Agrarkrise:Bauern in Not: "Auf die Dauer kann keiner so wirtschaften"

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Leonhard Welzmiller beziffert seine Verluste auf 35 000 Euro. (Foto: Florian Stocker)
  • Den Landwirten in Bayern brechen die Einnahmen aus dem Export weg.
  • Viele sehen das russische Embargo für Lebensmittel als Grund dafür.
  • Andere halten die Überproduktion für das größte Problem.

Von Florian Stocker, Weil

Es ist später Nachmittag und Leonhard Welzmiller ist umringt von Rindviechern. Rund hundert Kühe warten in seinem Stall darauf, dass er den Melkstand öffnet. Das könnte er sich heute eigentlich sparen, sagt Welzmiller: "Die Milch fließt eh nicht mehr ab." Welzmiller, der auch Chef des Verbands der Milcherzeuger Bayern ist, und viele andere Bauern in Bayern schieben großen Frust. Der Grund ist anhaltende Preisverfall für Agrarprodukte - für die Milch genauso wie Schweinefleisch oder Obst.

Wenn es nach Welzmiller geht, ist trägt ausgerechnet der russische Präsident große Mitschuld an der Misere: Im August 2014 verhängte Wladimir Putin ein Importverbot für Lebensmittel aus Ländern, die im Ukrainekonflikt Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen hatten. Moskaus Embargo sollte die USA, Kanada und die EU für ihre "antirussische Politik" bestrafen.

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Für Welzmiller und den Bayerischen Bauernverband ist klar: Die Folgen des Importverbots bekommen die bayerischen Bauern massiv zu spüren. Nur ein Beispiel: 2012 wurde bayerischer Käse im Wert von 75 Millionen Euro nach Russland verkauft wurde, heute liegen die Ausfuhren bei Null. "Wenn Russland nicht mehr aus Europa importiert, baut sich ein großer Druck auf den EU-Binnenmarkt auf", sagt Welzmiller. Die Folge seien Produktionsüberhänge und sinkende Preise im Einzelhandel.

Laut Bauernverband beziffern sich die Verluste für Bayerns Bauern durch den russischen Importstopp auf 200 Millionen Euro - bundesweit rechnet der Verband mit Einbußen von einer Milliarde Euro. Mindestens 35 000 Euro hätten ihn die Auswirkungen des Russland-Embargos 2015 gekostet, sagt Welzmiller. Vor den Sanktionen bekam etwa 34 Cent pro Liter Milch, heute sind es keine 30 Cent mehr: "Auf Dauer kann keiner so wirtschaften."

Die Zahlen des statistischen Landesamt widersprechen freilich dieser Argumentation. Danach gingen vor dem Embargo nur zwei Prozent der bayerischen Agrarexporte nach Russland. Die Ausfuhren waren also vergleichsweise gering. Außerdem bleiben die Exporte trotz Embargo auf "Rekordkurs", wie Agrarminister Helmut Brunner (CSU) unlängst verkündete. 2015 seien die Ausfuhren sogar auf 8,9 Milliarden Euro Volumen angestiegen. Exportschlager blieb Käse. 2015 ging bayerischer Käse im Wert von 1,5 Milliarden Euro ins Ausland, Hauptabnehmer waren Italien, Frankreich und Österreich. Aber auch bei Hopfen, Bier und Backwaren gab es "merkbar Steigerungen", so Brunner.

Nicht nur das russische Embargo ist schuld an der Misere

Für Marion Ruppaner, die Agrarexpertin des Bundes Naturschutz, ist denn auch nicht das russische Embargo die Ursache der aktuellen Agrarkrise. Sondern die permanente Überproduktion in der Landwirtschaft. "Bundesregierung, EU und der Bauernverband setzen nach wie vor auf Marktliberalisierung", sagt Ruppaner. "Aber dieser Kurs lässt die Preise nur immer weiter sinken." Bayern müsse weg von seiner exportorientierten Landwirtschaft. Die Bauernhöfe dürften nicht mehr weiter wachsen, die Landwirte sollten mehr auf Öko-Landbau setzen.

Viele Bauern können Ruppaners Worten nichts abgewinnen. Rolf Rosenbauer, Schweinemäster in Untersiemau in Oberfranken, bekommt derzeit nur 1,30 Euro für das Kilo Fleisch. Vor zwei Jahren waren es 1,70 Euro. 2015 machte er 50 000 Euro Verlust. Für ihn ist die russische Einfuhrsperre der Hauptgrund. "Es gab immer schon schwankende Preise, aber seit den Sanktionen geht es extrem bergab", klagt er. Auch Martin Nüberlin, Obstbauer aus Lindau, führt seine Verluste auf das Embargo zurück. So schlecht sei es nie zuvor gewesen, sagt der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft der Lindauer Obstbauern.

Die Rekordernte 2015 und der Importstopp hätten zu einem europaweiten Überschuss geführt. Für Nüberlin, der 80 000 Obstbäume besitzt, sind das größte Problem die Äpfel aus Polen: Der weltweit größte Apfelexporteur lieferte vor dem Embargo jährlich fast eine Million Tonnen Äpfel nach Russland. Jetzt lande das Obst in deutschen Läden, die Preise haben sich halbiert. "Bei 20 Cent pro Kilo können wir nicht mehr mithalten", sagt Nüberlin.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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