Verkehrssicherheit:Runter vom Seitenstreifen

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Mit solchen Anlagen wird der Seitenstreifen freigegeben. (Foto: Wolfgang Weihs/dpa)

Auf dem Sicherheitsstreifen am Stau vorbei­zu­fahren, ist in der Regel verboten - und kann gefährlich werden. Ein Fahrlehrer erklärt, wie man sich auf der Autobahn richtig verhält.

Von Felix Reek

Es ist 18:35 Uhr und es herrscht der ganz normale Stauwahnsinn auf einer Autobahn, irgendwo im Einzugsgebiet einer deutschen Großstadt. Alle wollen nach Hause, doch seit 20 Minuten bewegt sich die Kolonne nur im Schritttempo voran. Dabei ist die Ausfahrt so nah! Nur noch 800 Meter! Könnte man nicht...? Sollte man nicht...? Doch! Also beginnt der erste Autofahrer aus dem Stau auszuscheren und auf den Seitenstreifen auszuweichen. Und der zweite, der dritte und vierte, bis eine ganze Schlange von Autos rechts am stehenden Verkehr vorbeifährt, der rettenden Ausfahrt entgegen. Nachvollziehbar? Natürlich, niemand steht gern im Stau. Aber ist das auch erlaubt?

Fahrlehrer Ayhan Kaya kann da nur lachen. Die Antwort ist ein klares Nein, denn der Seitenstreifen auf der Autobahn, der auch "Sicherheits-" oder "Mehrzweckstreifen" genannt wird, darf nur in wenigen Fällen von Verkehrsteilnehmern genutzt werden: "Bei einer Panne oder einem Unfall. Und wenn sich der Fahrer aus gesundheitlichen Gründen außerstande sieht, das Fahrzeug verkehrsgerecht zu führen", erläutert Kaya. "Dann muss aber auch die Warnblinkanlage eingeschaltet werden." Außerdem könne es sich bei der Abkürzung über den Seitenstreifen um strafbares rechts Überholen handeln. Bei stockendem Verkehr ist es zwar grundsätzlich erlaubt, rechts an den anderen Fahrzeugen vorbeizuziehen - aber nur mit geringfügig höherer Geschwindigkeit und äußerster Vorsicht. "Hier geht es auch um die Gefährdung", sagt Fahrlehrer Kaya.

Wer auf dem Streifen erwischt wird, muss mit 75 Euro Bußgeld und einem Punkt rechnen

Nur Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes dürfen den Seitenstreifen befahren. Oder andere Verkehrsteilnehmer, wenn die Polizei oder ein Straßenschild es ausdrücklich erlauben. Auch automatische Verkehrsleitsysteme können den Mehrzweckstreifen zur Nutzung freigeben. Das kommt vor allem bei hohem Verkehrsaufkommen vor, um frühzeitig Staus zu vermeiden. Möglich ist dies aber nur auf speziell dafür ausgelegten Autobahnabschnitten, rund um München etwa auf der A 8 und der A 9.

Verständnis für jene, die den Sicherheitsstreifen als Abkürzung nutzen, hat der Fahrlehrer aus Berlin nicht: "Sie können doch für sich keine Ausnahme schaffen, wenn sich alle anderen an die Regeln halten", sagt er. Die Straßenverkehrsordnung lässt laut Kaya keinen Spielraum. Auch der Gesetzgeber bestraft dieses Verhalten mit einem Bußgeld von 75 Euro und einem Punkt in Flensburg. Die Polizei achtet zudem verstärkt auf dieses Delikt.

Die Abkürzung am Stau vorbei kann nämlich schnell gefährlich werden. Zum Beispiel, wenn plötzlich ein liegengebliebenes Pannenauto auftaucht. Kommt es dann zu einem Unfall, trägt der Verursacher, in dem Fall der illegal auf dem Seitenstreifen fahrende, den vollen Schaden, warnt Rechtsanwalt Jörg Elstner. Noch prekärer wird es, wenn Fahrer, die bis dahin im Stau ausgeharrt haben, regulär auf der eigentlichen Ausfahrt die Autobahn verlassen wollen. Sie starten aus dem Stand - und sehen sich auf einmal mit Verkehrsteilnehmern konfrontiert, die wesentlich schneller auf dem Sicherheitsstreifen unterwegs sind und auf sie zufahren.

Die eigene Sicherheit ist wichtiger, als ein paar Minuten früher zu Hause zu sein

Aber wie verhalte ich mich in diesem Moment? Viele Verkehrsteilnehmer scheren dann aus und blockieren den Seitenstreifen, weil sie sich im Recht wähnen. Das sind sie auch - einen Unfall dürfen sie laut Kaya trotzdem nicht provozieren: "Wenn Sie sehen, dass der Standstreifen verkehrswidrig genutzt wird, müssen Sie sich trotzdem so verhalten, dass von Ihnen keine Gefahr ausgeht", sagt der Fahrlehrer. Er rät in diesem Fall, schlauer zu sein als die Autofahrer auf dem Seitenstreifen. Und lieber an die eigene Sicherheit zu denken. Denn die ist wichtiger, als ein paar Minuten früher zu Hause zu sein.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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