Diesel-Gipfel:Die Chefs der Autokonzerne haben den Ernst der Lage nicht erkannt

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Matthias Müller (VW), Harald Krüger, (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) bei der Pressekonferenz nach dem Auto-Gipfel am Mittwoch. (Foto: Getty Images)

Mit Larifari und digitalem Tanderadei in der Werkstatt ist der großen Krise nicht beizukommen. Der Dieselskandal ist nur die Spitze der Probleme, die die gesamte Autobranche hat.

Kommentar von Heribert Prantl

Goethe hat natürlich keine einzige Zeile über Autos geschrieben; aber es gibt ein berühmtes Gedicht von ihm über Gipfel. Die Zeilen des Meisters handeln von der Ruhe und davon, dass sich nichts, aber auch gar nichts rührt; und sie enden dann im sehr Grundsätzlichen. Man spürt, so steht es im Gedicht, kaum einen Hauch; und deswegen kommt Goethe zu einer eindringlichen Mahnung und Warnung: "Warte nur, balde - ruhest du auch."

Der Vers passt, nicht nur irgendwie, zum Autogipfel in Berlin. Die Vertreter der Autoindustrie können die Mahnung und Warnung auf ihr Gewerbe und auf ihre Produkte beziehen. Das bricht vielleicht ihren nach wie vor vorhandenen Dünkel.

Mit Abwiegeleien, mit nur homöopathischen Zugeständnissen, mit ein bisschen Larifari und digitalem Tanderadei in der Autowerkstatt, wie es soeben auf dem Autogipfel beschlossen wird, ist der großen Krise nicht beizukommen. Von der größten Rückrufaktion in der deutschen Automobilgeschichte ist die Rede. Mag sein, ein paar Millionen Autos, großer Bohei. Aber installiert wird nur digitaler Klimbim. Das ist Augenwischerei. Das alles kostet nicht nur nicht viel, es ist auch nicht viel wert. "Multum, non multa", hätte einst Franz Josef Strauß kommentiert: Es geht nicht um Kleinmist, sondern ums Ganze. Sein politischer Enkel Dobrindt hat das nicht kapiert; es geht nicht nur um ein paar Dellen in Lack und Image, sondern ganz grundlegend um die Reputation der deutschen Autoindustrie und Politik.

Mit digitalem Larifari ist der großen Krise nicht beizukommen

Die Chefs der Autokonzerne haben den Ernst der Lage nicht erkannt. Die Kanzlerin offensichtlich auch nicht. Für einen Gipfel, bei dem es um die wichtigste Wirtschaftsbranche in Deutschland geht und damit um die Zukunft jedes siebten deutschen Arbeitsplatzes - für diesen Gipfel hätte Angela Merkel ihren Urlaub unterbrechen müssen.

Dass sie es nicht tat, galt den Chefs der Autokonzerne offenbar als ein beschwichtigendes Signal. Sie dachten wohl: Wenn die Kanzlerin das nicht zur Chefsache macht, dann müssen wir uns auch nicht auf den Kopf stellen. Ein Autokanzler wie Gerhard Schröder hätte das anders gemacht; er wäre präsent gewesen, er hätte die Sache in den Griff genommen.

Nicht alle Autokonzerne sind bisher mit Manipulationen und Betrügereien an ihren Motoren auffällig geworden. Ihre Chefs zieren sich daher, politisch mit in die Verantwortung genommen zu werden; sie wollen nur sehr ungern und vergleichsweise wenig in einen Mobilitätsfonds einbezahlen, wie ihn die Politik fordert. Das ist nicht unverständlich, aber falsch. Der Dieselskandal mit seinen betrügerischen Ingredienzien ist ja nur die Spitze und der Auswuchs der Probleme, die die gesamte Autobranche hat und lösen muss.

Mit der Dieselverdrossenheit, zu der der VW-, Audi-, Porsche- und Daimler-Skandal geführt hat, verhält es sich so wie mit der Politikverdrossenheit: Politiker, die dazu nur wenig oder gar nichts beigetragen haben, können auch nicht sagen, dass sie das nicht anginge. Es trifft auch sie. Und auch sie müssen etwas dagegen tun.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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