100 Jahre BMW:Freude am Sparen

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Die Studie "Vision Next 100" präsentierte BMW bei seiner 100-Jahr-Feier in der Münchner Olympiahalle. (Foto: Reuters)
  • Die zum 100. Geburtstag präsentierte BMW-Studie "Vision Next 100" ist das Ergebnis einer einjährigen, streng geheimen Arbeit von 700 Designern.
  • Das Showcar zeigt, dass das Design in Zukunft hinter den Anforderungen der Energieeffizienz zurücktreten muss.
  • Obwohl es autonom fahren kann, soll es seinen Chauffeur auch in Zukunft zu einer dynamischen Fahrweise animieren.

Von Joachim Becker

Was 100 Jahre BMW bedeuten: große Erfolge, (selbst-)zufriedenes Schulterklopfen, aber auch: große Sinnkrise. Nie war die weißblaue Marke beliebter und nie war sie im Kern bedrohter als heute: "Ist das autonome Fahren eine Gefahr für unser Geschäft? Wird der Fahrer damit passiv und das Fahrerlebnis austauschbar?", fragt Adrian van Hooydonk.

Schon seit Jahren sucht der oberste BMW-Kreative Antworten auf drängende Zukunftsfragen, die auch emotional überzeugen können. Zum Beispiel: Wie kann man eine Vollgasmarke wie BMW auf Nachhaltigkeit trimmen? "2009 wirkte die Elektromobilität auf viele unserer Kunden eher bedrohlich: Sie fürchteten, dass der Fahrspaß verschwinden könnte", erzählt der renommierte Designer: "An der Vision EfficientDynamics haben wir dann ein Jahr lang in einer kleinen Gruppe unter strengster Geheimhaltung gearbeitet, ohne zu wissen, ob wir damit einen Nerv treffen." Die weltweite Wirkungsmacht dieser Studie und des daraus abgeleiteten BMW i8 hat dann nicht nur das Design-Team überrascht.

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Jetzt war es bei BMW wieder an der Zeit für die Sinn- und Selbstsuche in Form eines Konzeptfahrzeugs. Zum hundertsten Firmenjubiläum haben viele der rund 700 BMW-Designer ein knappes Jahr lang Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft gesammelt. Das Ergebnis der Glaskugelschau ist nicht ganz so kühl und futuristisch, wie man es bei den jüngsten Mercedes-Studien gesehen hat. Anders als beim Mercedes F 015 oder der Vision Tokyo lautet die Botschaft aus München: Auch in 20 Jahren wird ein BMW Fahrer noch nicht mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen. Und es wird auch noch ein Lenkrad für den aktiven Fahrspaß geben. Ja mehr noch: Der Wagen soll sich zum Pisten-Trainer weiterentwickeln, der jedem Sonntagsfahrer die hohe Schule des Kurvenfahrens beibringen kann. Zum Beispiel, indem er Ideallinie, Einlenkpunkte und optimales Tempo zum Nachfahren auf die Windschutzscheibe projiziert.

Boost-Mode nennt BMW diesen Fahrspaß 4.0: Wenn das kluge und vollvernetzte Auto weiß, dass kein anderes Fahrzeug entgegenkommt, animiert es sogar zum sportlichen Kurvenschneiden. Bei Gefahr wird der Fahrer durch eine neuartige Anzeigefläche gewarnt: In der Windschutzscheibe spiegeln sich kleine farbige Dreiecke, die sich wie Stacheln einer Drachenhaut aus dem Armaturenbrett aufstellen können. Erkennt das Auto beispielsweise einen Radfahrer auf Kollisionskurs wird das Mosaik lebendig. Durch die intelligent bewegten Oberflächen lassen sich Hindernisse blitzschnell erfassen, die Fahrerreaktion soll ohne Schrecksekunde erfolgen.

Das momentane Wettrüsten zu immer größeren Displays wollen die BMW-Designer schnellstmöglich wieder beenden. Auch wenn Holger Hampf, Leiter Design Kundenerlebnis, nicht glaubt, dass wir den Höhepunkt des Mattscheibenwahns schon erreicht haben. Immerhin soll die "Vision Next 100" einen Schutzraum vor der bald allgegenwärtigen Informationsüberflutung bieten: Hier ersetzt die Windschutzscheibe alle anderen Bildschirme, Informationen werden nur dann darauf projiziert, wenn sie vom Fahrer wirklich gebraucht oder explizit gewünscht werden.

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Sobald er im Boost-Modus die Dinge selbst in die Hand nimmt, findet der Fahrer im "Vision Next 100" auch noch ein Stummel-Lenkrad vor sich. Wenn er genug von diesem Echtzeit-Videospiel hat, zieht sich das Steuer formschlüssig in die Instrumententafel zurück. In diesem Chauffeur-Modus können sich Fahrer und Mitfahrer einander zuwenden: Die Kopfstützen schwenken zur Seite, Sitze und Türverkleidung verschmelzen zu einer Sitzlandschaft, auf der sich die Passagiere räkeln und die Beine hochlegen können.

Design tritt hinter die Anforderungen der Energieeffizienz zurück

"Die digitale Technik wird so selbstverständlich, dass sie in den Hintergrund treten kann. Wir brauchen also die Bedienelemente oder Anzeigen nicht mehr die ganze Zeit zu sehen. Der Trend geht zur Simplizität eines Bildschirms", erklärt van Hooydonk. Das Ergebnis ist ein aufgeräumt-eleganter Innenraum, an den sich viele Fans der üblichen Sportwagen-Interieur-Optik erst noch gewöhnen müssen.

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Auch beim Exterieur ist Umdenken angesagt. Schon bald könnten die Zeiten vorbei sein, als BMW für sportlich-kantige Coupés mit Doppelscheinwerfern stand. Solche Design-Ikonen müssen in Zukunft hinter den Anforderungen der Energieeffizienz zurücktreten. Übrig bleibt eine Stummelschnauze mit den traditionellen Nieren und Lichtpunkten hinter kiemenförmigen Scheinwerferschlitzen. Immerhin haben die Designer noch eine Limousinen-Silhouette auf die Seiten der Studie gemalt. Doch die kolorierten Scheiben sind nur eine optische Täuschung, um das geräumige One-Box-Auto dynamischer erscheinen zu lassen.

Dafür bietet der geräumige Glaskasten im Format eines BMW Fünfers eines Siebeners. Große und weit am Rand der Karosserie platzierte Räder sorgen dafür, dass das Fahrzeug bullig auf der Straße steht. Nur sind die Reifen nicht mehr zu sehen: Um den Luftwiderstand auf ein Minimum zu reduzieren (cw-Wert 0,18), verstecken sich die Räder unter einer dehnbaren Haut. Beim Lenken passt sich diese den Radbewegungen an und macht damit die Radhäuser überflüssig. Verblüffend, wie die Designer die gute alte Breitreifenoptik in eine neue, nicht weniger emotionale Formensprache übersetzen können und das alte Thema der Muskeln unterm Blechkleid in eine neue Zeit transportieren.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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