Der Handel mit Wildtieren ist nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund dafür, dass immer mehr Arten vom Aussterben bedroht sind. Ein Beispiel ist der Chinesische Leopardgecko (Goniurosaurus luii), der schon kurz nach seiner Entdeckung wieder zu verschwinden droht. Reptilienhändler haben die Daten aus der wissenschaftlichen Veröffentlichung genutzt, in der der Gecko beschrieben wurde, um die Tiere aufzuspüren und unter anderem im Internet zum Kauf anzubieten.
Welche gigantischen Ausmaße der Internet-Handel speziell mit Reptilien hat, zeigt jetzt eine Veröffentlichung im Wissenschaftsjournal Nature Communications. Demnach kann man knapp 4000 Reptilienarten auf speziellen Seiten im Internet kaufen. Das entspreche mehr als 35 Prozent aller bekannten Spezies, schreibt das Team um die Biologin Alice Hughes von der Chinese Academy of Sciences.
Neben den USA gehört die Europäische Union und speziell Deutschland zu den Hauptabnehmern. Allein die EU importierte von 2017 bis 2019 fast 3,5 Millionen lebende Reptilien wie Schlangen oder Echsen, 700 000 davon wurden nach Deutschland verkauft. Nach der aktuellen Untersuchung sind 90 Prozent der gehandelten Reptilienarten Wildfänge, die meisten davon stammen aus Vietnam.
Die kleinste Schildkröte der Welt ist sehr selten. Trotzdem kann man sie fürs Terrarium kaufen
Drei Viertel der im Internet angebotenen Tiere sind nicht durch internationale Vereinbarungen wie das Washingtoner Artenschutzabkommen (Cites) geschützt. Das heißt aber nicht, dass sie nicht selten oder gar vom Aussterben bedroht sind. Beispiele sind das Seychellen-Tigerchamäleon (Archaius tigris, auf dem Foto) und die Gesägte Flachschildkröte (Chersobius signatus), die mit lediglich acht Zentimetern Länge die kleinste Schildkröte der Welt ist.
"Manche dieser Tiere sind so selten oder erst neu entdeckt, dass man kaum etwas über sie weiß - also kann es für die Art noch gar keine internationale Handelsregulierung geben" , heißt es dazu bei der Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Diese Gesetzeslücke wird dann von den Händlern genutzt.
Ein solcher Fall war auch der Psychedelische Gecko (Cnemaspis psychedelica), der 2010 auf der kleinen Insel Hon Khoai vor Vietnam entdeckt wurde. Das farbenprächtige Tier kommt nur dort vor und muss daher besonders geschützt werden. 2013 tauchte der Gecko erstmals im europäischen Heimtierhandel auf, zum Preis von 2500 bis 3000 Euro pro Paar. Mittlerweile gilt für die Tiere ein weltweites Handelsverbot.
Häufig stehen die gehandelten Reptilien in ihrem Heimatland sogar unter Schutz. Doch sobald sie außer Landes geschmuggelt wurden, dürfen sie in der EU frei verkauft werden. So war es laut Pro Wildlife etwa mit Taubwaranen (Lanthanotus borneensis), die auf Borneo leben und dort streng geschützt sind. Im Sommer 2014 wurden die Tiere plötzlich in Online-Inseraten auf deutschen Webseiten angeboten, kurze Zeit später wurden sie auf der Reptilienbörse Terraristika in Hamm offen verkauft - für 8500 Euro pro Paar. Seit einiger Zeit stehen sie auf der Cites-Liste.
Mindestens 21 Reptilienarten gelten nach der aktuellen Untersuchung in freier Wildbahn als ausgestorben, weil Wilderer und Händler wie beim Chinesischen Leopardgecko die Daten aus wissenschaftlichen Untersuchungen genutzt haben, um die Tiere aufzuspüren und einzufangen. Um das zu verhindern, halten mittlerweile immer mehr Biologen die Fundstellen neu entdeckter Arten geheim.