Catalina Island:Kleine Stinker auf der Ökoinsel

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Golfmobile sind die bevorzugten Fortbewegungsmittel auf Catalina Island. (Foto: STG)

Auf Catalina Island vor der Küste Kalifoniens sind nur Miniautos erlaubt. Doch die meisten Golfmobile fahren mit stinkenden und lauten Benzinmotoren. Alternative Antriebe haben es schwer - obwohl Benzin sehr teuer ist.

Von Steve Przybilla

Je weiter die Skyline von Los Angeles zurückfällt, desto gelöster wird die Stimmung an Bord der Starship Express. Im Laderaum der Fähre stapeln sich Rucksäcke, Wanderstiefel und Rollkoffer. Nur etwas, das in dieser Gegend sonst niemals fehlt, sucht man vergeblich: ein Auto.

Die Fähre steuert auf eine Insel zu, die den absoluten Gegenpol zur Megacity L.A. darstellt. Während Los Angeles nach wie vor eine der größten Autodichten weltweit aufweist, sind Spritschlucker auf Catalina Island verpönt. Jedes Auto, das die Größe eines Golfmobils überschreitet, benötigt eine Sondergenehmigung. Bis die ausgestellt wird, ist der Autobesitzer alt und grau: Die durchschnittliche Wartezeit beträgt 35 Jahre.

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Ankunft am Hafen. Nervös sehen sich die amerikanischen Touristen nach der nächsten Autovermietung um. Doch statt wuchtiger Geländewagen werden nur kleine Golfautos verliehen - zu gepfefferten Preisen. 40 Dollar pro Stunde kostet ein Viersitzer, umgerechnet 29 Euro. "Mir ist das zu teuer", sagt die 40-jährige Delia Park, die zum Joggen auf die Insel gereist ist. "Außerdem braucht man's nicht wirklich." Die Hauptattraktionen, das karge Hinterland mit seinen Büffelherden, könne man sowieso nur zu Fuß erreichen.

Lastwagen im Zwergenformat

Rund 4000 Menschen bewohnen die Insel vor der kalifornischen Küste. Die meisten leben vom Fischfang und einer Million Touristen, die jedes Jahr die zerklüfteten Hügel besuchen. Die Landschaft wirkt schroff, ist aber in Wahrheit höchst sensibel, weshalb 88 Prozent der Inselfläche unter Naturschutz stehen. Zu verdanken haben das die Insulaner dem Kaugummi-Produzenten William Wrigley, dem Catalina Island einmal gehörte. Er überführte seine Anteile in eine Stiftung, die über den Naturschutz wacht. In den Siebzigerjahren zogen Politiker mit einem eigenen Autogesetz nach. Seither ist Catalina Island eine Öko-Insel, auf der selbst Lastwagen in einem niedlichen Zwergenformat daherkommen. Hinterm Steuer sind alle gleich: Der lokale Bankchef fährt ein Golfmobil, genau wie der Gärtner oder die Angestellten der Müllabfuhr.

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Catalina Island ist der einzige Ort in Kalifornien, an dem die Anzahl der Automobile gesetzlich beschränkt ist. Dabei waren es nicht einmal ökologische Gründe, die das Gesetz hervorbrachten. "Es gibt auf der kleinen Insel schlicht zu wenig Parkplätze", sagt Stadtrat Oley Olsen, 62, der sich noch gut an die Anfangsphase erinnert. Ein bisschen sei es wie bei der Debatte um strengere Waffengesetze gewesen: "Bevor die Einschränkungen in Kraft traten, haben sich alle noch schnell ein neues Auto gekauft." Bestehende Fahrzeuge genießen Bestandsschutz, weshalb sich auf der Insel eine stolze Oldtimer-Flotte angesammelt hat - Kuba lässt grüßen.

Besonders viel Freude dürften die Besitzer der verbliebenen Relikte jedoch nicht haben. Einerseits werden die Ersatzteile langsam rar, andererseits gibt es nur eine öffentlich zugängliche Tankstelle auf der Insel - mit Preisen, die Amerikanern die Haare zu Berge stehen lassen. Benzin kostet dort so viel wie in Europa, ist also mehr als doppelt so teuer wie in den USA.

Am verbreitetsten ist daher das klassische Golfmobil, für das die Behörden ein eigenes Wort erfunden haben: Autoette. So heißen alle Fahrzeuge, die den geforderten Maßen (höchstens drei Meter mal 1,40 Meter) entsprechen. Smarts sind neuerdings auch erlaubt, obwohl sie die Mindestbreite geringfügig überschreiten (1,6 Meter).

In Avalon, der Hauptstadt der Insel, hat Marc Griffith auch eine wasserstoffbetriebene A-Klasse aufgebaut. "Wir wollen zeigen, dass sich dieser alternative Antrieb für die Insel bestens eignet", sagt der Chef eines Energieunternehmens, das Autos auf Wasserstoff umrüstet. Jordan Monroe findet die Idee mit dem Wasserstoffantrieb ebenfalls "sehr interessant". Als städtischer Bediensteter ist er mit dafür verantwortlich, welche Fahrzeuge auf Catalina Island zugelassen werden. Doch man müsse erst prüfen, ob sich der Wasserstoffantrieb wirklich in ein Autoette verbauen lasse.

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Klein, aber schmutzig

Marc Griffith lächelt, klingt aber enttäuscht: "Seit sechs Jahren bin ich mit den Behörden im Gespräch, um die schmutzigen Golfmobile zu ersetzen. Passiert ist nichts." Tatsächlich fahren nur fünf Prozent aller Autoettes auf der Insel elektrisch, während alle anderen mit einem Benzinmotor unterwegs sind. "Momentan ist die Größe des Autos das einzige Kriterium", sagt Monroe, "während die Ökobilanz überhaupt nicht berücksichtigt wird." Der Stadtrat diskutiere gerade darüber, aber es sei wie so oft in der Politik: "Die Leute fürchten sich vor Veränderungen."

Eine Verschärfung hat Monroe schon durchgesetzt: Alle Autoettes müssen sich in den kommenden Monaten einer Art Insel-TÜV unterziehen, bei dem die Lärmemissionen gemessen werden. Überschreitet ein Fahrzeug die 74-Dezibel-Grenze, wird es aus dem Verkehr gezogen - ein echtes Politikum. "Manche haben sich gerade erst ein neues Golfmobil gekauft, aber vorher nicht über die Richtwerte informiert", sagt Monroe. "Bei der Kontrolle sind sie dann verärgert." Man könne aber fast jedes Golfmobil in einer Werkstatt so umrüsten, dass es leiser fährt, betont der Prüfer.

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"Große Veränderungen brauchen Zeit"

So ungewöhnlich die Einschränkungen im Autoland USA auch sind, so ausbaufähig wären sie nach europäischen Maßstäben. "Es ist noch immer viel zu leicht, hier ein Auto zu bekommen", findet der Hotelmanager Scotty Rolfsen, 25, der aus Gründen des Umweltschutzes nach Catalina Island gezogen ist. "Wenn's nach mir ginge, wären alle Verbrennungsmotoren verboten." Noch fehlt der Gemeinde das Budget, um Elektro- oder Wasserstofftankstellen zu bauen. "Wir überlegen aber, ob wir in Zukunft mit Autokonzernen zusammenarbeiten", sagt Autoprüfer Monroe. "Solche großen Veränderungen brauchen Zeit."

Die Gelegenheit scheint günstig, denn selbst der Automobilklub AAA - sonst ein Vorkämpfer für automobile Freiheit - lässt die Insulaner gewähren: "Wir haben keine Probleme mit den Restriktionen", sagt AAA-Sprecher Jeffrey Spring. "Auf der Insel gibt es sowieso nur 120 Kilometer befahrbare Straßen."

© SZ vom 20.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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