Oldtimer für Millionenpreise:Sucht nach Chromjuwelen

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Dieser Ferrari 275 GTB/4 NART Spyder wurde 2013 für etwa 20 Millionen Euro verkauft. (Foto: Classic Tax)

Kostbare Klassiker: Auf Automobilauktionen liefern sich Bieter wahre Preisschlachten und seltene Stücke erzielen Rekordpreise. Erste Skeptiker warnen nun vor Fälschungen und der Gefahr einer Spekulationsblase. Doch der Rausch nimmt kein Ende.

Von Mathias Paulokat

Sold! Für 20 Millionen Euro. Nach dem Hammerschlag für den Ferrari 275 GTB/4s NART Spider, Baujahr 1967 gab es Tumulte. Zunächst im Auktionssaal im kalifornischen Monterey und dank Internet wenige Minuten später auch in Foren, Clubs und Sammlerkreisen weltweit. Zahlungskräftige Bieter hatten sich beim Concours d'Elegance in Pebble Beach reihenweise Duelle geliefert, obwohl der seltene Italiener keine nennenswerte Rennhistorie aufwies.

Allerdings sollen nur zehn Fahrzeuge dieser 275-GTB-Variante entstanden sein. Denn Ferrari wollte seinerzeit mit der North American Racing Team Edition, kurz NART, den Verkauf ankurbeln. Auch der posthum zum Alltime King of Cool deklarierte Steve McQueen hat einen solchen Ferrari besessen. Große Marke, starkes Design, Limitierung und Promi-Faktor sind in einem Verkäufermarkt klare Preistreiber. Im August des vergangenen Jahres machte ein anonymer Telefonbieter das Rennen. Acht Millionen Euro über dem Taxkurs erhielt er den Zuschlag. Ein neuer Rekord für diesen Fahrzeugtyp.

Die teuersten Oldtimer 2013
:Blech für Millionen

Auf umgerechnet fast 90 Millionen Euro brachten es im vergangenen Jahr die zehn teuersten versteigerten Oldtimer. Der wertvollste unter ihnen: ein Mercedes W196 Silberpfeil aus dem Jahr 1954 für 22 Millionen Euro. Er ist damit der am höchsten gehandelte Oldtimer 2013. Und das offiziell teuerste Auto der Welt.

Zehn Autos für 130 Millionen Euro

Dabei ist der 67er-Ferrari keine Ausnahme, sondern bestätigt mittlerweile die Regel: Oldtimer im Hochpreissegment haussieren mit zunehmender Dynamik und übertreffen ihre Schätzungen. Alleine die Top-zehn-Verkäufe des Jahres 2013 brachten nach einer Analyse von Classic-tax zusammen rund 130 Millionen Euro ein. Ganz vorne im Rennen liegen Sportwagen aus Modena mit dem Cavallino Rampante auf Bug und Heck. Gesucht sind frühe, seltene und originale Ferrari wie etwa die 250-GT-SWB-Modelle, die 250 GT LWB California Spider, Tour de France oder die frühen Mille Miglia Spider. Allen Fahrzeugen ist dabei gemein, dass sie nicht Fahrfreude, sondern Rendite liefern sollen.

Den absoluten Rekord des vergangenen Jahres erzielte ein Mercedes, Typ W196: Für rund 32 Millionen Euro schlug das Auktionshaus Bonhams den Silberpfeil von Juan Manuel Fangio beim Goodwood Festival of Speed im Juli 2013 los. Der authentische Rennwagen ist aufgrund seiner historischen Bedeutung fraglos ein Ausnahmeklassiker. Neben Fangio fuhr den Silberpfeil auch Hans Herrmann beim Großen Preis von Italien 1954. Anders hingegen das Höchstgebot für einen erst 16 Jahre jungen McLaren F1: umgerechnet rund 6,4 Millionen Euro brachte der Youngtimer, den das Auktionshaus Gooding ebenfalls in Pebble Beach feilbot.

Dieser Mercedes W196 fand 2013 für etwa 32 Millionen Euro einen neuen Besitzer. (Foto: Classic Tax)

Die wichtigen Player

"Sportwagen gehen, Limousinen stehen", könnte man eine einfache Pauschalempfehlung aussprechen. Der Markt allerdings ist bedeutend komplexer, wie beispielsweise die Preise einer Auktion von Micro-Cars im Februar 2013 belegten. Im amerikanischen Georgia wurden historische Mini-Autos mit Kleinst-Motorisierung zum Preis neuer Hochleistungssportwagen ersteigert.

Gezielt gefüttert wird das Hochpreissegment von einigen wenigen Auktionshäusern: Artcurial, Barrett-Jackson, Bonhams, Christies, Coys, Gooding & Company und RM Auctions sind die wichtigsten Player in diesem Markt. Sie inszenieren die angebotenen Fahrzeuge im Vorfeld einer jeden Auktion mit perfekten Bildstrecken und Dokumentationen. Laden sodann die kaufkräftige Klientel an die schönen Orte dieser Welt ein: Amelia Island (7. und 8. März), Scottsdale, Pebble Beach (15. und 16. August), Goodwood (4. Juli und 14. September) und die Villa d'Este (24. bis 26. Mai) sind die alljährlichen Pilgerziele der Klassiker-Karawane.

Daneben wickeln spezialisierte Händler wie etwa Gregor Fisken, Tom Hartley, Lukas Hüni oder Simon Kidston mit ihrem weit verästelten Netzwerk sehr diskret Fahrzeugtransfer im zweistelligen Millionenbereich ab. Denn längst nicht jeder Verkauf läuft über eine Auktionsbühne. Hartley soll beispielsweise Anfang Februar einen 1957er-Ferrari-Testa-Rossa für über 30 Millionen Euro vermittelt haben.

"Mit etwas Distanz betrachtet, erleben wir derzeit einen rauschähnlichen Zustand", stellt Wolfgang Rolli, Sammlungskurator und Oldtimerexperte fest: "Die Parallelen zum Kunstmarkt sind dabei größer den je: die Zinsen im Keller, jede Menge Geld in jungen Erbenhänden, Zocken als Hobby - und der Hedonismus ist so präsent wie nie zuvor."

Unterschiedliche Ansichten

Wie lange kann das gut gehen? "Noch eine ganze Weile", zeigt sich Winston Goodfellow, amerikanischer Motorjournalist und Concours-Richter überzeugt. "Die Nachfrage ist stabil, das Angebot begrenzt. Besondere Ereignisse wie etwa das 100-jährige Firmenjubiläum von Maserati werden in 2014 Mythen und Kurse weiter treiben." Auch der viel zitierte Anlagenotstand im Zinstal und die Suche nach tangiblen, also realen Werten, hat aus dem Trend einen Boom gemacht.

Roger Morrison, langjähriger amerikanischer Fahrzeugsammler und Juror beim Pebble Beach Concours sieht dabei durchaus Anzeichen einer Überhitzung: "Stark anziehende Kurse, der Versuch, diese rational zu rechtfertigen und ein hohes Maß an Emotionen gerade bei verpassten Käufen schüren ganz im Sinne von Ökonom Robert Shiller eine Blase." Hinzu käme die große mediale Aufmerksamkeit und die bloße Tatsache, dass eine Blasenbildung bereits diskutiert werde. Wenn dann noch eher zweitklassige Ferrari sich binnen Jahresfrist im Preis verdoppeln, stimme etwas nicht. Kritische Stimmen bleiben jedoch in der Minderheit. Eigentlich kein Wunder: Viele Experten sind selbst investiert und hoffen auf eine Fortsetzung der Hausse.

Patina ist im Kommen

Klassische Blue Chips sind in jedem Fall eine sichere Bank: "Neben Ferrari sind das Fahrzeuge wie Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer und Roadster, 300 S Coupé oder der eher grazile BMW 507 Roadster. Auch Sportwagen wie Aston Martin DB5, Vorkriegs-Ikonen wie Bugatti Typ 35 und 57, wie auch Mercedes Kompressor, BMW 328, Alfa 1750, 2300 und 8C sind gesucht", weiß Reinhard H. Sachse von Steenbuck-Automobiles nahe Hamburg. Dabei sind es nicht immer die perfekt restaurierten Fahrzeuge, die das Rennen machen. Der Markt honoriert zusehends Patina.

"Sportwagen gehen, Limousinen stehen": Autos wie der Mercedes 300 SL erzielen fast automatisch hohe Preise. (Foto: mor; Daimler AG)

Nur echt sollten die Spuren der Zeit schon sein. Das gilt natürlich auch für den Rest des Fahrzeugs. Tatsächlich tummeln sich in einem wenig transparenten Markt auch schwarze Schafe, die aus einem Fahrzeugfund gleich mehrere vermeintliche "Originale" entstehen lassen. So recherchierte ein Schweizer Sammler jahrelang nach einem seltenen und millionenschweren Jaguar C-Type. Er wähnte sich bereits auf der sicheren Seite, als dann doch ein zweites Fahrzeug mit derselben Fahrgestellnummer auftauchte, was sich jedoch als Plagiat entpuppte.

Die Gefahr von Fälschungen

Auktionshäuser wie Händler sind daher bemüht, die Authentizität ihrer Fahrzeuge zu dokumentieren. Doch auch Fälscher lernen dazu und selbst ausgewiesene Experten können sich irren. Diese Gefahr schwingt neben dem bloßen Preisänderungsrisiko beim Klassikerkauf immer mit. Bei steigenden Kursen mehr denn je.

Die Szene aber scheint das nicht zu stören, der Bieterzirkus geht unverdrossen weiter: Am 5. Februar 2014 wurde in Paris bei der Retromobile, dem Saisonauftakt der internationalen Oldtimer-Messen, ein 1955er-Jaguar-D-Type (Chassis XKD 520) für beachtliche 3,7 Millionen Euro verkauft. Von 53 angebotenen Fahrzeugen wurden 42 veräußert. Und bei den diesjährigen Scottsdale-Auktionen in Arizona wechselten vor wenigen Wochen gar 2321 Fahrzeuge für umgerechnet knapp 200 Millionen Euro die Eigentümer. Viele Experten sind sich daher einig: auch 2014 wird ein starkes Oldtimer-Jahr.

© SZ vom 08.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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