Alle europäischen Meere sind einer neuen Studie zufolge bis hinunter in die Tiefseegräben mit Plastikmüll und anderen Abfällen verschmutzt. Für eine am Donnerstag veröffentlichte Untersuchung wertete ein europäisches Forscherteam, zu dem unter anderem das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) gehört, Bildmaterial von Tauch-Expeditionen und Proben aus Schleppnetzen aus. Es war nach Angaben der teilnehmenden Experten die erste großflächige europäische Studie ihrer Art.
"Wir waren sehr überrascht, wie weit sich unser Müll in den Meeren schon verbreitet hat", erklärt Melanie Bergmann, Meeresbiologin am AWI. Selbst entlegene Gebiete wie die Arktis und der mittelatlantische Rücken seien betroffen. Insgesamt untersuchten die Experten 32 verschiedene Regionen im Nordost-Atlantik, im Arktischen Ozean und im Mittelmeer.
Die AWI-Forscherin stieß bei der Auswertung von Aufnahmen aus einem Tiefseeobservatorium in der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen auf Plastikmüll. Dieser ist den Angaben zufolge bereits bis weit nach Norden in die Arktis vorgedrungen und findet sich dort in Wassertiefen, über die selbst den Experten bislang nur wenig bekannt ist. "Der Müll hat scheinbar schon lange vor uns diesen unbekannten Teil der Erde erreicht", sagte Bergmann.
Die größte Gefahr: Plastik-Mikropartikel
Insgesamt sichteten die Forscher unter der Leitung von Christopher Pham von der Universität der Azoren (Portugal) 588 Videoaufnahmen und Schleppnetzproben aus allen Meereszonen von der flachen Küstenzone bis in Tiefen von unter 4500 Meter. Dabei entdeckten sie überall Abfälle wie Fischernetze, Glasflaschen oder Metall.
"Die häufigste Müllsorte, die wir gefunden haben, war jedoch Plastik", erklärte Pham. Die größten Mengen entdeckten die Experten, deren Studie nun in der Online-Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht wurde, in der Nähe von Ballungszentren und in den Tiefseegräben. Das sind große Schluchten im Meeresboden, die flachere Zonen mit der Tiefsee verbinden. Durch sie treibt Müll von den Küsten hinab. Kunststoffe sind extrem beständig und überdauern im Meer Hunderte Jahre.
Besondere Sorge machen den Forschern aber weniger die umhertreibenden Plastiktüten und andere größere Teile, die von Tieren verschluckt werden können. Sie fürchten vor allem die möglichen Folgen der Mikropartikel, zu denen Plastik mit der Zeit zerfällt. "Mit diesen millimeterkleinen Teilen fangen die ökologischen Probleme wahrscheinlich erst richtig an", betont AWI-Meeresbiologin Bergmann. Nach Bergmanns Angaben könnten sich die Partikel in der Nahrungskette anreichern - in einigen Nordsee-Fischen und Langusten sei schon Mikroplastik nachgewiesen worden.