CSU-Kampagne gegen Armutsmigration:Bulgaren in Niederbayern willkommen

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Der CSU-Bundestagsabgeordnete Fabritius fordert mehr Sachlichkeit. (Foto: Robert Haas)

Wer will heute schon noch Maurer werden? Weil im Raum Deggendorf viele Lehrstellen nicht besetzt werden können, werben Unternehmer gerne Osteuropäer an. Für die Panikmache der CSU haben sie im tiefschwarzen Niederbayern kein Verständnis.

Von Mike Szymanski

Peter Erl, Bauunternehmer im Kreis Deggendorf, CSU-Politiker und Vize-Landrat, wird seinen beiden Auszubildenden Theodor und Vasilev einiges zu erklären haben, wenn die beiden Maurerlehrlinge am Sonntag aus dem Weihnachtsurlaub aus ihrer Heimat Bulgarien zurückkehren. Zum Beispiel wie dieser Satz seiner Partei gemeint ist: "Wer betrügt, der fliegt."

Er steht in einer Beschlussvorlage der CSU-Bundestagsabgeordneten, die in wenigen Tagen in Kreuth zu ihrer Winterklausur zusammenkommen. Seit Jahresbeginn gilt für Bulgaren und Rumänen nach langer Übergangsfrist die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Der Arbeitsmarkt steht ihnen offen. Aber die CSU hat ihre Arme verschränkt und einen ganz besonderen Weihnachtsgruß geschickt.

Ausgerechnet im traditionell tiefschwarzen Niederbayern wollte sie es dabei doch besser machen und Integration als Chance verstehen. Für beide Seiten. Für die, die Arbeit suchen, und für die, die zu viel davon haben. Im August 2011 kamen die ersten Bulgaren nach Deggendorf, um eine Berufsausbildung zu beginnen, 15 junge Leute mit Heimweh und mit Hoffnung. 2012 waren es 20. 2013 nur sechs - weil die Firmen und Behörden wegen des Hochwassers andere Sorgen hatten.

Willkommenskultur in Deggendorf

CSU-Landrat Christian Bernreiter hat mit viel Kraft die Zusammenarbeit mit Bulgarien aufgebaut. Man kann sagen, dass in dieser Zeit so etwas wie eine Art Willkommenskultur in Deggendorf gewachsen ist. CSU-Politiker Erl sagt, er würde sich freuen, wenn seine beiden jungen Männer auch nach der Ausbildung bei ihm blieben. "Wir bekommen ja praktisch keine Lehrlinge mehr."

Wer will heute schon noch Maurer werden oder Bäcker. Fachkräftemangel ist in der Gegend keine Zukunftssorge, sondern ein ganz reales Problem. Erls Firma muss Aufträge ablehnen, weil sie nicht genügend Personal hat. Ohne seine bulgarischen Lehrlinge bliebe noch viel mehr Arbeit liegen. Die Stimmungsmache seiner eigenen Partei kann er nicht verstehen: "Wer betrügt, der fliegt - das ist so ein populistischer Ausspruch, mit dem ich nichts anfangen kann." Er ärgert sich, dass die an der Spitze in seiner Partei zu wenig auf die Leute an der Basis hörten.

"Ehrgeizig, engagiert und höflich"

Sie müssten auch mal mit Roswitha Zippert vom Krahwirt reden. "Chefin" nennen ihre drei bulgarischen Auszubildenden die Frau. Einer ist Matei Nikolov, der bei ihr Koch lernt. In seiner Heimatstadt hatte er keine Arbeit gefunden. Seit August 2012 ist er in Deggendorf. "Anfangs war es schwierig", sagt er. Deutsch zu lernen hatte gedauert. Jetzt sagt er: "Es läuft schon wie zu Hause." Er würde sich freuen, wenn die "Chefin" ihn nach der Ausbildung übernimmt.

Vom Ärger, den die CSU ausgelöst hat, hat er nichts mitbekommen. Im Moment ist Zippert voll des Lobes: "Meine Auszubildenden aus Bulgarien sind ehrgeizig, engagiert und höflich." Das Projekt aus ihrer Sicht: ein großer Erfolg.

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Rumänen und Bulgaren - eine Bedrohung für Deutschlands Arbeitsmarkt und fürs Sozialsystem? Auch Johannes Wirth kann die Panikmache der CSU nicht nachvollziehen. Der erst 28-Jährige ist Geschäftsführer im familiengeführten Handwerksunternehmen Wirth in Hengersberg. Zwei Bulgaren hat die Firma als Auszubildende angestellt. Einer hat abgebrochen, weil er studieren wollte. Der andere lernt Installateur, die Chefs sind zufrieden. Zweimal im Jahr zahlt ihm die Firma die Heimreise, er bekommt Sonderurlaub und Sprachkurse finanziert. Er soll bleiben. Wirth nennt die von der CSU angestoßene Debatte ebenfalls populistisch. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es den jungen Menschen nicht leicht fällt, ihre Heimat zu verlassen." Sicher werde es auch mal Probleme mit Sozialbetrug geben. Aber gleich massenhafter Missbrauch, das könne er sich nicht vorstellen.

Vielleicht macht die Debatte, so wie sie gerade geführt wird, mehr kaputt als sie erreicht. Martin Neumeyer ist Landtagsabgeordneter der CSU, ebenfalls aus Niederbayern, und Integrationsbeauftragter der Staatsregierung. Er sagt: "Der Ton macht die Musik." Und er sagt: "Das ist nicht mein Ton." Zu undifferenziert, zu viel schwarz-weiß. Über Sozialmissbrauch reden will er schon, sagt er. "Aber die Probleme müssen wir mit diesen Ländern lösen." Pauschalkritik helfe da nicht.

Und noch einer meldet sich zu Wort. Bernd Fabritius, geboren und aufgewachsen in Rumänien, heute sitzt der Rechtsanwalt aus München für die CSU im Bundestag. Er wünscht sich mehr Sachlichkeit. "Es ist falsch, öffentlich nur über die Missbrauchsmöglichkeiten zu sprechen." Der allergrößte Teil der in Deutschland lebenden Rumänen sei "gut integriert und leistungsorientiert - Mitmenschen, die den Missbrauch durch einige ihrer Landsleute genauso kritisieren wie wir". Fabritius wird in Kreuth das umstrittene Papier mit seiner CSU diskutieren. Wie er abstimmt, will er davon abhängig machen, wie die Aussprache läuft.

© SZ vom 03.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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