Abschluss der CSU-Klausur in Kreuth:Herrscher im Reich des Kitsches

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Harmonie bei der Winterklausur der CSU-Fraktion: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (links) und Generalsekretär Alexander Dobrindt. (Foto: dpa)

Horst Seehofer beweist in Wildbad Kreuth eindrücklich, wie gut er die CSU im Moment im Griff hat: Eine Aussprache zwischen Ministerpräsident und Landtagsfraktion fällt mangels Beteiligung aus. Seehofer ist mit der Inszenierung zufrieden - und doch ist die Nervosität in der Partei zu spüren.

Von Sebastian Gierke, Wildbad Kreuth

Auch den Bundesfinanzminister hat der eigentlich doch so kritische Geist von Wildbad Kreuth verschont. Kein Wort der Klage ist Wolfgang Schäuble während seines Besuchs bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion entgegengeschlagen. Dabei hätte es Grund genug dafür gegeben.

Politik sei "die Kunst des Möglichen", hatte Schäuble gesagt, als gefragt wurde, wie es denn um die Finanzierung der von der CSU heiß ersehnten Besserstellung älterer Mütter bei der Rente stehe. Und: Probleme könne man nicht mit einem Schlag lösen. Mit dieser Vertröstungstaktik sind einige in der CSU-Fraktion ganz und gar nicht einverstanden. Deutlich angesprochen hat das jetzt in Kreuth allerdings keiner. Probleme öffentlich thematisieren, das war nicht vorgesehen im Tegernseer Tal.

Auch deshalb war die Klausur fast 45 Minuten früher zu Ende als vorgesehen. Denn nach der abschließenden Grundsatzrede von Ministerpräsident und Parteichef Horst Seehofer fiel die eigentlich vorgesehene Aussprache mit den Abgeordneten aus. Trotz händeringender Aufmunterungsversuche von Fraktionschef Georg Schmid wurde keine einzige Nachfrage an Seehofer gestellt. Nicht noch am Ende die Harmonie stören, haben sich viele wohl gedacht, viele von denen, die nach der "Schmutzelei"-Attacke Seehofers gegen Finanzminister Söder vor Weihnachten die Faust geballt hatten. Schon damals allerdings nur: in der Tasche.

Seehofer hat seine Partei voll unter Kontrolle. Harmonie, Geschlossenheit, Disziplin: Das ist ihm jetzt das Wichtigste. Überraschungen wie im vergangenen Jahr, als er mit der Schuldenabbau-Ankündigung auch und vor allem seine eigene Fraktion überrumpelte, hatte er diesmal nicht dabei.

Streit, gar öffentlich, könnte ja Wähler kosten

Nach der vielen Polterei im Jahr 2012 ist jetzt Konsolidierung angesagt. Diese Strategie ist offensichtlich - und Seehofer verfolgt sie mit allem Nachdruck. Streit, gar öffentlich, könnte ja Wähler kosten. Auf einen engagierten Wahlkampf schwor der Ministerpräsident die Landtagsfraktion in seiner Rede ein. Die größtmögliche Zustimmung bei der Wahl wolle er. Die Klausur bezeichnete er als "runde Sache", in das Wahljahr 2013 sei die Partei bestens gestartet. Es ist schonmal aufregender zugegangen bei der CSU in diesem Wildbad Kreuth.

Keine Debatte über Kronprinzen oder -prinzessinnen ("Gewählt wird der Ministerpräsident, nicht der Nachfolger"), kein Krach mit dem Koalitionspartner FDP wegen der Studiengebühren. Aber war da nicht was? Schmutzeleien? Charakterschwäche beim Finanzminister? Kein Ton dazu.

Den Auftakt zum Wahljahr soll all das nicht stören. Richtig Wahlkampf will Seehofer allerdings noch nicht machen. "Es stehen nicht Machtfragen, sondern Sachfragen an", sagte der 63-jährige. Nur um mit Blick auf seinen SPD-Herausforderer Christian Ude, den er weiter zu ignorieren vorgibt, dann doch zu ätzen: "Ich habe 15 Jahre Handball gespielt und gelernt, in der Abwehr immer nur die Kräfte zu aktivieren, die man braucht."

Für Verärgerung sorgte nur der Länderfinanzausgleich, in den mit Baden-Württemberg, Hessen und Bayern nur noch drei Bundesländer einzahlen. Eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit", nannte Seehofer das. "Wir sind solidarisch, aber nicht blöd." Seehofer kündigte an, dass die schwarz-gelb geführten Regierungen in Bayern und Hessen am 5. Februar ihre Verfassungsklage gegen den seit langem umstrittenen Verteilungsmechanismus auf den Weg bringen wollen. Einen eindringlichen Appell, doch bitteschön der Klage beizutreten, richtete er an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Es hätte einen nicht gewundert, hätte Seehofer in dem Moment eine SMS bekommen: "Hier Kretschmann, bin dabei". Wildbad Kreuth war eine kitschige Veranstaltung. Denn Kitsch ist das Aussperren von allem, was nicht sein darf. Und Horst Seehofer will im Moment nichts mehr, als als Herrscher in einem Fantasie-Reich aus bajuwarischem Polit-Kitsch wahrgenommen zu werden. In einem Reich, in dem Antworten immer schon gegeben erscheinen - und deshalb jede Frage ausschließen. Mit seiner Wortschöpfung "Schmusi-Schmusi" hat Seehofer die kompakteste Regierungserklärung für dieses Kitsch-Reich gleich mitgeliefert.

Doch auch wenn die Inszenierung von Eintracht und Zufriedenheit im bayerischen Winter zu Seehofers vollster Zufriedenheit ausfiel: Nervosität war im Tegernseer Tal trotzdem zu spüren. Da war beispielsweise die Seehofersche Forderung nach Geschlossenheit, die - laut Seehofer - eigentlich gar nicht nötig ist. Seine Warnungen vor Leichtsinn. Und Abgeordnete, die sich hinter vorgehaltener Hand wünschten, dass vorhandene Probleme stärker thematisiert werden. Probleme, die durchaus vorhanden sind, wie der Donauausbau zum Beispiel.

Das alles ließ Seehofer jedoch verschwinden unter einer ganzen Menge kitschigen Zuckergusses. "Das ist perfekt hier", schwärmte er. Und zuckte dazu fast entschuldigend mit den Schultern. Keine andere deutsche Partei sei im Moment in der Lage, "eine derartige Performance" abzuliefern. Man spürte, dass Seehofer der "Mutter aller Schlachten", der Wahl, schon jetzt entgegenfiebert.

Die Karriere von Horst Seehofer
:Einzelkämpfer mit Machtinstinkt

Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.

Doch der Grund für diese fiebrig-beschwörenden Harmoniebeteuerungen liegt nur wenige Millimeter unter der im Moment so glitzernden Oberfläche: Die große Sorge, dass doch noch etwas schief gehen könnte bis zum September. Bis zur Wahl sind es schließlich noch acht Monate. Und Seehofer ist noch lange nicht am Ziel.

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