Türkischer Mäzen:Osman Kavala, der "Soros der Türkei"

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(Foto: imago/ZUMA Press)

Die Wohlhabenden der Türkei errichten gern Museums-Prachtbauten, die ihre Namen tragen. Osman Kavala dagegen hilft lieber im Stillen. Nun sitzt der Philanthrop in Haft.

Von Christiane Schlötzer

Die Maschine der Turkish Airlines war nach einem Inlandsflug gerade in Istanbul gelandet, die Passagiere saßen noch auf ihren Plätzen, da wurde ein Mann über den Bordlautsprecher nach vorne gerufen. Polizisten an der Kabinentür nahmen ihn fest. Das war am 18. Oktober. Inzwischen sitzt Osman Kavala im Gefängnis von Silivri, dem größten des Landes. Immerhin wird er gute Anwälte haben, er ist einer der reichsten Männer der Türkei.

Genau dies, anders gesagt, die Art, wie Kavala sein Geld ausgibt, hat ihn ins Visier der Staatsmacht gebracht. Präsident Recep Tayyip Erdoğan nannte ihn den "Soros der Türkei", weil Kavala ähnlich wie der US-Milliardär George Soros Bürgerrechtsorganisationen unterstützt. Schon 2002 gründete er die Stiftung "Anadolu Kültür", die sich besonders der Kultur der Minderheiten widmet. Sie betreibt Kunstprojekte in der kulturellen Steppe des türkischen Südostens, für Kurden und für Flüchtlingskinder aus Syrien. Sie fördert ein armenisch-türkisches Jugend-Symphonieorchester, eine armenisch-türkische Kinoplattform. Ausstellungen in Kavalas Kunstraum "Depo" in Istanbul brechen häufig Tabus.

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Das Kunst-Depo war einst ein Tabaklager. Kavalas Vater wurde mit Tabakhandel reich, später gründete er einen Mischkonzern. Der Sohn besuchte in Istanbul das angesehene englischsprachige Robert College und studierte dann in Manchester Wirtschaftswissenschaften. Nach dem Tod des Vaters 1982 übernahm er die Firma, die damals auch für das Militär arbeitete. Der erklärte Pazifist zog sich später aus dem aktiven Geschäft zurück und wurde hauptberuflich Philanthrop.

Damit ist Kavala, 60, einzigartig für die Türkei. Andere Reiche errichten hier Museums-Prachtbauten, die ihren Namen tragen, er ist stiller Helfer, und viele kleine Initiativen hoffen auf ihn. Taucht Kavala irgendwo auf, ob bei einer Vernissage oder einer Demo, ist er nicht zu übersehen: Hochgewachsen, schlank, mit grauschwarzem Lockenkopf, umgibt ihn etwas Studentisches und gleichzeitig Aristokratisches. Mütterlicherseits stammt er aus einer Familie von altem osmanischen Adel.

Ausländische Besucher, auch Kanzlerin Angela Merkel, suchten gern das Gespräch mit ihm. Nach seiner Verhaftung kamen Proteste aus Washington und Paris. Aus der präsidententreuen Presse weiß man, was ihm vorgeworfen wird: Er soll die Gezi-Proteste von 2013 "organisiert" haben und auch am Putschversuch von 2016 beteiligt gewesen sein. Freunde des Mäzens, die nun die Website osmankavala.org - in Türkisch und Englisch - ins Netz gestellt haben, nennen die Vorwürfe absurd und unbewiesen. Kavalas Ehefrau, eine Wirtschaftsprofessorin, sagte nach der Festnahme ihres Mannes zuerst, es könne sich nur um ein Missverständnis handeln. Inzwischen, so teilte sie mit, seien ihre Hoffnungen auf "Demokratie und eine unabhängige Justiz geschwächt". Sie schreibt nicht: Alle Hoffnungen sind tot. Kavala war immer Optimist.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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