Daimler:Igel der Autoindustrie

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Smart-Chefin Annette Winkler zeigt in Berlin den neuen Smart. (Foto: Getty Images)

Möglichst cool, möglichst jung, möglichst urban will man daherkommen. Der Daimler-Konzern wagt einen Neustart des Kleinwagens Smart - und will damit in Zukunft endlich Kult sein.

Von Max Hägler, Berlin

Jetzt gehen sie beim Daimler-Konzern also in den ironisch angelegten Angriff über: Vom "Igel der Autoindustrie" redet Vorstandschef Dieter Zetsche am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des neuen Smart. Ganz süß, recht klein und irgendwie anders, das soll man wohl mit diesem Bild verbinden. Und es stimmt schon, Smarts sind ja oft bunt und parken auch mal lotrecht in Parklücken, was ein bisschen frech wirkt. Ein putziger Regelverstoß des automobilen Individualisten gewissermaßen, sicher gern gesehen von den Marketingstrategen bei Daimler. Die mühen sich seit mehr als einem Jahrzehnt, den Kleinsten aus dem Hause Daimler richtig zum Erfolg zu bringen - so wie es BMW mit dem Mini geschafft hat. Endlich "Kult" zu werden, das wünscht sich Zetsche. Doch derzeit verkauft die Smart-Sparte anstatt der anfangs geplanten 200 000 Autos jährlich nur etwa die Hälfte.

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Anfang der 90er Jahre definierte der Smart die Autowelt neu: klein, kleiner, Smart. Der Mikro-Mercedes war das perfekte Stadtauto. Doch er brachte Daimler kein Geld ein. Das soll sich mit den beiden neuen Modellen jetzt endlich ändern.

Nun also der nächste Versuch und ausgesucht hat man sich für die Weltpremiere das Tempodrom in Berlin mit Dachgarten, Beachvolleyball-Feld, hippen Skateboardern und Video-Livestream für die potenzielle Kundschaft. Möglichst cool, möglichst jung, möglichst urban will man daherkommen, so wie der neue Smart sein soll: Ein "Microcar", das die Probleme der überfüllten Megacities lösen soll, wie Zetsche sagt. Er hat die Krawatte daheim gelassen, seine Leute sagen: Ist doch schön, dass wir heute nicht wie Pinguine herumlaufen müssen. Nur die Polizei vor der Tür erinnert, dass hier ein Dax-Konzern eingeladen hat.

In der Großstadt kommen fette Wagen nicht weit

Eigentlich war man schon einmal, zu Beginn, auf dem besten Weg zum Kult. Mitte der 1990er-Jahre, hatte Nicolas Hayek, der Erfinder der zeitlos angesagten Swatch-Uhren, die Idee zu einem kleinen, elektrisch getriebenen Auto, das sich besonders gut und ökologisch in Verbindung mit der Eisenbahn nutzen lassen solle.

Anfangs mit VW und später mit Daimler plante Hayek das Swatch-Auto. Doch war der Uhrmacher zu progressiv für die damals arg bräsigen Schwaben: Sie entwickelten ein besonders kleines, aber sonst recht normales Auto. "Der heutige benzinbetriebene Smart ist ein Produkt aus dem Hause Daimler und hat nichts mit den Plänen des Swatch-Teams gemein", erklärte Hayek bald und zog sich enttäuscht zurück.

Trotz der Eigenleistung konnten viele bei Daimler mit der Marke wenig anfangen. Zum Glück habe der keinen Stern auf der Haube, ätzten Arbeiter wie Manager: Daimler sei doch Mercedes und müsse groß und stark sein. Doch mittlerweile hat Daimler erkannt: In der Großstadt kommen fette Wagen nicht weit. Mobilitätsdienstleister nennt sich Daimler und entwickelt Reise-Apps, die auch auf Bus und Bahn verweisen. Der Smart passt zu dem gereiften Charakter des Unternehmens. Das komplett neu entwickelte Fahrzeug ist als Zweisitzer wieder 2,69 Meter lang - allerdings zehn Zentimeter breiter geworden. Weniger kuschlig ist das und für die Lotrecht-Parker eventuell ein Problem. Allerdings soll die Straßenlage stabiler sein.

Wieder aufgelegt wird auch ein Viersitzer - entwickelt vor allem mit dem Partner Renault-Nissan, der das Modell als neuen Twingo verkauft, mit 9600 Euro etwa 1500 Euro günstiger als die Schwabenversion. Über die Zusammenarbeit und die "Gleichteilrate" von bis zu 75 Prozent wird an diesem Tag nicht viel geredet. Das würde etwas vom Glanz nehmen - wobei sie wesentlich ist für Daimler: Nur in einer Kooperation und dadurch hohe Stückzahlen wird sich der ewige Hoffnungsträger Smart endlich wirklich lohnen.

© SZ vom 17.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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