Bildung:Rektoren von Grund- und Mittelschulen arbeiten am Limit

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"Immer kommt on top noch was drauf, und wir sollen das so nebenbei schaffen." Die - meist weiblichen - Leiter der Grund- und Mittelschulen wissen nicht mehr, wie sie ihre Aufgaben erledigen sollen. (Foto: U. Grabowsky/photothek.net)
  • Die Schulleiter der bayerischen Grund- und Mittelschulen klagen über eine sehr hohe Arbeitsbelastung.
  • Öffentlich äußern dürfen sie sich allerdings nicht, auch wenn das Ministerium nichts von einem Sprechverbot wissen will.
  • Politiker im Landtag und Mitarbeiter des Bildungsministeriums teilten lediglich mit, man habe bereits mit vielfältigen Maßnahmen die Arbeitssituation von Schulleitungen verbessert.

Von Ariane Lindenbach, München

Ein vertrauliches Treffen irgendwo in Bayern, die Kollegen dürfen nichts erfahren. Noch wichtiger ist es den Teilnehmern aber, anonym zu bleiben. Auch der Arbeitgeber darf keinesfalls wissen, wer sich mit der Presse trifft, um über die Überlastung von Schulleitern an den Volksschulen zu sprechen. "Ich riskiere meine Existenz", sagt eine Schulleiterin. Trotzdem habe sie sich dazu entschlossen, mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit zu gehen. "Wir Schulleiter dürfen uns namentlich öffentlich gar nicht äußern."

Ob das zuständige Schulamt verboten hat, das heikle Thema Arbeitsüberlastung öffentlich anzusprechen oder doch das Kultusministerium, sagen die Betroffenen nicht. Im Ministerium will man jedenfalls nichts von einem Sprechverbot wissen. Nichtsdestotrotz: Nur eine Handvoll hat den Mut für das Treffen aufgebracht. Aber die Rektoren versichern, sie sprächen für den Großteil - "mindestens 80 Prozent" - der im Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) vertretenen Schulleiter an Grund- und Mittelschulen. Ihre Botschaft: Sie schuften am Limit.

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Im Februar schrieb der BLLV deshalb einen Brandbrief an Ministerpräsident Horst Seehofer. Der Inhalt: Schulleiter und Verwaltungsangestellte würden von der vielen Arbeit zerrieben. "So können sie ihre Aufgaben nicht professionell erfüllen", hieß es. Politiker im Landtag, vor allem die der CSU, und Mitarbeiter des Bildungsministeriums teilten dazu mit, man habe bereits mit vielfältigen Maßnahmen die Arbeitssituation von Schulleitungen an Grund- und Mittelschulen verbessert. Es gebe bereits mehr Geld, mehr Stunden für die Leitungstätigkeit und mehr Unterstützung durch zusätzliches Personal in der Verwaltung. Die Opposition dagegen konstatierte Nachholbedarf und Handlungsbedarf. Einhellig gelobten die Politiker, Nachbesserungen vorzunehmen. Auch Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) wisse, wie belastet die Schulleiter seien, heißt es aus dem Ministerium. Er sei in Gesprächen mit dem Schulleiterverband.

Doch an schnelle Verbesserungen glauben diese Schulleiterinnen nicht. Ihr Problem ist schnell erzählt: Die Leiter von Grund- und Mittelschulen haben zu wenig Zeit für ihre Aufgaben als Chefs. Etwa zwei Drittel ihrer Arbeitszeit müssen sie, abhängig von der Anzahl ihrer Schüler, Unterricht halten, einen Teil davon sogar als Klassenleitung. Im restlichen Drittel sollen die Rektoren, die in Bayern überwiegend weiblich sind, ihre Schule leiten - also nach außen vertreten, Konferenzen leiten, Fortbildungen organisieren, Qualitätsmanagement betreiben, die Homepage aktualisieren, Kollegen unterstützen und Konzepte entwickeln.

All das muss dokumentiert und abgelegt, häufig an andere Stellen weiter kommuniziert werden. Seit diesem Schuljahr gibt es ein neues Computerprogramm für die Verwaltung, das sich die Schulleiter selbst aneignen sollen und das mehr Zeit beansprucht als früher. Zu dieser längst nicht vollständigen Aufzählung kommen Aufgaben wie Digitalisierung, Ganztagsschule, Mittagsbetreuung mit Verpflegung, Inklusion sowie die Integration von Flüchtlingen. Dabei bleibt die Arbeitsaufteilung in zwei Drittel lehren und ein Drittel managen seit Jahrzehnten gleich.

Ständiger Zeitdruck und psychische Belastung

"Das ist ein Problem, das wir seit Jahren haben: Immer kommt on top noch was oben drauf, und wir sollen das so nebenbei schaffen", sagt die Leiterin einer Grundschule. Eine andere beklagt die psychische Belastung, den ständigen Zeitdruck, das Verbot von öffentlicher Kritik. "Ich lebe in einer Demokratie und darf nicht mal öffentlich sagen, was Sache ist", das mache die Situation für sie unerträglich. Sie erzählt vom Schulleiterstammtisch, wo viele Kollegen einräumten, mit ihren Kräften am Ende zu sein. Doch: "Viele haben Angst, überhaupt etwas zu sagen."

"Es gibt schon genügend Schulleiter, die deshalb aufgeben." Eine Rektorin wird genannt, die im Vorjahr ihren Posten aufgab, um wieder als Lehrerin zu arbeiten. "Sie hat gesagt, sie will wieder Zeit für die Schulkinder haben." Dieser Punkt ist anscheinend besonders wichtig und besonders schmerzhaft: Die meisten machen ihren Beruf aus Überzeugung. Sie wollen gute Lehrer sein und gute Schulleiter. Beides ist offenbar an Volksschulen derzeit nicht machbar. "Uns geht es nicht ums Geld", unterstreicht eine Schulleiterin. Sie wollen personelle Entlastung.

An Gymnasien ist die Arbeit anders verteilt

Zum Vergleich: An Gymnasien und Realschulen müssen Schulleiter im Schnitt etwa drei Unterrichtsstunden pro Woche halten und haben mindestens einen Stellvertreter. An Grund- und Mittelschulen kann sich die Leitung auch vertreten lassen, die entsprechende Stundenzahl wird aber angerechnet. Das heißt, das Stundenkontingent für die Leitung der Schule bleibt an Mittelschulen stets gleich. Hinzu kommt, dass die höheren Schulen mehr Personal für das Sekretariat sowie für andere Aufgaben wie die Verbesserung des Unterrichts haben. "Ich habe eine halbe Sekretärin. Alles, was die nicht schafft, bleibt an mir hängen", sagt die Leiterin einer Mittelschule. Deshalb sei das Telefon häufig nicht besetzt.

Im Ministerium weist man darauf hin, dass Schulleiter von Realschulen und Gymnasien für deutlich mehr Schüler und Lehrer verantwortlich sind als Chefs der kleineren Grund- und Mittelschulen. Außerdem müssten Leiter der höheren Schulen ihre Lehrer selbst beurteilen. Das übernimmt bei Volksschulen meist das Schulamt. Im Anfang April beschlossenen Bildungspaket der Staatsregierung sind zudem neben der Reform des Gymnasiums auch Budget im Volumen von 150 Stellen für mehr Leitungszeit sowie 150 Stellen für Verwaltungsangestellte eingeplant.

Spürbare Erleichterung versprechen sich die Schulleiterinnen nicht davon. Denn das Grundproblem ist das gleiche wie beim Lehrermangel: Es gibt kaum noch Personal. Um die Schulleiter zu entlasten, müssten andere Lehrer deren Unterrichtsstunden übernehmen, aber die Wartelisten sind abgeräumt.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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