Umwelt:CO₂-Emissionen steigen 2019 weniger stark an

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Flugzeuge gelten als Sinnbild für hohen CO2-Ausstoß. (Foto: dpa)

Die nötige Trendwende ist nach Expertenmeinung dennoch nicht in Sicht - im Gegenteil.

Von Marlene Weiß und Michael Bauchmüller

Notorische Optimisten könnten in dieser Nachricht von der Madrider Klimakonferenz einen Hoffnungsschimmer erkennen: Die weltweiten CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe werden im Jahr 2019 zwar erneut steigen - das aber nicht mehr so stark wie in den beiden Jahren davor. Das geht aus einer Analyse des Global Carbon Projects (GCP) hervor, die am Mittwoch am Rande des Klimagipfels in Madrid vorgestellt wurde. Nach Berechnungen des weltweiten Klimaforscher-Netzwerks wird durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas im laufenden Jahr voraussichtlich etwa 0,6 Prozent mehr Kohlendioxid emittiert als 2018.

Das ist ein gewisser Fortschritt. 2017 betrug der Anstieg 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im vergangenen Jahr waren es 2,1 Prozent. Womöglich zeigen sich erste Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen. Die dringend nötige Trendwende hin zu deutlich niedrigerem CO₂-Ausstoß ist aber nach Auffassung von Experten noch lange nicht in Sicht. Zumal parallel zu den Emissionen auch das globale Wirtschaftswachstum sank: nach Daten des Internationalen Währungsfonds von 3,8 Prozent im Jahr 2017 auf nun prognostizierte drei Prozent für das laufende Jahr. Auch das hinterlässt seine Spuren in der Klimabilanz.

Die Experten des GCP schätzen den CO₂-Ausstoß 2019 aus fossiler Energie vorläufig auf 36,8 Milliarden Tonnen, allerdings sind auch ein minimaler Rückgang oder ein deutlich stärkeres Wachstum noch im Bereich des Möglichen. Für den langsameren Anstieg nennt der Bericht, der auf drei am Mittwoch parallel in Fachzeitschriften veröffentlichten Studien beruht, zwei Hauptgründe. Erstens ist die Kohleverbrennung sowohl in den USA als auch in der EU deutlich zurückgegangen, jeweils um rund zehn Prozent. In Europa lag das vor allem am deutlich gestiegenen CO₂-Preis im Emissionshandel der Energiewirtschaft, der dafür sorgte, dass Steinkohle-Kraftwerke seltener liefen. Und zweitens eben das schwächere Wirtschaftswachstum, insbesondere in China und Indien.

"Erdgas zu verbrennen stößt etwa 40 Prozent weniger CO₂ pro Energieeinheit aus als Kohle, aber es ist kein kohlenstoffarmer Brennstoff"

Insgesamt gingen die Emissionen aus Kohle weltweit um rund 0,9 Prozent zurück. Jene aus Öl stiegen jedoch weiter um 0,9 Prozent. Am deutlichsten gingen die Erdgasemissionen in die Höhe, um rund 2,6 Prozent. Auch in der EU nahm die Verbrennung von Öl und Erdgas zu, sodass die Emissionen insgesamt nur um 1,7 Prozent sanken, langsamer als im Vorjahr.

Der steigende Erdgasverbrauch trägt zwar zum Rückgang des CO₂-Ausstoßes bei, weil Erdgas deutlich weniger klimaschädlich ist als Kohle. Klimaforscher sehen den Anstieg dennoch mit Sorge. "Erdgas zu verbrennen, stößt etwa 40 Prozent weniger CO₂ pro Energieeinheit aus als Kohle, aber es ist kein kohlenstoffarmer Brennstoff", sagt Julia Pongratz von der LMU München, Co-Autorin des Berichts. Gas sei bestenfalls eine kurzfristige Lösung: "Die Emissionen müssen nicht nur fallen, sie müssen null erreichen, wenn wir eine weitere Erwärmung des Planeten verhindern wollen." Stattdessen aber werden weiter neue Gasfelder erschlossen, samt der nötigen Pipelines und Flüssiggasterminals. "Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen all diese Investitionen überdacht werden", sagt Niklas Höhne vom Kölner Think Tank New Climate Institute.

Zu den fossilen Emissionen kommen noch jene aus Änderungen der Landnutzung, vor allem Brandrodungen. Hier ist die Unsicherheit weit größer als bei den fossilen Brennstoffen. Die GCP-Forscher schätzen den Beitrag vorläufig auf rund 6,3 Milliarden Tonnen CO₂, deutlich mehr als im Vorjahr, vor allem weil in Brasilien und Indonesien ungewöhnlich viel Wald verbrannte. Allerdings betonen die Wissenschaftler, dass es sich dabei um eine grobe Schätzung handle, erst 2020 werden die endgültigen Daten vorliegen.

Insgesamt kommen die Forscher so auf geschätzte Emissionen von 43,1 Milliarden Tonnen CO₂, nach 42,5 Milliarden Tonnen im Jahr 2018. Ungefähr die Hälfte dieses Ausstoßes wird von Böden, Pflanzen und Ozeanen aufgenommen, die andere Hälfte verbleibt in der Atmosphäre, ein erheblicher Teil davon über Jahrtausende. Erst kürzlich hatte die Weltwetterorganisation WMO neue Messungen der Treibhausgaskonzentration in der Luft vorgelegt. Danach lag sie 2018 im Mittel bei 407,8 ppm (parts per million, Teile pro Million) - ein neuer Rekordwert. Die GCP-Forscher schätzen sogar, dass der mittlere CO₂-Gehalt 2019 bereits auf rund 410 ppm angestiegen ist. Vor der industriellen Revolution waren es etwa 280 ppm.

Man muss also schon ein sehr hartnäckiger Optimist sein, um in dem Trend eine gute Nachricht zu erkennen - zumal die Emissionen zwischen 2013 und 2016 schon einmal stagnierten. Seinerzeit wähnten Experten darin ein erstes Indiz einer politischen und technologischen Wende. Umso größer war die Enttäuschung 2017. Und auch für das kommende Jahr deutet einiges auf einen weiteren Anstieg. "Insbesondere der Energieverbrauch wird wachsen, denn den neuesten Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds zufolge wird die globale Wirtschaftskraft deutlich zunehmen", sagt Sabine Fuss vom Mercator Research Institute MCC in Berlin. Da das Energiesystem trotz aller Zuwächse bei erneuerbaren Energien noch längst nicht klimaneutral ist, dürfte ein weiterer Anstieg beim Konsum mit zusätzlichen Emissionen einhergehen.

"Wir entfernen uns immer weiter von den Emissionspfaden, die den Temperaturanstieg noch unter 1,5 Grad Celsius halten würden", sagt Fuss. Dafür werden die Folgen sichtbarer, auch in den Industriestaaten. Am Mittwoch stellte die Entwicklungsorganisation Germanwatch seinen jüngsten Klima-Risiko-Index vor, der die Folgen von Extremwetter für einzelne Staaten erhebt. Die Zahlen beruhen auf einer Datenbank des Rückversicherers Munich Re, Nat-Cat-Service. Erstmals findet sich auch Deutschland unter den drei am stärksten betroffenen Staaten, nach Japan und den Philippinen. 1234 Todesopfer werden demnach den Hitzewellen des vorigen Jahres zugeordnet. Insgesamt seien durch extremes Wetter hierzulande Schäden von rund 4,5 Milliarden Euro entstanden.

Neben Hitze und Dürre gingen sie auch auf Stürme wie die Orkantiefs Friederike und Fabienne zurück. Weltweit forderte extremes Wetter 2018 den Zahlen zufolge 12 000 Menschenleben, bei Schäden von mehr als drei Billionen Euro. Ohnehin können die Industriestaaten mit den Schäden noch am besten umgehen. Auf lange Sicht, zwischen 1999 und 2018, waren Puerto Rico, Myanmar und Haiti am stärksten betroffen. Welche der jeweiligen Katastrophen auf menschgemachten Klimawandel zurückzuführen ist, lässt sich allerdings schwer sagen; auch die Germanwatch-Studie räumt das ein.

Dies sei ein Problem, "dem sich Forscher immer noch gegenübersehen", heißt es. Die Schäden dagegen lassen sich relativ leicht überschlagen - und sind auch eines der heiklen Themen der Klimakonferenz. Entwicklungsländer verlangen einen garantierten Ausgleich für " loss and damage", also Verluste und Schäden. Das Thema als solches hat die Staatengemeinschaft zwar schon vor Jahren anerkannt, eine Lösung aber stets verschoben. Die Gespräche dazu, so verlautet aus Madrid, verlaufen auch diesmal außerordentlich zäh.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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