Ermittlungen in Augsburger Pflegeheim:Grobe Behandlung, volle Windeln

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Ein Mann im Rollstuhl (Symbolbild) (Foto: dpa)

Schwere Vorwürfe in einem Augsburger Pflegeheim: Weil ein Bewohner schlecht behandelt worden sein soll, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen eine Pflegerin. Sollte es zu Anklage kommen, wäre das für die Stadt als Betreiberin doppelt fatal.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung gegen Mitarbeiter des städtischen Pflegeheimes "Haus Lechrain". Auslöser ist die Anzeige der Ehefrau eines Bewohners. Sie wirft einer Mitarbeiterin vor, diese haben den 87-jährigen Mann trotz dessen Brustwirbelbruches grob vom Rollstuhl in sein Bett gewuchtet, obwohl dies wegen der Verletzung zwei Personen machen müssten. Zudem habe der demente Mann stundenlang in übervollen Windeln sitzen müssen, sodass auch seine Hose und die Socken feucht waren.

Die Staatsanwaltschaft hat bereits Ende September eine Durchsuchung in dem 180-Betten-Haus durchgeführt und zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt. Noch richtet sich das Ermittlungsverfahren gegen unbekannt. Wenn es zu einer Anklage käme, könnte sich diese also nicht nur gegen die Pflegekraft richten, sondern auch gegen die Leitung des städtischen Betriebs, der neben Haus Lechrain weitere Pflegeheime unterhält.

Dieser Fall wäre für die Stadt doppelt schlecht: Denn damit wäre bestätigt, dass es sich nicht um ein Fehlverhalten eines Einzelnen handelt, sondern um ein grundlegendes Problem des städtischen "Eigenbetrieb Altenhilfe".

"Das Pflegeheim Lechrain ist kein Pflegefall"

Augsburgs Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) wies die Vorwürfe der Angehörigen am Freitag allerdings zurück: "Ich gehe davon aus, dass sich das Geschehen nach Abschluss der Ermittlungen anders darstellen wird." Kiefer und die zuständigen Vertreter des Betreibers von Haus Lechrain betonten, dass sie eine "rückhaltlose Aufklärung" der Vorwürfe anstreben. "Wenn es sich so zugetragen haben sollte, dann ist das mit Sicherheit nicht in Ordnung", stellt Kiefer klar, "aber es gilt die Unschuldsvermutung." Als Antwort auf kritische Medienberichte und Leserbriefe betonte er: "Das Pflegeheim Lechrain ist kein Pflegefall."

Susanne Greger, die Werkleiterin der städtischen Altenhilfe, sagte, im Haus Lechrain seien 20 Prozent mehr Pflegekräfte tätig als es der Pflegeschlüssel vorschreibt. Sie räumte allerdings auch "Anlaufschwierigkeiten" in dem Haus ein, das erst im Sommer 2013 eröffnet worden war.

Das Altenheim Lechrain war bereits vor seiner Eröffnung politisch umstritten: Andere private Träger kritisierten den Neubau, weil er überflüssig sei und den Markt kaputt mache. Nach derzeitigem Stand der Dinge hatten sie recht: Das Haus ist 16 Monate nach der Eröffnung nur zu 55 Prozent ausgelastet. Im Jahr 2013 machte es 1,4 Millionen Euro Verlust, der gesamte städtische "Eigenbetrieb Altenhilfe" sogar 3,8 Millionen. Sozialreferent Kiefer deutet eine mögliche Fehlplanung an: "Aus heutiger Sicht kann man die damalige Bedarfsanalyse kritisch hinterfragen."

© SZ vom 18.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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