Seismologie:Risse im Eis

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Die Erde bebte und das ewige Eis splitterte: Als sich 2010 in Chile ein schweres Erdbeben ereignete, stürzten nicht nur in der Region Häuser ein. Auch fast 5000 Kilometer weiter südlich, in der Antarktis, gab es unerwartete Folgen.

Von Robert Gast

Folgen tausende Kilometer entfernt: Das Erdbeben in Chile verursachte Risse im antarktischen Eis. (Foto: Birgit Lutz-Temsch)

Es war eines der schwersten Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen: Am 27. Februar 2010 knirschten tief unter Chile die Kontinentalplatten, der Boden zitterte mit einer Magnitude von 8,8. In Hunderte Kilometer entfernten Städten stürzten Häuser ein, mehr als 500 Menschen kamen damals ums Leben. Jetzt mutmaßen amerikanische Geowissenschaftler, das Superbeben habe in noch weitaus größerer Entfernung zerstörerische Kräfte freigesetzt. Möglicherweise wirkte es bis in die Antarktis - und ließ dort, in 4700 Kilometern Entfernung, das ewige Eis splittern ( Nature Geoscience, online).

Schon länger beobachten Forscher immer wieder sogenannte Eisbeben. Auslöser für diese Erschütterungen im Eis gibt es viele. Mal geraten Gletscher ins Rutschen, weil sich unter ihnen ein dünner Wasserfilm ausbildet. Mal krachen riesige Eisschollen aneinander. Und in Kanada sind Eisbeben wieder etwas anderes. Dort kann an kalten Wintertagen in den Boden gesickertes Wasser erstarren, wodurch das Erdreich ruckartig verschoben wird.

Eisbeben durch seismische Wellen verursacht

Das Team um Zhigang Peng vom Georgia Institute of Technology in Atlanta bringt nun eine weitere Ursache für Eisbeben ins Spiel: seismische Wellen von Erdbeben. Sie versetzen auch in Tausenden Kilometer Entfernung vom Epizentrum den Boden in Schwingungen. Menschen nehmen diese kleinen Erschütterungen nicht wahr. Aber in manchen antarktischen Eisformationen sorgen sie womöglich für Zerstörung. Sogenannte Eisströme fließen jeden Monat Kilometerweit, sie stehen daher unter großer Spannung.

Die Schwingungen des chilenischen Erdbebens könnten diese Spannungen verstärkt haben, mutmaßen die Geoforscher um Zhigang Peng. Daraufhin hätten sich an vielen Stellen Risse gebildet, das Eis soll plötzlich zusammengesackt sein. Ihre These untermauern die Forscher mit Signalen, die eine Messstation in der Westantarktis aufgezeichnet hat, kurz nachdem in Chile die Häuser eingestürzt waren. Die Eisbeben sollen entstanden sein, als das Eis lautstark splitterte.

© SZ vom 11.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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