Erster Auftritt:Minister für Umwelt und Befindlichkeiten

Lesezeit: 3 min

Ulrike Scharf war bei den Umweltverbänden anerkannt, doch in der eigenen CSU-Fraktion machte sie sich mit zu viel Naturschutz unbeliebt. Sie kam nicht mehr ins Kabinett, an ihrer Stelle soll Marcel Huber das Verhältnis verbessern. Dabei wäre der lieber Agrarminister geworden

Von Christian Sebald, München

Natürlich ist die Neugier groß, wie sich Marcel Huber an diesem Montag schlagen wird. Denn an diesem Montag absolviert Huber seinen ersten öffentlichen Auftritt als neuer bayerischer Umweltminister. Anlass ist der zehnte Jahrestag der bayerischen Biodiversitätsstrategie; die Staatsregierung veranstaltet dazu in der Münchner Residenz einen Staatsempfang. Eingeladen sind alle, die Rang und Namen haben in der Umweltpolitik des Freistaats. Höhepunkt ist die Festrede von Umweltminister Marcel Huber. Alle erwarten, dass er die Akzente skizzieren wird, die er in der bayerischen Umweltpolitik setzen will, wenigstens in der Zeit bis zur Landtagswahl im Oktober.

Nun ist Marcel Huber kein Unbekannter in der Umweltszene. Im Gegenteil. Man kennt und schätzt den bisherigen Staatskanzleichef als nachdenklichen und besonnenen Mann, der gut zuhören und moderieren kann. Huber war ja 2007 und 2008 - just in der Zeit also, aus der die Biodiversitätsstrategie stammt, die er jetzt feiern soll, - bereits Staatssekretär im Umweltministerium. Und von November 2011 bis zu seinem Wechsel in die Staatskanzlei im September 2014 stand er schon einmal an der Spitze des Umweltministeriums. Die Ministerialen in dem weitläufigen Amtssitz am feinen Rosenkavalierplatz in München-Bogenhausen haben also fast alle ihre Erfahrungen mit ihrem neuen alten Minister gemacht, ebenso die Beamten draußen in den Behörden und natürlich auch die Funktionäre in den Umweltverbänden, allen voran im Bund Naturschutz und im Landesbund für Vogelschutz.

Dass die Neugier auf Hubers ersten Auftritt dennoch so groß ist, hat einen ganz anderen Grund: Die Umweltszene ist ziemlich kalt davon erwischt worden, wie umstandslos der neue Ministerpräsident Markus Söder vor gut zwei Wochen Hubers Amtsvorgängerin Ulrike Scharf geschasst hat. Selbst Huber dürfte bis zuletzt nicht geahnt haben, welchen Posten ihm Söder zugedacht hat im neuen Kabinett. Zwar hatte der 60-Jährige schon seit geraumer Zeit keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Spitzenjob in der Staatskanzlei abgeben will. Aber wenn es nach ihm gegangen wäre, dann wäre der gelernte Tierarzt, der seit Kindesbeinen der Landwirtschaft eng verbunden ist, endlich Agrarminister geworden. Schließlich wollte Huber das schon 2008 werden. Doch im Geschacher um die Posten im ersten Kabinett von Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer reichte es letztlich nur zum Staatssekretär im Kultusministerium. Huber, der ein sehr loyaler Politiker ist, fügte sich klaglos und wurde drei Jahre später mit dem Umweltministerium belohnt. Den Traum vom Landwirtschaftsminister hat er dennoch nie aufgegeben. Jetzt musste er ihn erneut begraben.

Marcel Huber, 60, war von 2011 bis 2014 Umweltminister, davor und danach leitete er für Horst Seehofer die Staatskanzlei. Nun kehrt er in das Umweltministerium zurück. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Denn die Landtags-CSU unter ihrem mächtigen Chef Thomas Kreuzer habe Umweltministerin Scharf nicht länger geduldet, heißt es aus dem Ministerium. Das Verhältnis zwischen der Unternehmerin aus Erding, die 2011 als Quereinsteigerin in die Umweltpolitik gekommen war, und der CSU-Landtagsfraktion war so zerrüttet, dass diese kategorisch ihren Hinauswurf aus dem Kabinett eingefordert haben soll. Gleich ob es um die umstrittene Skischaukel am Riedberger Horn ging oder den dritten Nationalpark, den Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer unbedingt einrichten wollte - aus Sicht der Fraktion schoss Scharf im Naturschutz ein ums andere Mal so weit übers Ziel hinaus, dass viele Parteifreunde das nicht länger mitmachen wollte. Andere lasteten Scharf den Bayern-Ei-Skandal an. Zwar war der Monate vor Scharfs Amtszeit passiert, und die Ministerin selbst bemühte sich redlich um eine Reform der Lebensmittelkontrollen, damit sich ein solcher Skandal möglichst nicht wiederhole. Aber sie wurde ihn nicht los.

Da nützte es auch nichts, dass sich Scharf in der Expertenwelt und bei den Umweltverbänden einen so guten Ruf erworben hatte, wie schon lange kein bayerischer Umweltminister mehr. Im Gegenteil. Bei manchem Fraktionsmitgliedern soll das die Aversionen eher noch verschärft haben. Die Fraktion wollte sie nicht einmal mehr auf einem anderen Kabinettsposten dulden. Söder sollte sie komplett aus dem Kabinett werfen. Der neue Ministerpräsident selbst dagegen, der in der Vergangenheit ebenfalls wiederholt heftig mit Scharf aneinandergeraten war, hätte angeblich nichts gegen ihren Verbleib gehabt, heißt es. Und Huber hat nun die undankbare Aufgabe, das zerrüttete Verhältnis zwischen der CSU-Fraktion und dem Umweltministerium so reibungs- und geräuschlos wie nur irgendmöglich zu befrieden.

Und was ist mit der Biodiversitätsstrategie, die Huber am Montag feiern soll? Die ist krachend gescheitert. Nur ein Beispiel: Bis 2020 solle sich "für mehr als 50 Prozent der Rote-Liste-Arten die Gefährdungssituation um wenigstens eine Stufe verbessert haben", heißt es in dem 18-seitigen Papier. Schon vor etlichen Jahren zeichnete sich ab, dass dieses wie die anderen Ziele der Strategie nicht erreichbar sein werden, schon allein weil der Flächenfraß viel zu groß ist. Also hat die Staatsregierung ihre Biodiversitätsstrategie 2014 in das "Biodiversitätsprogramm Bayern 2030" überführt, in dem die Ziele nicht weniger wolkig formuliert sind. Der Artenschwund hält indes unvermindert an.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: