Schulen in Bayern:Realschullehrer fordern eine zusätzliche Stelle für jede Schule

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Das Plakat hängt nach Pfingsten an Litfaßsäulen rund um den Landtag und in der Münchner Innenstadt. (Foto: brlv)
  • Der Realschullehrerverband fordert neue Stellen für Pädagogen an den bayerischen Schulen.
  • Die Schulform wird gelobt, die Absolventen gern eingestellt - doch die Realschulen dürften keinen Nachteil haben, weil sie gut funktionieren, heißt es vom Verband.
  • Die Lehrer überlegen zusätzlich zu einer Plakataktion, eine Petition für mehr Stellen zu initiieren.

Von Anna Günther, München

Im Chemieunterricht und im Tierreich bedeutet Signalgelb "Achtung, Gefahr", nun greift der bayerische Realschullehrerverband zu dieser Warnfarbe. Halbhoch in Gelb sollen die Litfaßsäulen rund um den Landtag und in der Münchner Innenstadt auf die schwierige Jobsituation der jungen Realschullehrer aufmerksam machen. So, dass kein Bildungspolitiker es ignorieren kann.

Geklebt wird nach Pfingsten, die neue Kampagne stellt der Verband an diesem Dienstag vor. "Im vergangenen Jahr wurden so wenig Lehrer eingestellt, dass jetzt dringend etwas passieren muss", sagt Jürgen Böhm, der Chef des Realschullehrerverbands. Der Staat stellte im Herbst 76 Realschullehrer ein, gut drei Prozent des Jahrgangs. Auf der Warteliste stehen etwa 2500 junge Lehrer, Hunderte weitere werden im Sommer fertig.

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Böhms Problem ist, dass viele Politiker seine Schulart loben - erst am Montag pries Kultusminister Ludwig Spaenle den Sprachunterricht der Realschulen in einer Pressemitteilung - und trotzdem nicht mehr Geld oder Stellen zuteilen. Denn die bildungspolitischen Debatten im Freistaat drehen sich seit Jahren vor allem um Gymnasium und Mittelschule, die mittlere Schulart sieht sich nun offenbar gezwungen, plakativer zu agieren. Der Verband überlegt zudem, eine Petition für mehr Stellen zu initiieren.

Die Realschulen dürften keinen Nachteil haben, weil sie gut funktionieren, sagt Verbandschef Böhm, "und wir könnten noch viel besser sein". Industrie und Handwerk setzten in Zeiten des Fachkräftemangels besonders auf Realschüler, weil diese sich oft besser mit Digitalisierung, Informationstechnik und Medienbildung auskennen als andere Jugendliche und teils trotzdem zwei Fremdsprachen lernen. Wer studieren will, kann das auch über den Umweg Mittlere Reife: 58 Prozent der Abiturienten erlangten 2014 am Gymnasium ihre Hochschulreife, die anderen kamen über die berufliche Bildung, also über Realschule, Ausbildungen und Fach- oder Berufsoberschulen an die Unis.

Um die Qualität zu erhalten, fordert Böhm mindestens eine zusätzliche Stelle für jede Realschule. Mit diesen 374 Lehrern sollen die Kinder individueller gefördert und Flüchtlinge besser integriert werden, die gut genug Deutsch können und ihren Mittleren Abschluss machen wollen. Bisher profitiere das System vom Idealismus der Lehrer, aber "wie lange halten die noch durch?", fragt Böhm.

An den Realschulen sind viele junge Lehrer

Natürliche Fluktuation gibt es kaum an den Realschulen: Die Lehrer sind im Schnitt deutlich jünger als an anderen Schularten, weil mit der Einführung der sechsstufigen Realschule 2000 sehr viele junge Lehrer eingestellt wurden. Entsprechend wenige gehen in Rente. "Aber wir brauchen junge engagierte Lehrer, um die Zukunft zu gestalten", sagt Böhm. Dass die Einstellungssituation in diesem Jahr deutlich besser wird, bezweifelt er.

Zwar hatten sich 2015 einzelne Referendare zum Lehramt für die Mittelschule umschulen lassen, weil durch die Flüchtlinge und den Ausbau der Übergangsklassen dort deutlich mehr Pädagogen gebraucht wurden. Aber sie wurden für die Realschulen ausgebildet, sagt Böhm, es könne nicht sein, dass diesen nun viele junge Lehrer verloren gehen. Schon jetzt komme jeder siebte Lehrer in Berlin aus Bayern, auch Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zögen freudig Pädagogen ab.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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