Motorrad-Trends 2015:Die 200-PS-Bikes kommen

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Die Kawasaki Ninja H2 mit Kompressormotor leistet 200 PS. (Foto: dpa-tmn)

Der Motorrad-Markt ist im Aufschwung. Besonders puristische Zweiräder und die gemütlichen Gleiter von Harley-Davidson sind gefragt, kaum aber Supersportler. Dennoch liefern sich die Hersteller 2015 ein Leistungs-Wettrüsten.

Von Thilo Kozik

Die neue Lust am Zweirad: Nach jahrelanger Durststrecke sind Motorräder wieder en vogue, das belegen die Zulassungszahlen eindrucksvoll: Von Januar bis Oktober weist der deutsche Markt ein Plus von 7,6 Prozent auf. Mit insgesamt 133 931 Neuzulassungen (inklusive Roller) konnte damit bereits zwei Monate vor Jahresende das Gesamtergebnis von 2013 (129 357 Fahrzeuge) eindrucksvoll übertroffen werden. An diesem Aufschwung machen die Motorräder mit mehr als 125 cm³ mit fast zehn Prozent Zuwachs den Löwenanteil aus. Nach dem Tief mit gerade einmal 80 000 verkauften Motorrädern im gesamten Jahr 2010 wurden allein bis Oktober 92 470 Motorräder neu zugelassen, das ist das stärkste Oktoberergebnis seit neun Jahren.

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Soweit die Zahlen. Dass nun schon im vierten Jahr hintereinander die Neuzulassungen bei den Motorrädern über 125 Kubikzentimeter Hubraum gestiegen sind, nährt die Hoffnung, dass Deutschland die Zweiradkrise endgültig hinter sich gebracht hat - ganz im Gegensatz zu den ehemaligen Zweiradländern Italien und Spanien, in denen immer weniger Motorräder, Roller und Mopeds verkauft werden. Dabei spielt natürlich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und der stabile Arbeitsmarkt eine große Rolle, weiß auch Reiner Brendicke, Hauptgeschäftsführer des Industrieverband Motorrad (IVM): "Die positive Wirtschaftslage gibt dem Kunden Vertrauen in die Zukunft und erhöht damit die Bereitschaft zur Investition auch im Bereich der zweirädrigen Fahrzeuge."

Auch die Tatsache, dass Geldanlagen aufgrund niedriger Zinsen praktisch keine Gewinne mehr abwerfen, fördert den Verkauf hochpreisiger Motorräder: Wer etwas auf der hohen Kante hat und Motorräder mag, investiert gerne in diese Herzenssache. Dafür bekommt man viel Fahrspaß und Freiheit auf zwei Rädern. Dabei erscheint der Wertverlust vernachlässigbar.

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Davon profitiert besonders der amerikanische Hersteller Harley-Davidson, "der den ,American way of life' verkörpert und gerade für die finanzkräftigeren Interessentengruppen ganz oben auf der Wunschliste steht", weiß Brendicke. Der Traditionshersteller hat sich auf puristische Chopper im Klassikstil, amerikanische Cruiser und schwere Tourenmotorräder spezialisiert - die US-Modelle sind so kultig wie teuer, und die Erfahrung zeigt: Gut gepflegte Harleys lassen sich nach ein paar Jahren fast zum gleichen Preis wieder verkaufen. Analog zum Marktwachstum konnten die Amis in diesem Jahr fast neun Prozent zulegen, 10 349 verkaufte Modelle bescheren Harley-Davidson Rang drei unter den Herstellern.

Auch weniger Betuchte haben sich abseits jeglicher Rentabilitätsüberlegungen für ein Motorrad entschieden, weil "das Motorradfahren ganz offensichtlich immer stärker wieder den Zeitgeist trifft", meint Brendicke. Allerdings hat sich dieser Zeitgeist und damit die Vorlieben und Ansprüche der Motorradfahrer gewandelt, wie die Beliebtheit der einzelnen Modellkategorien verdeutlicht: Nach dem lange gültigen Credo des "Schneller, stärker, leichter" der Supersport-Ära verlangen Motorradfahrer heute nach dem puristischen Fahrerlebnis, wie es unverkleidete Maschinen versprechen. Als typischer Vertreter dieser Gattung reüssierte in diesem Jahr die klassisch angehauchte BMW R nineT. Hier überlebt der letzte luft-/ölgekühlte Boxermotor mit 110 PS. Trotz eines satten Basispreises von 14 500 Euro war der moderne Klassiker bis September ausverkauft - mit 1408 Einheiten sprang er von null auf Platz neun der Hitliste.

Der klare Trend zum Motorrad ist auch eine Folge gesamtgesellschaftlicher Tendenzen. Branchenvertreter Brendicke: "Nicht nur bei den Motorrädern, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen ist der Lifestyle-Trend hin zu puristischen, authentischen und traditionellen Produkten ausgeprägt." Da kommt die geschichtsträchtige Motorradform mit offen zur Schau gestelltem Motor und dem damit verbundenen puren Fahrerlebnis gerade recht. Statistisch ist dies genau so belegbar wie die kalte Schulter, die viele Motorradfahrer inzwischen den Supersportlern zeigen: Während sich die Zahl der neu zugelassenen Puristik-Bikes auf 16 840 Stück praktisch verdoppelt hat, sind die Supersportler mit 4428 Exemplare um satte 23 Prozent weiter eingebrochen. Als Folge davon rangiert der bestverkaufte Supersportler, die BMW S 1000 RR, erst auf Platz 28 der Zulassungsliste.

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Roadster, also unverkleidete Motorräder mit Sportcharakter, liegen eindeutig im Trend

Dazu passt, dass die meisten Neu-Biker zwischen 46 und 55 Jahre alt sind. Sie verfügen über ein höheres Einkommen und mehr Freizeit, brauchen sich nicht mehr tagtäglich zu beweisen und können mit gelassener Lebenserfahrung auf hitzige Ampelduelle verzichten. Von Vergreisung der Klientel zu sprechen, wäre jedoch verkehrt, denn der Nachwuchs steht schon bereit: Durch den Wegfall des praxisfremden 80-km/h-Limits Anfang 2013 haben die Leichtkrafträder mit 125 cm³ nicht nur bei den Fahrzeugverkäufen (2013 plus 30 Prozent, 2014 nochmals 7,5 Prozent mehr), sondern auch bei den entsprechenden Führerscheinen A1 (ebenfalls plus 30 Prozent in 2013) enorm zugelegt.

Unangefochtener Platzhirsch aller motorisierten Zweiräder ist seit Jahren die BMW R 1200 GS, die sich mit 7802 Modellen sogar noch einen Tick besser verkaufte als im Vorjahr. Wie groß die Übermacht der bayerischen Reiseenduro tatsächlich ist, verdeutlicht der Abstand zu Platz zwei: Kawasakis braver Allrounder ER-6n schafft mit 2718 verkauften Modellen lediglich ein gutes Drittel des Topsellers.

Roadster in allen Leistungsklassen

Die Motorräder auf den Plätzen drei bis sieben belegen den bereits im letzten Jahr eingeleiteten Trend zu unverkleideten Landstraßenmotorrädern mit Sportappeal, kurz Roadster genannt. Dabei sind die Hersteller der Nachfrage in allen Leistungsklassen entgegen gekommen: Vom potenten Neuling BMW S 1000 R mit 160 PS reicht die Bandbreite über die 113 PS starke Kawasaki Z800 bis zur KTM 390 Duke, die sich als 44-PS-Einsteigerbike 1457 Mal verkaufte (Platz sieben).

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Auf den Plätzen drei und vier finden sich mit den beiden Newcomern Yamaha MT-07 und MT-09 zwei Geschwister-Roadster einer Marke, die in diesem Jahr wie Phönix aus der Asche gestiegen ist: 9521 Neuzulassungen bedeuten eine Steigerung um satte 81 Prozent.

Auf in neue Leistungssphären

Für das kommende Jahr erwarten die Fachleute einen stabilen bis wachsenden Markt. Der IVM-Hauptgeschäftsführer geht davon aus, dass "puristische Motorräder mit viel Spielraum für das Individualisieren weiter gefragt sein werden, weil sie die fürs Motorrad wichtigen Emotionen auslösen".

Doch die Motorradindustrie selbst löst mit ihren neuen Kreationen Gefühle ganz anderer Art aus: Das Modelljahr 2015 läutet eine neue Supersport-Hochrüstungsphase ein, in der die 200-PS-Grenze fällt. Während BMW für die neue S 1000 RR noch etwas verschämt 199 PS Spitzenleistung angibt, stehen bei Yamahas YZF-R1 200 PS in den Daten, die Aprilia RSV4RF macht 201 PS locker und Ducati verspricht für die 1299 Panigale gar 205 PS. Den Vogel schießt Kawasaki mit der Ninja H2R ab: Das nur auf abgesperrten Rennstrecken einsetzbare Gefährt schafft mit Kompressoraufladung 310 PS, die Straßenversion Ninja H2 immerhin noch 200 PS. Ob diese Hochrüstung noch in die Zeit passt, ist freilich eine ganz andere Frage.

© SZ vom 29.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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