Synthetische Kraftstoffe:Den sauberen Diesel könnte es geben

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An der Zapfsäule der Zukunft könnte nachhaltiger Sprit in den Tank fließen. (Foto: dpa)
  • Mit synthetischen Kraftstoffen könnten schon heute etwa 80 Prozent aller zugelassenen Dieselautos die Grenzwerte für Abgase einhalten.
  • Noch allerdings müssen die Anlagentechnik für den sauberen Diesel-Kraftstoff verbessert und die Kosten verringert werden.
  • Auch einige Lobby-Gruppen bremsen den Ökosprit aus.

Kommentar von Georg Kacher

Ohne Lobby bist du nichts in diesem Land. Lobbies bündeln die Interessen von Industrie und Politik, meist in dieser Reihenfolge. Der Diesel-Gipfel war so ein Auftritt der Auto-Lobby: Primär den eigenen Interessen verpflichtet und nicht denen der Bürger.

Wer heute antritt, den angezählten Diesel zu optimieren, muss viel Geld in die Hand nehmen: Abgasrückführung und Harnstoffeinspritzung, Heizkat und NOx-Katalysator, Rohemission-Optimierung und abgesenkte Verdichtung, bessere Mischkonzepte und effizientere Filter, kürzere Kaltlaufphasen und höhere Einspritzdrücke. Macht in Summe mindestens 2000 Euro, trifft aber leider nur zum Teil ins Schwarze. Denn das dreckige Bestandsvolumen bleibt außen vor und muss sich, angelockt von bis zu 10 000 Euro Abwrackprämie, auf ein Ende im Shredder gefasst machen. Was die Klimabilanz nicht verbessert.

Alle kennen die Lösung. Man muss sie nur wollen

Dabei kennen fast alle Beteiligten die Lösung. Sie ist gangbar, bezahlbar, vermittelbar. Die Rede ist von synthetischen Kraftstoffen, auch Synfuels genannt. Die Zutaten für sauberen Diesel sind rasch aufgezählt: CO₂, Sonne/Wärme, Brauchwasser/Meerwasser, Mikroorganismen. Ackerland und Trinkwasser bleiben außen vor. Das Geheimnis des Ökosprits liegt in der Fähigkeit der Einzeller, im Rahmen einer chemischen Reaktion Kraftstoff zu produzieren. Warum ist niemand bereit, dieses Ei des Kolumbus auszubrüten?

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Weil die Lobby es so will. Die Auto-Lobby hat mit E-Mobilität, autonomem Fahren und Digitalisierung genug am Hut. Die Politik-Lobby mag nach der Wasserstoff-Pleite und der noch zu stemmenden Elektro-Ladeinfrastruktur kein weiteres Fass aufmachen. Und die Kraftstoff-Lobby sieht ihr ureigenstes Geschäft bedroht. Audi hat sich schon früh vorgewagt, die Chancen von e-fuel erkannt und in eine Pilotanlage investiert. Doch weil die anderen Hersteller nicht interessiert waren oder lieber ihr eigenes Ding machen wollten, bewegte sich das Projekt allenfalls im Kriechgang vorwärts. Das ist eine Schande, denn betrieben von synthetischen Kraftstoffen könnten schon heute etwa 80 Prozent aller zugelassenen Dieselautos die Abgashürde nehmen.

Kein Haken? Nicht nur einer, sondern mehrere. Die Anlagentechnik steckt noch in den Kinderschuhen, die Skalierbarkeit muss verbessert werden, die Ausbeute ist zu gering, die Kosten sind, Stand jetzt, viel zu hoch. Aber wenn der besondere Saft am Ende scheitert, dann liegt das am Nicht-Wollen statt am Nicht-Können. Wie wäre es zum Beispiel, wenn der Bundesfinanzminister Synfuel mit 70 Cent pro Liter - das entspricht der aktuellen Dieselsteuer - subventionieren würde? Dann käme zumindest Bewegung in den Lobby-Klüngel.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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