Diskussion um Gebühren:Neuer Zoff wegen Studienbeiträgen

Lesezeit: 2 min

Aus Angst vor dem angekündigten Volksbegehren hat Horst Seehofer die Studiengebühren abermals infrage gestelllt - und verärgert dadurch die FDP.

Frank Müller, Martina Scherf und Mike Szymanski

In der Debatte um die Studiengebühren droht die Staatsregierung den Universitäten jetzt mit einer Zwangssenkung. Sollten die noch immer relativ hohen Reserven an den Hochschulen nicht bis zum Sommer 2012 auf ein Mindestmaß abgebaut sein, müssten die betroffenen Unis ihre Gebühren zurückfahren, beschloss das Kabinett am Mittwoch.

Bereits im Frühjahr demonstrierten Studenten in München als Asterix und Obelix verkleidet gegen die Studiengebühren. (Foto: Stephan Rumpf)

Mehr als eine Stunde lang soll im Ministerrat über das strittige Thema diskutiert worden sein. Nach Informationen der SZ war es der Ministerpräsident selbst, der im Kabinett die Drohung an die Universitäten durchsetzte und sich damit über den Kurs von Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) hinwegsetzte. In Heubischs ursprünglicher Kabinettsvorlage war davon noch nicht die Rede. Es habe eine "sehr intensive Diskussion" gegeben, sagte der Minister nach der Sitzung. Aus dem Ministerrat verlautete, Seehofer habe abermals Zweifel an den Studiengebühren angemeldet. Offenbar jagen dem Regierungschef die Vorstöße von Piratenpartei und Freien Wählern für ein Volksbegehren gegen den Gebühren Angst ein.

Neben Bayern verlangt nur noch Niedersachsen Beiträge von den Studenten. Heubisch soll dagegen betont haben, mit ihm sei eine Abschaffung nicht zu machen. Die Lage sei an einzelnen Unis sehr unterschiedlich, so der Minister: Während etwa Passau die Gelder vorbildlich rasch ausgebe, sei Augsburg ein Negativbeispiel. Die Uni hat allerdings die Beiträge von 500 auf 450 Euro pro Semester gesenkt.

In der Sitzung hatte Heubisch neue Zahlen vorgelegt, laut denen die Gesamtsumme der an den bayerischen Hochschulen auf der hohen Kante liegenden Mittel zwar gesunken ist: von zuletzt 100 Millionen auf 61 Millionen Euro im März 2011. Verantwortlich seien dafür aber weniger gestiegenes Engagement in den Universitäten, sondern vielmehr rechnerische Gründe: Die aktuelle Zahl stammt vom Ende des Wintersemesters und bildet daher die Bilanz aus Einnahmen und Ausgaben korrekter ab als die Angaben vom Jahreswechsel.

Seehofer hatte Heubisch schon vor der Sommerpause mit der Abschaffung der Gebühren gedroht. Bernd Sibler, Hochschulpolitiker der CSU im Landtag, drückte sich vorsichtiger aus. Er sagte der SZ: "Wenn man das Geld nicht ausgeben kann, erhebt man zu viel und muss die Beiträge senken." Seehofer hingegen will bei den Haushaltsberatungen im November alle Bildungsausgaben auf dem Tisch haben "und überlegen, für welche Zwecke wir welche Mittel einsetzen". Dazu zähle auch das von der FDP gewünschte kostenfreie letzte Kindergartenjahr.

Der SPD-Politiker Julian Nida-Rümelin, den der designierte SPD-Spitzenkandidat Christian Ude zum neuen Wissenschaftsminister machen könnte, sagte der SZ, die Studiengebühren müssten verschwinden. Bildung müsse aus Gründen der Gerechtigkeit kostenlos "von der Krippe bis zur Hochschule sein" und aus Steuern finanziert werden.

Darin ist sich die Opposition im Landtag einig. SPD, Grüne und Freie Wähler verstärken zum Wintersemester den Druck auf die Regierung zur Abschaffung der Gebühren. Während die SPD Unterschriften für eine Massenpetition sammelt, die sie im kommenden Frühjahr im Landtag einbringen will, werden nun auch die Freien Wähler ein Volksbegehren anstrengen. Die Chancen, dass dieses juristisch durchkommt, hält Michael Piazolo, der Hochschulexperte seiner Fraktion, für realistisch. Entgegen der Auffassung einiger Verfassungrechtler, wonach das Volk nicht über Studiengebühren entscheiden dürfe, weil diese den Staatshaushalt beträfen, handele es sich dabei nur um Beiträge zu Körperschaftshaushalten, meinte Piazolo am Mittwoch.

Dafür spreche die Tatsache, dass die Universitäten das Geld ausdrücklich nicht für die Grundausstattung, sondern nach freier Verfügung für Sonderausgaben verwenden dürften. Also sei der Haushalt durch deren Abschaffung nicht automatisch tangiert. Die Forderung nach einer grundsätzlich deutlich besseren finanziellen Ausstattung der Hochschulen bleibe selbstverständlich bestehen, so Piazolo. An den Universitäten kursiert mittlerweile der Satz: "Wenn wir in den Bildungsausgaben laut OECD nur noch knapp vor Italien liegen, dann knacken wir auch noch Nigeria."

© SZ vom 29.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: