Von der Kutsche zur Disco:Geschichte des automobilen Innenraum-Designs

Lesezeit: 2 min

Futuristisch: der Innenraum des Konzeptautos smart forvision in kühlem Weiß. (Foto: obs)

Ein Zirkus der Gestaltungsvarianten droht: Lichtorgien machen moderne Fahrzeuginnenräume zu unübersichtlichen Discolandschaften. Umso wichtiger ist heutzutage eine sinnvolle Organisation der Bedienelemente. Das war früher einfacher. Ein Überblick.

Von Hans-Ulrich von Mende

Das erste Automobil war eine dreirädrige Kutsche ohne Dach. Leder als Polster und wetterfeste Kleidung waren gefragt. Später kam Stoff hinzu, gut auch für Gardinen. Das Armaturenbrett als Trennwand zwischen Motor und Kabine versammelte notwendige Uhren und Schalter. Das Lenkrad kannte sogar die Vorläufer heutiger Bedienelemente, damals noch ein Ort für Zündverstellung oder Gaseinstellung.

Mit der Großserie hatte die Gestaltung der Instrumententafel Ansätze der Außenform übernommen. Besonders die Stromlinienzeit war Ideengeber bei der Formgebung. Oft wurde darauf geachtet, dass das Armaturenbrett, nun in Blech und auch räumlich ausgeformt, symmetrisch gezeichnet wurde. Das machte den Wechsel zwischen Links- und Rechtslenker einfacher. Bester Vertreter: unser Nachkriegskäfer mit vier Flächen, die äußeren rechts und links offene Ablagen, die inneren mit den Instrumenten an der Fahrerseite und daneben den Lautsprecher und das Radio. Mit dem Rundfunk hielt das Rechteck und schließlich der Normschacht Einzug in die Armaturentafel. Die anfänglich teuren Radios veränderten als Nachrüstteile die Architektur rund um das Cockpit.

Noch beachteten die Anzeigen klare Ablesbarkeit in Schwarz auf Weiß- so wie Gedrucktes im Leben. Die Anzeigen genügten sich in runden Ziffernblättern, die Zeigerstellung signalisierte leicht lesbar den aktuellen Betriebszustand: Geschwindigkeit, Temperatur, Drehzahl oder Zeit. Die Nachkriegsjahre mit Hang zur optimistischen Zukunft liebte das Spiel mit den Formen. Kreisförmige Anzeigen wurden zu horizontalen Walzentachos mit farbig veränderbarer Geschwindigkeitsanzeige (Opel Rekord 1957) oder mal senkrecht beim Mercedes 220S von 1959 und dem Zweitakter Auto-Union 1000s (DKW, 1960).

Der Begriff Armaturenbrett bekam wieder materialkonformen Sinn, als teure Modellversionen den Luxus von Holzapplikation boten. Was bei den Mercedes-Modellen in den 1950er Jahren massives Wurzelholz war, geriet bei billigen Modellen zur Holzimitatfolie, so wie im Haushalt die in Mode gekommenen Dc-Fix-Folien. Klassiker des Holzes aber blieb immer das englische Edelauto, egal ob Jaguar oder Rolls-Royce.

Immer weniger Blech im Innenraum

Holz aber hilft wenig, wenn es um die Sicherheit geht. Schon vor dem Höchststand an Verkehrstoten in Deutschland - 20.000 im Jahr 1970 - war es üblich, Innnenraumsicherheit mehr zu beachten. Lenksäulen wurden mit Kreuzgelenken unterteilt, erhielten tiefer liegende Enden mit schüsselförmigen Lenkrädern und es begann das Abpolstern des Armaturenbrettes, zunächst nur in wenig schützender Stärke. Immer weniger Blech zeigte sich im Innenraum zugunsten der Verkleidung.

Parallel dazu wurde aus einfachen Sitzen immer stärker ausgeformtes Gestühl mit verstellbaren oder integrierten Kopfstützen. Aus dem verkleideten Mitteltunnel, sichtbares Zeichen der darunter rotierenden Kardanwelle, wurde immer häufiger der Platz für Schalthebel, Ablage und Zusatzschalter. So erfanden die Interieurdesigner schrittweise die Mittelkonsole.

Heute kennen selbst die kleinen Klassen üppigen Innenraum, wie es früher bei Luxusautos kaum vorstellbar war. Die Vielfalt an Anzeigen und Unterhaltungsmöglichkeiten (Radio, Telefon, Bildschirm, Tonträger) macht das Organisieren aller Elemente zur wichtigsten Aufgabe - natürlich unter Beachtung ergonomischer Vorgaben. Die Innenraumgestaltung ist heute fast wichtiger als die der Außenform, so die Meinung nicht weniger Designer.

Mercedes S-Klasse
:So selbständig fährt Daimlers Luxuslimousine

Viel Technik lässt die Mutter aller Luxuslimousinen zum sichersten Auto der Welt werden und den Fahrer in Gefahrensituationen fast überflüssig. Dass die Mercedes S-Klasse noch selbständiger wird, verhindert derzeit lediglich der Gesetzgeber.

Von Stefan Grundhoff

Was droht, ist ein Zirkus der Gestaltungsvarianten. Moderne LED-Technik verwandelt den automobilen Innenraum in eine Discolandschaft. So liefert der neue Opel Adam einen Sternenhimmel, die neue A-Klasse von Mercedes hinterleuchtet die runden Luftdüsen in heißrot. Die E- und S-Klasse betonen jede Materialfuge der Innenraumverkleidung mit Lichtstreifen. Zu dieser Lichtorgie passt das üppige Armaturenbrett, das bei vielen Marken mit chromgefassten Schmuckelementen wie Schaltern und Düsen gespickt wird. Schnelles Wohnen könnte wieder mehr Ruhe vertragen.

© SZ vom 23.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: