

Als solcher habe er seiner Kirche ein "guter Sohn" sein wollen, sich dabei aber verspekuliert - getrieben auch von den Begehrlichkeiten, die seine Erfolge als Kämmerer geweckt hätten.

Nüchtern ist der Ton seiner Einlassungen, tollkühn das Wesen der Investitionen, von denen H. berichtet: Müllverbrennungsanlagen, ein Golfhotel mit Seilbahn, eine Brotfabrik, all das in der Türkei. Alles scheitert, auch die 400.000 Nachtspeicheröfen, die er in Pekings Altstadt installieren will.

"Aus Scheiße Gold machen"

Johannes Mann kann sich noch gut an den Satz erinnern, mit dem ihm ein Mitglied der Synode den Rechner beschrieben hat. Vor sechs Jahren war das, Mann war da gerade aus dem Rheinland an seine Pfarrstelle in Erlangen gewechselt. Der Satz erschien dem Pfarrer eher ungewöhnlich für den Sprachstil, den evangelische Synodale gewöhnlich untereinander pflegen.

Aber vielleicht war der Satz Ausdruck "dieses magischen, fast unwirklichen Rufes", der H. damals vorauseilte, vermutet Mann. Jedenfalls erklärte ein Synodaler dem Pfarrer: "Unser Günther kann aus Scheiße Gold machen."

Pfarrer Mann hat vor Gericht auch gegen H. aussagen müssen. Er hat bekannt, dass sie alle in der Synode Schuld auf sich geladen haben: weil sie alle den Renditeversprechen des Rechners Glauben schenken wollten. Und weil sie sich alle gemeinsam ein Mantra für Finanzsachen auferlegt hatten: "Unser H. regelt das."

Das ging so weit, dass H. in den Jahren 2005 und 2006 keine Rechnungsprüfung mehr vorlegte - die Synode ihn aber trotzdem entlastete. Mann spricht von tiefen Gräben, die bei den Reformierten seither aufgebrochen sind: "Da ist menschlich ganz viel kaputtgegangen", sagt er.

Vielleicht ist Alasdair Heron das beste Beispiel dafür. Der emeritierte Professor, ehemaliger Inhaber des Reformierten Lehrstuhls in Erlangen, ist nicht Mitglied der Synode. Er weiß nur vom Hörensagen, was am 17. Oktober 2008 im Kirchenparlament über ihn, Heron, gesagt worden ist.

Ein Satz wie ein Bumerang

Der Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit, Georg Rieger, hat dort einen "Bericht über den Stand der Aufklärung des Finanzskandals" vorgelegt. Heron kam in diesem Bericht auch vor, äußerst negativ.

Allerdings nicht als einer, der Schuld auf sich geladen hat. Sondern als derjenige, der die Kirchenleitung zu frech aufgefordert hat, endlich Verantwortung zu übernehmen. Heron hatte dem damaligen Präses Joachim Metten geschrieben und ihn gebeten zurückzutreten.

Sein Brief endet: "Die Kompetenz, eine Dorfkirche zu leiten, befähigt offensichtlich nicht unbedingt zur Leitung eines Synodalverbandes."

Rieger - der unterdessen zum Vorstandsmitglied der Synode aufgestiegen ist - erklärte den Brief vor den versammelten Synodalen zur "Schande für unsere Kirche".

Heron möchte das nicht groß kommentieren. Er sagt nur: "Dieser Satz kehrt wie ein Bumerang auf den zurück, der ihn gesagt hat."

Nicht das Schlimmste voneinander denken

Präses Metten ist einen Tag, nachdem Herons Brief an die Öffentlichkeit gelangt war, zurückgetreten.

In einem Interview hat Metten die Art, das Gebaren eines Kämmerers zu kontrollieren, so begründet: Es sei ein hohes Gut der reformierten Kirche, sich gegenseitig vertrauen zu können - und nicht immer das Schlimmste voneinander zu denken.

© SZ vom 21. 12. 2009 /odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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