Atommüll-Endlager:"Ob Gorleben geeignet ist, wissen wir nicht"

Warum der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz Probleme bei dem Salzstock im Wendland sieht und eine neue Endlager-Suche fordert.

M. Bauchmüller

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist Herr des Verfahrens in Gorleben. Doch auch für Wolfram König, den Präsidenten der Behörde, ist es völlig offen, ob Gorleben jemals zum Endlager wird.

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(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr König, Mitarbeiter Ihres Hauses haben schon 1983 Zweifel geäußert an der Mächtigkeit des Deckgebirges in Gorleben, eine entsprechende Beurteilung wurde aber offenbar abgeändert. Haben Ihre Vorgänger da geschlampt?

König: Die Unterlagen geben Hinweise darauf, dass bei der Entscheidung für Gorleben nicht nur fachliche Erwägungen eine Rolle gespielt haben, sondern auch politische Interessen. Das ist ein Teil des Problems. SZ: Inwiefern?

König: Gorleben hatte einen Geburtsfehler. Bis heute ist nicht geklärt, wie die Entscheidung für diesen Standort letztlich getroffen wurde. Auch im weiteren Verfahren gibt es vieles, das meinem Anspruch an Offenheit und Transparenz nicht gerecht wird. Dazu gehört auch die Umbewertung von Entwürfen und Gutachten. Ob Gorleben geologisch geeignet ist oder nicht, wissen wir bis heute nicht.

SZ: Die Experten waren sich damals offenbar schon sehr sicher.

König: Wieso? Es gab ja auch Experten, die damals schon Zweifel hatten. Über Gorleben schwebt damit jenseits von politischen Überzeugungen ein Fragezeichen: Ist dieser Standort mit dieser Auswahlgeschichte überhaupt juristisch durchsetzbar? Was nutzen mir gute geologische Bedingungen, wenn mir ein Verwaltungsgericht am Ende bescheinigt, dass Verfahrensfehler begangen wurden, das Endlager deshalb nicht eingerichtet werden kann? Das würde wahrscheinlich bedeuten, dass die Abfälle unter geringeren Sicherheitsanforderungen im Ausland lagern würden. Das gilt es zu verhindern.

SZ: Ohnehin gibt es Probleme: Ihr Amt hat nur noch bis 2015 das Recht, den kompletten Salzstock zu erkunden. Dann laufen Verträge mit den Bauern aus. Hat Gorleben noch eine Chance?

König: Die Frage der Salzrechte ist zentral. Eine abschließende Bewertung wird nicht möglich sein, ohne dass wir die entsprechenden Salzrechte haben. Ohne die Rechte kann man nicht in ein Genehmigungsverfahren gehen.

SZ: Auch nicht, wenn man sich beeilt? Immerhin gelten die Salzrechte noch bis 2015. So lange bliebe Zeit.

König: So einfach ist es nicht. Wir brauchen die Rechte noch mindestens bis zum Eignungsnachweis, den wir frühestens in 15 Jahren haben können. Eine seriöse Weiterführung der Erkundung braucht außerdem eine Vorlaufzeit.

SZ: Bis 2010 ist die Erkundung gestoppt, gilt ein Moratorium. Kann die Erkundung danach nicht sofort losgehen?

König: Man kann nicht da weitermachen, wo man 2000 aufgehört hat, als das Moratorium begann. Wir haben völlig veränderte Rahmenbedingungen. Die Mengen haben sich verändert, die Anforderungen auch. Wenn es darum geht, nicht nur symbolisch die Erkundung wieder zu starten, sondern auf fachlich fundierten Grundlagen, brauchen wir zwei Jahre Vorlaufzeit. Und dann haben wir noch das Problem der Salzrechte, die ja nur zur Erkundung und Offenhaltung, nicht zur Errichtung eines Endlagers eingeholt wurden.

SZ: Sie treten dafür ein, noch einmal Alternativen zu Gorleben zu suchen. Wo würden Sie denn suchen?

König: Grundsätzlich sind drei Gesteinsformationen für die Endlagerung geeignet: Salz, Ton und Granit. Wissenschaftliche Empfehlungen für die Untersuchung entsprechender Standorte gibt es seit 2001, nur fehlte die politische Kraft für ein Suchverfahren. Die Schweiz übrigens wählte diesen Weg, sie hat ein solches Suchverfahren begonnen.

SZ: Warum sollte denn ein Endlager anderswo eher akzeptiert werden?

König: Es wird an jedem Standort Widerstand geben, das ist klar. Aber aus dem Verfahren beim Schacht Konrad, den das BfS zum Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle umbaut, habe ich gelernt: Wenn man alle Sicherheitsnachweise erbringt und mit der Bevölkerung in die Auseinandersetzung darüber eintritt, ist die Chance gegeben, dass wir nicht die Verhältnisse von Gorleben bekommen.

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