Seit Ende Juli gibt es ein Menschenrecht auf sauberes Wasser, doch weltweit haben laut Unicef immer noch knapp 900 Millionen Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser und Millionen sterben an den Folgen verschmutzten Wassers. Wie das Versorgungsproblem gelöst und die Wasserqualität verbessert werden kann, diskutieren Experten bei der Weltwasserwoche in Stockholm, die am Sonntag begonnen hat.
"Die UN-Erklärung ist ein wichtiger politischer Schritt, aber die praktischen Probleme bleiben", sagt Wasserexperte Martin Geiger von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland. Aus Industrie und Landwirtschaft, aber auch wegen fehlender Sanitäranlagen sickern Schadstoffe in Grundwasser und Flüsse ein und verschärfen das Problem der ohnehin schon knappen Ressourcen. Afrika gilt weiterhin als Brennpunkt bei der Versorgung mit Trinkwasser und der Abwasserentsorgung.
In Ländern wie China, Indien oder Pakistan belastet vor allem die Landwirtschaft die Flüsse und das Grundwasser mit hohen Schadstoffmengen. Landwirtschaft ist auch immer noch das größte deutsche Wasserqualitätsproblem, weil Dünger ins Wasser gelangt und in einigen Regionen Stickstoff und Nitrat zu hohen Kosten herausgefiltert werden müssten.
In den Entwicklungsländern werden laut WWF 70 Prozent der städtischen und industriellen Abwässer ungeklärt in die Gewässer geleitet. "Mangel, Verschwendung, Verschmutzung und Klimawandel wirken zusammen und werden, wenn sich nichts ändert, zu einer globalen Wasserkrise führen", befürchtet Martin Geiger. Die Weltwasserwoche sei zwar politisch unverbindlich, aber ein wichtiges Forum für Erfahrungsaustausch und Innovationen.
Kampf um knappe Ressourcen
Andreas Kanzler, der Wasser-Experte der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), erhofft sich von der Konferenz gemeinsame Vorschläge, die in etwa bei der Klimakonferenz Ende November in Mexiko vorgelegt werden könnten. Eine wichtige Rolle spielt das grenzüberschreitende Wassermanagement, da die meisten unterirdischen Grundwasservorkommen und Gewässer laut Unesco durch mehrere Anrainerstaaten fließen und Anlass für Konflikte sind. Die entsprechende UN-Konvention ist allerdings noch nicht in Kraft.
Auch "Integriertes Wasserressourcenmanagement" sei notwendig, wie GTZ-Experte Kanzler sagt. Alle Beteiligten, wie zum Beispiel Stadtplanungspersonal, Vertreter der Landwirtschaft oder die Bevölkerung, sollten eingebunden werden, um Konzepte für eine nachhaltige regionale Bewirtschaftung zu erarbeiten. Die UN-Mitgliedsstaaten hatten sich zwar 2002 darauf verständigt, nationale Pläne zum integrierten Ressourcenmanagement vorzulegen, doch viel ist seither nicht passiert.
Zumindest auf Unternehmensseite bewegt sich laut Martin Geiger vom WWF langsam etwas, denn Wasser werde zunehmend auch als ökonomischer Faktor begriffen. Der WWF arbeitet zusammen mit Unternehmen an Richtlinien, die Wasserrisiken vermeiden sollen.
Auch Abschreckungsmaßnahmen wie die Haftbarkeit bei Umweltverschmutzung oder die Veröffentlichung von Umweltsündern sind denkbar. Oft reiche auch Aufklärung, sagt Geiger. Hotelbetreiber in Kenia habe der WWF bewusst gemacht, dass sie mit der Gewässerableitung in den Fluss langfristig auch ihre wirtschaftliche Grundlage, die Tierwanderungen, zerstören. "Es gibt viele kleine Erfolgsbeispiele, aber nicht den großen Wurf", sagt Martin Geiger.
Nachfüllen an der Wassertankstelle
Ein Pilotprojekt sind auch die 100 elektronischen Wasser-Zapfstellen in Uganda, die die GTZ im Auftrag der Bundesregierung mit aufgebaut hat. Mit einer aufladbaren Chipkarte können die Bewohner von Kampala an briefkastenartigen Stationen öffentliche Wasserhähne entsperren und sich je nach Guthaben und Bedarf sauberes Wasser zapfen.
In Kenia, Sambia und Tansania nutzen mittlerweile fast eine Million Menschen das Angebot von Wasserkiosken. Bei diesen Häuschen füllen sie sich gegen einen angemessenen Betrag ihre Kanister mit hygienisch sauberem Trinkwasser auf.
"Wir schließen damit den informellen Sektor aus und stellen sauberes Wasser gerade auch für die ärmeren Bevölkerungsteile zur Verfügung", sagt GTZ-Experte Kanzler. Denn Wasserhändler würden sich oft Wasser aus dreckigen Quellen besorgen und zu teils völlig überhöhten Preisen weiterveräußern.
Im Bereich der Wasserversorgung haben viele Länder laut Kanzler in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Doch gravierender seien die Defizite bei der Sanitärversorgung. Weltweit 2,6 Milliarden Menschen leben ohne Latrinen oder hygienische Abwasserentsorgung - was sich wiederum auf Grund- und Oberflächenwasser auswirkt.
Ein Ansatz könnten Trenntoiletten sein, die ohne Wasser funktionieren und bei denen der getrennt gesammelte Urin als Dünger und die Fäkalien nach einiger Zeit als Bodenverbesserer verwendet werden können, sagt Kanzler. Vom 20. bis zum 22. September 2010 findet in New York ein Gipfel zur Bestandsaufnahme der UN-Millenniumsentwicklungsziele statt. Ein Ziel war es, bis 2015 die Zahl der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser und Basissanitärversorgung zu halbieren - bis dahin scheint es noch ein weiter Weg.