Ufo-Dokumente der US-Luftwaffe:"Sie können in unserem Hinterhof landen"

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  • Ein amerikanischer Blogger hat Tausende Sichtungen nicht-identifizierter Flugobjekte (Ufos) aus den Jahren 1947 bis 1969 in einer öffentlichen Datenbank gesammelt.
  • Die US-Luftwaffe unterhielt in diesem Zeitraum ein Programm, um die Glaubwürdigkeit und die Ursachen der Phänomene zu untersuchen.

Von Christoph Behrens

"Dass die Regierung an der Behauptung festhält, es gebe keine Ufos angesichts all der Dokumente und anderen stichhaltigen Beweise", so schimpfte J. Allen Hynek einmal, sei "kindisch und eine Beleidigung des amerikanischen Volkes". Hynek ist unter Ufologen als Gründer des "Center for UFO studies" eine Instanz. Er schrieb Beiträge für Bücher wie "Die Ufo-Vertuschung", entwickelte eine dreistufige Skala für Sichtungen merkwürdiger Phänomenem, mahnte jahrelang in zweitrangigen amerikanischen Talkshows, Meldungen über fliegende Untertassen ernsthafter zu untersuchen. Selbst vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen durfte er sein Anliegen 1978 vortragen. Zentrale Botschaft: "Wenn es keine Ufos gibt, warum dann all die Geheimniskrämerei?"

Nun, dieses Argument ist vom Tisch. Seit wenigen Tagen sind etwa 130 000 Seiten Dokumente der US-Behörden über Sichtungen unidentifizierter Flugobjekte (Ufos) öffentlich im Internet zugänglich. 12 618 merkwürdige Phänomene am Himmel von 1947 bis 1969 sind darin dokumentiert, 701 davon bis heute "nicht identifiziert". Eine Schatztruhe für Verschwörungstheoretiker, Ufologen und Historiker, die sich mit dieser Hochzeit der Spekulationen und hochgejazzter Berichte in Lokalzeitungen - "große Untertassen-Armada erschüttert Farmington" titelte etwa die Farmington Daily Times - auseinandersetzen wollen.

Der Blogger John Greenewald hatte die US-Luftwaffe jahrelang mit Anträgen auf Trab gehalten, um die Dokumente zusammenzutragen. Jetzt ist der Fundus komplett, Greenewald hat ihn auf seinem Blog Theblackvault.com veröffentlicht. Zwar findet sich ein guter Teil der Akten bereits verstreut an anderen Ecken im Netz, doch die Datenbank Greenewalds dürfte tatsächlich die erste vollständige sein, die sich zudem nach Stichworten durchsuchen lässt. Der erste Schwung Dokumente stammt aus dem Jahr 1947, als die Air Force auf dem Stützpunkt Wright-Patterson im Bundesstaat Ohio damit begann, Meldungen über nichtidentifizierte Flugobjekte aus dem ganzen Land systematisch auszuwerten.

Die meisten Phänomene waren schnell erklärt

Die lesen sich etwa so: "Das Objekt schien mehr orange zu sein (...), eine Flammenspur kam aus seinem Heck (...). Geformt war es wie ein runder Ball." (Corona, New Mexico 1950). Oder diese Meldung aus Deutschland: Zwei Soldaten des damaligen US-Stützpunkts in Neubiberg bei München beschrieben im Oktober 1951 ein Objekt in Form einer fliegenden Scheibe in einer Höhe von etwa 7000 Metern. "Es strahlte überall Licht aus bis auf ein kleines dunkles Dreieck an einer Ecke", gab der Sergeant zu Protokoll, der das Flugobjekt im Oktober 1951 am deutschen Himmel erspähte.

Eine Hausfrau aus Maine gab 1956 zu Protokoll: "Ich stand vor meiner Küchenspüle und sah aus dem Fenster. Da sah ich ein untertassenförmiges Objekt, es leuchtete im schönsten Grünton, den ich je sah." Geformt sei es wie der Deckel ihrer Waschmaschine gewesen, dann habe es sich der Schaukel ihrer Kinder genähert und sei verschwunden. Geräusche habe das Objekt keine von sich gegeben, vermutlich könne ihr Hund aber versteckte Signale hören, die für menschliche Ohren nicht wahrnehmbar seien. Die Frau war überzeugt davon, einer fliegenden Untertasse begegnet zu sein. "Sie haben sie so perfekt gebaut, dass sie einfach in unserem Hinterhof landen können."

Meist waren es Dorfsheriffs oder lokale Behörden, die als erstes mit den Phänomenen zu tun bekamen. Sie nahmen die Beschreibungen auf und leiteten sie weiter zum Ufotrupp nach Ohio, der unter Codenamen wie "Sign", "Grudge" oder ab 1952 als "Project Blue Book" operierte. Für die meisten der Sichtungen fanden sich schnell plausible Erklärungen - eine Sternschnuppe, ein Wetterballon , vorüberfliegende Satelliten oder Flugzeuge.

Einige erforderten jedoch weitere Untersuchungen. Die Hausfrau aus Maine etwa sah es als staatsbürgerliche Pflicht, die örtliche Luftabwehr und den US-Senat von den Untertassen zu informieren, mit dem festen Hinweis, das seien "wertvolle Informationen für unsere Regierung". Selbst die CIA wurde über den Fall informiert. Als zwei Polizeibeamte die Frau besuchten, zeigte sie aufgeregt auf ein Zeichen an der Schaukel ihrer Kinder, das die Besucher hinterlassen hätten. Selbst der Hinweis, dieses Zeichen sei das Logo des Herstellers, und finde sich auch auf der Schaukel ihrer Nachbarn, vermochte ihren "unerschütterlichen Glauben an fliegende Untertassen" nicht zu erschüttern, wie die Beamten notierten. Als sie nachbohrten, erfuhren sie, dass die Frau vor einiger Zeit das Buch "Fliegende Untertassen sind real" des "Ufo-Forschers" Donald Keyhoe gelesen hatte und seitdem fest an regelmäßige Besuche Außerirdischer glaubte. Die Zweifel der Behörden empörten die Frau zutiefst: "Ich bin eine vielbeschäftigte Mutter mit drei Kindern", schrieb sie in einem Brief. "Ich habe keine Zeit, Geschichten zu erfinden, oder für Tagträume." Als wahrscheinlichste Erklärung notierten die Luftwaffen-Offiziere schließlich das Licht von Autoscheinwerfern oder "Halluzinationen".

Pseudowissenschaftliche Werke über Ufos wie das von Keyhoe trugen viel zum Hype bei. Die Behörden reagierten mit einer Art Ufo-Bürokratie, um der Flut an Meldungen Herr zu werden. Eigens ließen sie Formblätter wie das "Ufo Information Sheet" drucken, um den Beamten die Arbeit zu erleichtern. Dieses enthielt auch Anweisungen, wie aufgeschreckte Anrufer am besten zu behandeln seien: "Danken Sie dem Anrufer für die Information, aber versprechen Sie keinen Rückruf." Die Abteilung von "Project Blue Book" war ständig überfordert, unterbesetzt und hatte wenig Erfahrungen im Umgang mit der Presse, oder gar genügend Expertise, um die Phänomene wissenschaftlich exakt zu erklären. Die Verschwiegenheit und der merkwürdige Name sorgten dafür, dass die Ufo-Abteilung bald von Mythen umrankt war.

"Verschwörung der Regierung"

1969 schloss die Luftwaffe "Project Blue Book" und beendete damit den immensen bürokratischen Aufwand der Ufo-Untersuchungen. Außer viel Papier produzierten die Beamten keine neuen Erkenntnisse. Keine einzige Sichtung habe auf eine Bedrohung der nationalen Sicherheit hingewiesen, fasste ein Prüfbericht zusammen, oder sei Beleg technologischer Entwicklungen, die "über den gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand hinausgehen". Anhaltspunkte dafür, dass unidentifizierte Flugobjekte in Wahrheit außerirdische Raumschiffe seien, fanden auch hinzugezogene Experten der Universität Colorado nicht.

Skeptiker vermuteten dennoch eine Vertuschung. So verlangte die private Organisation "National Investigations Committee on Aerial Phenomena" jahrelang, den Umgang der Regierung mit Ufos im Kongress zu untersuchen. Greenewald spricht in seinem Buch "Beyond UFO Secrecy" von einer der "am besten bekannten Verschwörungen der Regierung". Zentrales Argument der Skeptiker: Die "wahren" Begegnungen mit Außerirdischen seien in den Datenbanken wohl gar nicht enthalten.

Das US-Nationalarchiv, das die Überbleibsel von "Project Blue Book" offiziell verwaltet, schreibt hingegen: "Gelegentlich wird fälschlicherweise behauptet, die Überreste außerirdischer Besucher würden auf dem Luftwaffenstützpunkt Wright-Patterson gelagert. Weder jetzt noch irgendwann gab es dort irgendwelche außerirdischen Besucher oder Equipment."

Aber was sollten Sie auch sonst sagen, oder?

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