Ärztetag:Mediziner klagen über finanziellen Druck

Lesezeit: 2 min

Wirtschaftliche Zielvereinbarungen in Arbeitsverträgen mit Kliniken gefährdeten das Wohl der Patienten

Von Dietrich Mittler, München

Es ist eines der Tabu-Themen, über die selten Konkretes an die Öffentlichkeit gelangt: die Zielvorgaben in Arztverträgen, die nicht unbedingt das Patientenwohl im Blick haben, sondern vielmehr das finanzielle Wohl des jeweiligen Gesundheitsunternehmens. Auf dem Bayerischen Ärztetag in Schweinfurt kommt das heikle Thema nun erneut zur Sprache. In einem der Anträge wird die Bayerische Landesärztekammer aufgefordert, dafür zu sorgen, dass künftig Absprachen zwischen Ärztinnen und Ärzten und deren Arbeitgebern bezüglich "Zielvereinbarungen und Regelungen zu Bonuszahlungen" besser kontrolliert werden können.

Bereits 2012 hatte sich der Bayerische Ärztetag in Augsburg mit dieser Problematik beschäftigen müssen. Einhelliger Tenor seinerzeit: finanzielle Fehlanreize, die letztlich zu Lasten der Patienten gehen - Stichwort vermeidbare Operationen - seien abzuschaffen. Stattdessen sollten Politiker, Krankenkassen und Klinikleitungen für bessere Qualitätsindikatoren und Patientensicherungssysteme sorgen. Zielvorgaben, die im Widerspruch zum Berufsrecht stehen, seien untragbar.

Zwar gebe es nun seit Jahren bereits "Empfehlungen zu leistungsbezogenen Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen", doch diese gehen den Verfassern des jetzt in Schweinfurt eingereichten Antrags nicht weit genug. Auch weiterhin würden mit Ärzten "Regelungen vereinbart, die geeignet sind, die ärztliche Unabhängigkeit in Diagnostik und Therapie zu gefährden". Und das geschehe nicht nur in Kliniken, sondern auch in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren.

"Es ist Aufgabe der Standesvertretung, die Einhaltung der Berufsordnung zu überwachen", heißt es im vorliegenden Antrag, den auch Heidemarie Lux, die Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer, unterzeichnet hat. In dieselbe Richtung geht ein weiterer Antrag aus den Reihen der Delegierten. Er fordert dazu auf, die ärztliche Unabhängigkeit zu bewahren und zu stärken. Diese gerate "zunehmend in Gefahr". Folglich seien hier klare Worte gefordert.

Sorgen machen sich Bayerns Mediziner aber auch um die notärztliche Versorgung der Bevölkerung. Finanzielle Ungleichheiten führen aus Sicht einiger Delegierter dazu, dass "die Besetzung des Notarztdienstes immer schwieriger" werde. Schuld daran sei das aktuelle Honorarsystem: Es führe dazu, "dass Notärztinnen und Notärzte besonders an einsatzstarken Standorten ein deutlich geringeres Honorar erhalten als die im gleichen Bereich eingesetzten kassenärztlichen Bereitschaftsdienste".

Natürlich kommt auch in Schweinfurt erneut der Dauerbrenner der zurückliegenden Jahre auf den Tisch: Wie lässt sich die ärztliche Versorgung auf dem Land sichern? "Es ist kein Geheimnis, dass in Bayern ein Drittel der Hausärzte 60 Jahre oder älter ist und viele junge Medizinerinnen und Mediziner die eigene Praxisniederlassung scheuen", sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml am Freitag zum Auftakt des Ärztetags.

Bayern sei zwar in allen Landesteilen gut mit Haus- und Fachärzten versorgt, und ein Teil der Planungsbereiche gelte gar als überversorgt. "Aber wir haben heute schon Verteilungsprobleme, die deutliche Trends erkennen lassen, wie die junge Generation tickt", sagte Huml in Anspielung auf das Motto des Ärztetages "So tickt die junge Generation". Demnach tendierten junge Ärzte eher zu "attraktiven Stadtvierteln" als zu ländlichen Regionen. Dem versuche ihr Ministerium durch gezielte Niederlassungsförderung und ein Stipendienprogramm für künftige Landärzte entgegenzuwirken. Kammerpräsident Max Kaplan mahnte seinerseits, die Vielfalt jugendlicher Lebenswelten bei der Gewinnung des ärztlichen Nachwuchses zu berücksichtigen: "Das Festhalten an der alten Denke kommt uns auf Dauer teuer zu stehen und verhindert den notwendigen Wandel."

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: