Bakterien in Wurst:Fleischfirma Sieber klagt wegen Produktionsverbots gegen Freistaat

Bakterien in Wurst: Geretsried: Metzgerei Sieber

Geretsried: Metzgerei Sieber

(Foto: Claus Schunk)
  • Das bayerische Verbraucherschutzministerium ließ aufgrund fünf neuer Listerien-Funde Hunderte Tonnen Wurst des Unternehmens zurückrufen und verhängte einen Produktionsstopp.
  • Von 80 mit Listerien infizierten Personen sind seit 2012 acht Menschen gestorben, davon vier bestätigt an Listeriose.
  • Ob es einen Zusammenhang zu den Sieber-Produkten gibt, gilt als wahrscheinlich, muss aber weiter überprüft werden.

Von David Costanzo und Wolfgang Wittl

Die Erkrankungswelle durch Listerien in Süddeutschland hat Todesopfer gefordert: Von den rund 80 Infizierten sind seit 2012 acht gestorben, davon vier bestätigt an der Listeriose, teilt das Robert-Koch-Institut an diesem Dienstag mit.

Betroffen seien auch vier Schwangere gewesen, zwei erlitten Fehlgeburten. Bei den Patienten sei der gleiche Listerien-Typ nachgewiesen worden, der auch auf einem Stück Wammerl der Großmetzgerei Sieber aus Geretsried identifiziert worden sei.

Der Zusammenhang sei wahrscheinlich, müsse aber weiter untersucht werden. Das bayerische Verbraucherschutzministerium ließ aufgrund dieses Verdachts und fünf neuer Listerien-Funde Hunderte Tonnen Wurst des Unternehmens zurückrufen und verhängte einen Produktionsstopp. Dagegen geht das Unternehmen gerichtlich vor. Sieber-Chef Dietmar Schach hält die drakonischen Maßnahmen für politisch motiviert. Es werde der Versuch unternommen, "dass man an einem Betrieb ein Exempel statuiert, um von behördlichen Versäumnissen abzulenken", kritisierte der 51-Jährige.

Den Vorwurf der Firma Sieber, das Vorgehen der Behörden sei übertrieben gewesen, wies Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf zurück. "Wir haben Proben, die positiv sind und das wurde auch vom Gericht am Freitagabend nochmal so bestätigt. Die Öffentlichkeit war zu warnen und genau das haben wir getan", sagte sie am Rande einer Kabinettssitzung. Der Schutz der Verbraucher habe oberste Priorität, deshalb habe man so schnell gehandelt.

Unterstützung erhält Scharf von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. "Da darf man nicht rumfackeln", sagte er. Es sei das gute Recht der Firma Sieber, sich juristisch zu wehren. Die Behörden hätten jedoch seine volle Rückendeckung.

Einen Zusammenhang zwischen Sieber-Produkten und der Erkrankungswelle wies Sieber-Chef Schach zurück. "Es gibt bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, ob, wo und wann Keime in unser Unternehmen hineingetragen wurden", sagte er mit Blick auf das belastete Stück "Original Bayerisches Wacholderwammerl", das um Ostern bei Nürnberg gefunden worden war. Die Untersuchung der Rückstellprobe sei in Ordnung gewesen.

Alle Proben aus dem Unternehmen selbst seien negativ ausgefallen - darunter in den vergangenen drei Wochen gut zwei Dutzend amtliche sowie rund 70 eigene. Allerdings räumte er ein, dass eine Probe aus dem Werksverkauf wenige Meter vor dem Werkstor belastet gewesen sein. Der Grenzwert für Wurst aus dem Handel sei jedoch nicht überschritten gewesen, der Verzehr wäre nicht gefährlich gewesen.

Der Rückruf betrifft rund 200 bis 300 Tonnen Wurst, die bereits im Verkauf war, sowie die gleiche Menge Fleisch im Unternehmen. Den Schaden bezifferte er auf 100 000 Euro pro Woche. Am Krisentelefon des Unternehmens hätten sich bis Montagabend rund 1000 Menschen gemeldet. Manche wollten wissen, wo sie den Kaufpreis erstattet bekommen. Andere klagten über Beschwerden und wurden an ihre Hausärzte verwiesen. Auch Schwangere hätten sich erkundigt. Sieber-Chef Schach entschuldigte sich bei den Verbrauchern und seinen Kunden.

Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen wurden seit 2012 in Deutschland Listeriosen mit einem bestimmten Muster beobachtet. Diesem Ausbruch könnten möglicherweise bis zu 80 Erkrankungsfälle mit dem Schwerpunkt Baden-Württemberg und 22 Fälle in Bayern zugeordnet werden. Acht der erkrankten Personen sind gestorben, bei vier von ihnen wird die Listeriose als hauptsächliche Todesursache angesehen. Laut Robert-Koch-Institut betrifft die Welle vor allem ältere Menschen: Rund 90 Prozent der Kranken wie auch der Verstorbenen seien 65 Jahre und älter gewesen. Ob die Erkrankungen und Todesfälle auf Sieber-Produkte zurückgehen, ist unklar. Die Behörden untersuchen nun die Lieferlisten und Warenströme.

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