In der Landwirtschaft genutzte Chemikalien können Bienen und anderen Insekten im Zusammenspiel besonders stark schaden, warnen Forschende im Fachjournal Nature. Dieser Verstärkereffekt werde bisher zu wenig beachtet, Bestäuber würden nicht ausreichend geschützt. Ein Paradigmenwechsel hin zu verpflichtenden Beobachtungsstudien nach einer Zulassung sei nötig.
Die intensive Landwirtschaft gehe mit einer Vereinheitlichung der Landschaft und dem Verlust von Lebensräumen einher, erläutert das Team um Harry Siviter und Emily Bailes von der Royal Holloway University of London in Egham. Zudem sei sie in hohem Maße auf Agrarchemikalien wie Insektizide, Herbizide und Fungizide angewiesen. Insekten seien verschiedenen Agrarchemikalien ausgesetzt, aus dem Fehlen von Wildblumen resultiere Nahrungsmangel. Der Einsatz und Transport kommerziell gezüchteter Bestäuber erhöhe den Druck auf Bestäuber durch Vorteile für Parasiten und Erreger noch.
Die Forscher werteten in einer Metaanalyse nun die Ergebnisse von 90 Studien aus, die die Auswirkungen von 356 Wechselwirkungen zwischen Agrochemikalien, Parasiten und Ernährungsstressoren auf die Gesundheit von Bestäubern, meist Honigbienen, verglichen. Bestimmte Faktoren haben demnach in Kombination eine größere Wirkung auf das Bienensterben als in der Summe ihrer Einzelwirkungen. Besonders galt das für Agrarchemikalien wie Azolfungizide und Pyrethroide. Bei Parasitenbefall und Unterernährung war die kumulative Wirkung hingegen häufig nicht größer als die summierten Einzelwirkungen.
Alle Kombinationen werde man kaum testen können - aber wenigstens die wichtigsten
Zur Risikobewertung werde bei Agrarchemikalien wie Pestiziden häufig nur die Summer der Einzelwirkungen berücksichtigt, nicht die höhere Wirkung in Kombination, erklären die Forschenden. Die interaktiven Effekte anthropogener Quellen auf das Bienensterben könnten deutlich unterschätzt werden, warnen sie. Dieses Problem müsse dringend angegangen werden. Zwar sei es kaum möglich, alle Kombinationen der unzähligen verwendeten Chemikalien durchzutesten. Es könne aber zum Beispiel für häufig verwendete Mischungen erprobt werden, wie die Wirkstoffe sowie die oft toxischen Bei- und Hilfsstoffe sich in Kombination auf Bestäuber und andere Tiere auswirken.
Die vorgestellte Analyse sei bemerkenswert, weil sie eine Vielzahl von Bienenreaktionen wie Futtersuche, Gedächtnis, Sterblichkeit und Fortpflanzung berücksichtige, schreibt Adam Vanbergen vom National Research Institute for Agriculture, Food and Environment (INRAE) in Dijon in einem Kommentar zur Studie in Nature. Zudem habe es eine strenge Auswahl und Qualitätskontrolle der ursprünglich fast 15 000 Einzelstudien gegeben, von denen letztlich nur 90 in die Metaanalyse einbezogen wurden.
Die Ergebnisse bestätigten, dass der Cocktail aus Agrochemikalien in einer intensiv bewirtschafteten Umgebung ein Risiko für Bienenpopulationen darstellen könne. Wie die Autoren selbst zu bedenken gäben, erfordere die hohe Variabilität zwischen den untersuchten Studien und Parametern eine vorsichtige Interpretation. Weitere Analysen seien nötig - auch dazu, über welche Mechanismen die beobachteten synergistischen Effekte von Agrochemikalien auf das Bienensterben zustande kommen. Zudem müssten Forschung und Regulierungsbehörden ihren Fokus vom Nutztier Honigbiene auf andere Bestäuberarten ausweiten.
Weltweit gibt es Vanbergen zufolge geschätzt 20 000 Bienenarten, hinzu kommen etliche weitere Bestäuber. Sie seien Teil des komplexen Netzwerkes von Interaktionen zwischen Arten in gesunden Ökosystemen - von denen auch der Mensch auf vielfältige Weise profitiere.