Fall Haderthauer:Wenn Mörder und Polizisten Freunde werden

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  • Die Ermittlungen gegen Ex-Staatsministerin Christine Haderthauer sollen bis Ende der Herbstferien beendet sein.
  • Im Untersuchungsausschuss Modellbau geht es um die Umstände, unter denen Haderthauer und ihr Ehemann psychisch kranke Straftäter in ihrer Firma beschäftigten.
  • Der frühere Kriminalpolizist Werner S. berichtet dabei von seinem engen Verhältnis zu einem der psychisch kranken Beschäftigten, den er einst überführte.

Von Dietrich Mittler, München

Noch hat der Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank gar nicht den Raum betreten, in dem der Untersuchungsausschuss Modellbau zusammenkommt, da ist die Spannung der Abgeordneten bereits deutlich spürbar. Florian Herrmann (CSU), der stellvertretende Ausschussvorsitzende, bringt die zentrale Frage auf den Punkt: "Wann sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die frühere Staatsministerin Christine Haderthauer beendet, und wann können wir die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft einsehen?"

Alle im Ausschuss rätseln noch, was diese Akten offenbaren werden: Bestätigen sie die Vorwürfe gegen das Paar wegen Betrugs und Steuerhinterziehung - oder entlasten sie Christine Haderthauer und ihren Mann Hubert?

Auf die letzte Frage gibt Generalstaatsanwalt Peter Frank an diesem Donnerstag keine Antwort. Später fasst der Ausschussvorsitzende Horst Arnold (SPD) im Kern zusammen, was Frank in der nicht-öffentlichen Sitzung gesagt hat: Das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft in England und den USA ist zwar noch nicht abgeschlossen, dennoch will die Behörde das Ermittlungsverfahren bis zu den Herbstferien beenden. Dann soll der Untersuchungsausschuss die Ermittlungsakten zugestellt bekommen.

Dinge, die einigen Ausschussmitgliedern schier den Atem raubten

Doch diese Nachricht ist nicht die einzige Attraktion dieser Ausschusssitzung: Geladen ist der Zeuge Werner S., also jener Mann, der den psychisch kranken Straftäter Roland S. überführt hat. Roland S. hatte in der zurückliegenden Sitzung Dinge berichtet, die einigen Ausschussmitgliedern schier den Atem raubten. Etwa über die Umstände, unter denen er mit anderen psychisch kranken Straftätern in den Bezirkskrankenhäusern Ansbach und Straubing für die Firma Sapor Modelltechnik exklusive Modellautos baute, die dann unter anderem sein früherer Forensikarzt Hubert Haderthauer in alle Welt verkaufte.

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Christine Haderthauer, die spätere Staatsministerin und frühere Mitinhaberin der Firma Sapor Modelltechnik, habe ihm Anfang 2000 bei einem Restaurantbesuch in Ingolstadt das Du angeboten. Dann seine Aussagen über die Sicherheitsvorkehrungen: "In den zwölf Jahren, in denen ich in Ansbach war, sind bestimmt 20 Leute geflohen. Ich habe mich aber nie angeschlossen. Weil ich es einfach nicht wollte, aber es wäre eine Kleinigkeit gewesen." Für das Ausschussmitglied Peter Bauer (Freie Wähler) ist das eine Ungeheuerlichkeit: "Die Ansbacher Bürger sind nach wie vor entsetzt über das Risiko, das ihnen damals zugemutet wurde."

Der mittlerweile pensionierte Kriminalpolizist Werner S. - ein Mann mit einem runden, Ruhe ausstrahlenden Gesicht - ist nun jener Zeuge, der tieferen Einblick in die damalige Zeit bringen soll. Sein Verhältnis zu Roland S. ist indes nicht minder atemberaubend. Er besuchte ihn nicht nur im Bezirkskrankenhaus, er lud ihn auch immer wieder bei sich zu Hause ein, ließ ihn an Familienfeiern teilnehmen. Roland S. rührt das bis heute: "Da hat der Jäger den Gejagten in sein Haus geholt, nie habe ich in meinem Leben eine solche Aufnahme gefunden."

"Roland S. ist der einzige, der um seine Opfer geweint hat"

Werner S. wiederum schildert Roland S. als einen Menschen, vor dem er nie Angst haben musste. "Ich habe viele Straftäter kennengelernt, die Menschen getötet haben. Roland S. ist aber der einzige, der um seine Opfer geweint hat." Auf den Ausschussvorsitzenden Arnold, der selbst einmal Staatsanwalt und Richter war, wirken die Worte befremdlich. Er liest aus den Vernehmungsakten vor, in denen im Detail geschildert wird, wie Roland S. die Ermittler zu den einzelnen Leichenteilen führte. Dennoch sagt Werner S.: "Der Roland S. ist an sich nicht böse." Und überdies bleibe auch ein Mensch, der getötet habe, ein Mensch.

Werner S. begleitete Roland S. sogar auf einer Reise nach Frankreich zu einem früheren Geschäftspartner der Haderthauers, wo beide Männer auf einer Jagdhütte übernachteten. "Wie war da Sicherheit gewährleistet?", fragt sich nicht nur Ausschussmitglied Peter Bauer. Der Vorsitzende Horst Arnold kann auch nur den Kopf schütteln: "Werner S. hat den psychisch kranken Straftäter immer nur als Privatperson begleitet", sagt er.

Fest steht nun aber auch eindeutig: Der Kripomann hatte sich dazu die Erlaubnis der zuständigen Staatsanwalt in Nürnberg eingeholt. "Ich habe durch die vielen Gespräche, die ich mit Roland S. geführt habe, viel gelernt, wovon ich später in meiner Arbeit im Umgang mit schwierigen Tätern wieder profitiert habe", sagt er. Roland S. habe er oft gewarnt, sich von seinem Arzt, Hubert Haderthauer, nicht ausnutzen zu lassen. "Doch für Roland S. war das kein Geschäft, der Modellbau war sein Leben."

Werner S. kann auch bestätigen, was viele im Ausschuss besonders interessierte: Roland S. war mit den Haderthauers beim Essen, und in der Runde wurde sich geduzt.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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