Elektromotorräder:Schwer unter Strom

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Erst mal testen, was der Kunde will: Studie LiveWire von Harley-Davidson. (Foto: Harley-Davidson)

Die Vorteile von Elektromotorrädern liegen auf der Hand: Sie sind umweltfreundlich und liefern bereits aus dem Stand das maximale Drehmoment. Doch leider kranken sie an den gleichen Problemen wie E-Autos.

Von Thilo Kozik

Elektromobilität ist mehr als eine Spielwiese für eine Minderheit - das ist spätestens seit dem von viel Tamtam begleiteten Einstieg von BMW mit i3, i8 und dem Elektroscooter C Evolution klar. Vom Sog der damit verbundenen Aufmerksamkeit versuchen auch die Hersteller von Elektromotorrädern zu profitieren, allerdings hat sich bislang noch kein klarer E-Motorrad-Typus herauskristallisiert - die Bandbreite an Modellen und technischen Lösungen ist enorm. So tummeln sich im zweirädrigen Spannungsfeld Start-up-Unternehmen, Elektrospezialisten und Selfmademen, die mit teilweise skurrilem Design aufwarten: So erinnert die Johammer J1 an ein Comic-Insekt, während das Strommonster Voxan Wattman aus der Feder des französischen Designers Sacha Lakic genau wie die Lito Green Motion Sora und das Elektro-Custombike TEM01 mit 400 PS extrem futuristisch gestylt sind.

Daneben gibt es Supersportler mit Elektroantrieb, die in speziellen Rennserien wie dem TTXGP quasi unter Laborbedingungen gegeneinander antreten. Auch im Rahmen der Tourist Trophy auf der Isle of Man gibt es ein Zero-Emission-Race. Als aktuell schnellstes Super-E-Bike der Welt gilt die LS-218 des amerikanischen Herstellers Lightning, die 2013 auf dem Bonneville-Salzsee in Utah mit 215 Meilen pro Stunde (346 km/h) einen neuen E-Weltrekord aufstellen konnte.

Zero Motorcycles entwickelt seit 2006 Elektromotorräder

Diesen Exoten, die als Einzelstücke oder gar nur als Studien existieren, stehen Hersteller gegenüber, die schon seit vielen Jahren in der Elektroszene unterwegs sind. So entwickeln, produzieren und verkaufen die US-Unternehmen Brammo und Zero Motorcycles bereits seit 2006 Elektromotorräder, die auch wie traditionelle Bikes aussehen. KTM aus Österreich bietet seit zwei Jahren die Möglichkeit, ihre (noch) nicht kaufbare Leichtenduro Freeride E in Offroad-Parks auszuprobieren. Dazu gesellte sich jüngst eine Traditionsmarke, der das kaum jemand zugetraut hätte: Harley-Davidson hat mit dem Project Life-Wire fahrfertige Vorserienmotorräder unter Strom gesetzt, die auf einer Roadshow Kundenreaktionen testen sollen.

Das Voxan Wattman E-Motorrad aus der Feder des französischen Designers Sacha Lakic bringt es auf 400 PS. (Foto: Voxan)

Grundsätzliche Problemzonen aller Elektrovehikel sind die Reichweite, Ladedauer und der hohe Einstandspreis als Folge der geringen Stückzahlen, teuren Akku-Technologie und deren Unterbringung. Denn akzeptable Reichweiten setzen entsprechend große Batterien voraus, deren Integration nicht nur Designern Kopfschmerzen bereitet - die voluminösen Stromspeicher dominieren nicht nur die Optik mit einem massigen Zentrum, gleichzeitig beeinflussen sie zusammen mit dem E-Motor die Gewichtsverteilung. Das wurde in den Anfängen der zweirädrigen E-Mobilität zu wenig berücksichtigt und hatte ein kapriziöses Fahrverhalten zur Folge. Mittlerweile haben die Ingenieure mit besonderen Rahmenkonstruktionen und intelligenten Gewichtseinsparungen die Balance den Verbrennern stark angenähert. Einfacher haben es reine Offroad-Fahrzeuge wie die KTM Freeride E, die nicht auf Reichweiten schielen müssen und mit kleineren, leichter integrierbareren Batterien auskommen.

Ein besonderer Reiz des Elektroantriebs ist zugleich sein großes Problem: Mit Anlaufen des E-Motors steht das Drehmomentmaximum unmittelbar zur Verfügung, wo ein Verbrennungsmotor einige Tausend Kurbelwellenumdrehungen braucht - bei der Zero SR sind das gewaltige 144 Newtonmeter. Damit der Fahrer beim unbedachten Gasgeben nicht hintenüber fällt, muss ein elektronischer Motorcontroller eingreifen. Während Brammo ein Sechsganggetriebe verbaut, nutzen KTM und Zero die Möglichkeit des Direktantriebs, bei dem der E-Motor das Hinterrad ohne Primärtrieb, Kupplung und Getriebe antreibt.

Dadurch ergibt sich eine unglaublich direkte Kopplung von Gashand und Schub am Hinterrad mit exakt kontrollierbarer Leistungsabgabe. Ein solch direktes Ansprechverhalten ohne störende Lastwechselreaktionen kann kein normales Motorrad bieten. Zweiter Effekt: Weil der E-Motor stets maximalen Schub liefert, sorgt er für einen gigantischen Durchzug bei mittleren Geschwindigkeiten. Oben drauf gibt's die ganz besondere Erfahrung, dass diese gewaltige Fahrdynamik gänzlich ohne Geräusche, Abgase und Vibrationen auskommt.

Beständiges Auskosten des Möglichen saugt die Energiespeicher jedoch schnell leer und verkürzt die Reichweite erheblich. Nicht zuletzt deshalb bietet die ausgefeilte Elektronik verschiedene Motormodi an, die den Stromfluss und die Dynamik drosseln. Zusätzliche Kilometer lassen sich durch die Energierückgewinnung beim Bremsen und im Schiebebetrieb (Rekuperation) gewinnen. Damit schafft eine Zero DS mit 11,4-kWh-Speicher im Alltagsbetrieb realistische 120 Kilometer, der BMW-Roller C Evolution kommt mit 8,0-kWh-Speicher 100 Kilometer weit. Der kleine 2,1-kWh-KTM-Akku bietet gut 20 Minuten Spaß - für engagierte Offroader eine ausreichende Einsatzdauer. Ein vollständig geleerter Stromspeicher braucht einige Stunden, um wieder voll einsatzbereit zu sein. BMW spricht von vier Stunden, bei Zero reicht mit Schnellladung eine Stunde für 95 Prozent Ladung - ohne den Beschleuniger dauert's acht; Brammo gibt drei Stunden an, KTM eine.

Geringe Betriebskosten, hohe Kaufpreise

Interessanterweise gilt für E-Fahrzeuge führerscheintechnisch die niedrigere Dauer- und nicht Maximalleistung. So kann die maximal 67 PS starke Zero DS mit dem A-2-Führerschein gefahren werden, für den BMW-Scooter mit 48 PS genügt der Leichtkraftrad-Führerschein. Weitere Pluspunkte: Sie sind steuerbefreit, es fallen so gut wie keine Inspektionskosten an, im normalen Betrieb betragen die Kilometerkosten je nach Modell nur ein Drittel bis ein Viertel eines Benziners. Allerdings sind die Preise gesalzen: BMW verlangt für den Roller 15 000 Euro, bei Zero beginnt Stromspaß mit 13 000 Euro, bei Brammo ab 15 000 Euro, und KTM hat sich noch nicht getraut, überhaupt eine Zahl zu nennen.

Tatsächlich hat sich die Zahl der Elektromotorräder auf Deutschlands Straßen seit 2010 auf knapp 5600 Stück mehr als vervierfacht. Von einer Trendwende kann aber keine Rede sein: Pro Jahr werden mehr als 85 000 echte Motorräder verkauft. Warum dann der ganze Aufwand? Harley-Präsident Matt Levatich erklärt stellvertretend: "Wir müssen uns bemühen, die Freiheit des Motorradfahrens auch für künftige Generationen zu erhalten."

© SZ vom 02.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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