Sprachgesteuerte Assistenten:Warum die Sprachsteuerung im Auto nicht funktioniert

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Mit Mikrofon und menschlichem Sprachlehrer: So wurde 2001 die Spracheingabe eines BMWs programmiert. (Foto: BMW Group)

Kaum ein Auto versteht die Befehle, streiten mit der blechernen Stimme ist zwecklos. Doch dank Amazon, Apple und Google dürften Unterhaltungen mit dem Auto bald möglich sein.

Analyse von Joachim Becker

Am Anfang war das Wort. Seitdem gibt es ständig Missverständnisse. Wie holprig der Weg vom Sound zum Sinn ist, zeigt die Menschheitsgeschichte. Im antiken Griechenland galten diejenigen als Barbaren, die unverständlich stammelten. Heute ergeht es Menschen und Maschinen an ihren Schnittstellen nicht viel besser. Wie gründlich eine Spracheingabe schiefgehen kann, demonstriert die Geschichte von Susi Sorglos und ihrem sprechenden Fön. Blödelbarde Otto Waalkes lispelte und brummte sich schon vor 40 Jahren durch den Nonsens-Dialog: Der geküsste Fön verwandelt sich natürlich nicht in einen Prinzen, sondern in einen lärmenden Rasierapparat. Was man als frühes Sinnbild für scheiternde Spracheingaben (im Auto) verstehen kann.

Sprachassistenten, die ihre Benutzer und deren Wünsche auf Anhieb verstehen: Was bei Smartphones mittlerweile ganz ordentlich klappt, bleibt im Auto meist auf der Strecke. Der Dialog mit einem Navigationssystem führt ebenso häufig in die Irre wie zum gewünschten Ziel.

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"Das blickt doch keiner mehr!"

Auch sonst gehen die Vorstellungen zwischen Autoherstellern und Kunden im Hinblick auf den Bedienkomfort erstaunlich weit auseinander. Mit Stau und Muße merkt man erst, was neue Premiumautos in den Tiefen ihrer Menü-Ebenen draufhaben: programmierbare Sitze, Fahrwerke und Lichtstimmungen. Gar nicht zu reden von vielfältigen Apps und konfigurierbaren Assistenzsystemen. "Das blickt doch keiner mehr! Diesen Satz haben wir öfters gehört, als wir sieben Kandidaten im Alter zwischen 21 und 71 Jahren für den großen Bedientest versammelten", schrieb Chefredakteur Ralph Alex Mitte Mai in der Fachzeitschrift Auto Motor und Sport.

Wer ein höheres Bewusstsein in den Tiefen seines Fahrzeugs sucht, stößt schnell auf eine starre Bedienlogik. Der Mensch muss exakt diejenigen Befehle lernen, die der Bordcomputer versteht. Eine Punktlandung bei Funktionen über mehrere Menüebenen hinweg oder ein intelligentes Nachfragen seitens des Systems? Fehlanzeige.

Streiten mit der blechernen Stimme? Zwecklos!

Streiten lässt sich mit der blechernen Stimme schon gar nicht: Bei spontanen Einwürfen stellt sie auf stur und lässt den genervten Fahrer das Abc der Kommandozeilen bitte in akzentfreiem Hochdeutsch noch einmal aufsagen. Da das Sprachsystem in der Regel offline arbeitet, ist der Wortschatz auf einen kleinen Speicherchip beschränkt, der kaum etwas kosten darf. Minimaler Aufwand wird auch mit der Spracherkennung betrieben, da Deutsch für viele Automarken nur eine Fremdsprache unter vielen ist.

Dass es auch anders geht, zeigen die natürlichsprachlichen Infotainmentsysteme der Oberklasse. Der neue BMW-Siebener nutzt als erstes Modell die Kombination aus integrierter und Cloud-basierter Spracherkennung. Dank der hybriden Lösung kann der Fahrer reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Selbst komplette Sprachbefehle in einem Satz werden von dem System akzeptiert: "Sende eine Textnachricht an Martin, ich stecke im Stau und werde mich fünfzehn Minuten verspäten."

In den nächsten Monaten sollen auch die Frage nach der Tankstelle mit dem billigsten Sprit an der Zieladresse, die Suche nach dem Italiener mit der besten Pizza oder einem freien Parkplatz in der Nähe des Theaters beantwortet werden. Es sind solche Insidertipps, die Kommunikation interessant und treffsicher machen. Bisher brauchen vernetzte Fahrzeuge noch Hilfe, um sich in den Weiten des Internets oder eines Adressbuchs zurechtzufinden.

Hinter der BMW-Spracheingabe steckt wie hinter Apples Assistenten Siri der Weltmarktführer für Spracherkennungs-Software: Nuance soll über die größten Datenbanken für gesprochene Sprache verfügen. Dieser Mundvorrat bildet eine immer breitere Basis für statistische Erkennungsregeln. Derart fundierte Algorithmen, höhere Rechenleistungen und die Datenfülle beispielsweise von Bewertungsportalen lassen aus Worten Sinnzusammenhänge wachsen. Smartphone-Nutzer erkennen Ansätze dieser künstlichen Intelligenz an den Korrekturen im Laufe eines Diktats: Formulierungen werden ständig nachgebessert, damit sie in den Kontext passen.

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Wirklich interessant wird so ein künstliches Stimmchen im Auto, wenn es über das Navigations- oder Infotainmentsystem hinaus gut vernetzt ist. Die meisten Hersteller hinken hier allerdings hinterher, weil sie Dritten keinen direkten Zugriff auf ihre Bordelektronik einräumen wollen. Selbst den Zugang zur Klimaanlage oder der Sitzeinstellung würden sie einer Smartphone-basierten Lösung von Fremdfirmen nie erlauben.

Der iOS-Entwickler Sam Gabbay hat jüngst einen Weg gefunden, Teslas Model S über den Apple-Sprachassistenten Siri automatisch ein- und ausparken zu lassen. Bisher hat die Remote-App keine Sprachfunktion. Es gibt aber Gerüchte, dass Tesla selbst an einer entsprechenden iPhone-App arbeitet.

Der Angriff der IT-Konzerne ist in vollem Gange

"Es gibt eine Reihe von Vorteilen, die sich ein Autohersteller wie Tesla davon verspricht, wenn er ein eigenes System anbietet", sagt Arnd Weil, Chef des europäischen Automobilgeschäfts von Nuance: "Zunächst einmal kann er das System direkt für die eigene Umgebung entwerfen und optimieren. Das Ergebnis ist eine hervorragende Nutzererfahrung - essenziell, wenn es um Ablenkung im Fahrzeug geht." Entscheidend sei für die Autohersteller die Kontrolle über das Gesamtsystem: "Mit einem eigenen System können die Autohersteller die Innovationsgeschwindigkeit bestimmen und ihr Ergebnis flüssig und markentreu präsentieren. Die Head Unit ist eine wertvolle Komponente der Fahrzeugausstattung: Die Hersteller werden sie ohne Not nicht aus der Hand geben", so der Nuance-Experte.

Doch der Angriff der IT-Konzerne ist längst in vollem Gange. Nicht ohne Grund hat Google-Chef Sundar Pichai seinen Schlussvortrag auf der Entwicklerkonferenz I/O vor wenigen Tagen den lernenden Maschinen und dem "Google Assistant" gewidmet. Der smarte Sprachassistent ist ein wesentlicher Baustein bei der künftigen Vermarktung von künstlicher Intelligenz.

Amazon feiert mit einer solchen Mensch-Maschine-Schnittstelle bereits seit Anfang 2015 große Erfolge in den USA: Der Bluetooth-Lautsprecher Echo ist per Mikrofon ins heimische Netzwerk eingebunden, hört permanent zu und wacht beim Codewort "Alexa" auf. Mit Google Home will der nächste IT-Riese ein Gerät auf den Markt bringen, dem wir zu Hause unsere Wünsche zurufen können. Es wäre wenig verwunderlich, wenn auch Apple auf seiner Entwicklerkonferenz WWDC am 12. Juni einen derartigen persönlichen Assistenten ankündigen würde.

Diese Systeme können Fragen mit dem ganzen Wissen des Internets beantworten. Der Schritt vom Hausmeister zum intelligenten Reisebegleiter ist also nicht sonderlich groß. Denn so ein Cloud-basierter Assistent lernt seinen menschlichen Meister von Tag zu Tag besser kennen. Er kann zahlreiche Komfortfunktionen automatisch regeln und wie ein Privatsekretär den Terminkalender beispielsweise mit der Verkehrssituation und dem Wetter am Reiseziel abgleichen.

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Der Kunde blecht mit seinen Daten

Dass es Google mit seinem Angriff auf das Auto ernst ist, zeigt ein weiterer Vorstoß: Die Kalifornier wollen ihr Betriebssystem Android Auto allen Herstellern kostenlos zur Verfügung stellen. Dabei geht es nicht nur um typische Unterhaltungsfunktionen oder Echtzeit-Stauinformationen von Google Maps. Das System auf Basis der neuen Android-Version N soll auch weitere Funktionen von der Klimaanlage bis hin zu den Fensterhebern steuern. Google will also tief in die Bordelektronik eintauchen.

Das IT-Unternehmen habe dabei keinerlei Zugriff auf die Fahrzeugdaten, betonte Google-Manager Patrick Brady auf der Entwicklerkonferenz I/O. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Bisher hat die Datenkrake immer Mittel und Wege gefunden, um von den digitalen Spuren seiner Nutzer zu profitieren. Sicher ist nur eine bewährte Grundregel des Internets: "Wenn du nicht bezahlst, bist du das Produkt." Der Kunde blecht also mit seinen Daten. Ein Geschäftsmodell, bei dem die Autohersteller noch ziemlich am Anfang stehen.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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