Rätsel um die Pioneer-Sonden gelöst:Von der eigenen Wärme gebremst

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Die Flüge der Nasa-Sonden "Pioneer 10" und "Pioneer 11" weisen eine Anomalie auf, die Physiker lange irritiert hat. Sie bewegen sich etwas langsamer, als die Relativitätstheorie das vorsieht. Jetzt kennen die Forscher endlich die Ursache.

Christopher Schrader

In den eisig kalten Weiten des Weltalls rasen zwei Nasa-Satelliten zurzeit auf die Grenze des Sonnensystems zu. Pioneer 10 und Pioneer 11 wurden in den Jahren 1972 und 1973 gestartet und gehören zu den von Menschen gemachten Objekten, die sich am weitesten von der Erde entfernt haben.

So kann man sich die Pioneer 10 in der Umgebung des Neptun vorstellen. Die Nasa-Sonde war das erste Raumfahrzeug, das das Sonnensystem verlassen hat. Seine Fluggeschwindigkeit hat die Physiker stark irritiert. (Foto: Nasa)

Der Kontakt ist seit 2003 abgerissen, aber die beiden Raumschiffe haben die Phantasie von Physikern angeregt. Beide fliegen nämlich etwas langsamer, als die Relativitätstheorie das eigentlich vorsieht.

Dieser Effekt war erst nach etlichen Jahren aufgefallen, als die beiden Satelliten bereits die Bahn des Uranus überquert hatten. Und es dauerte noch einmal mehr als zehn Jahre bevor Physiker begannen, über die sogenannte Pioneer -Anomalie zu diskutieren. Sie spekulierten über einen unbekannten physikalischen Effekt, der die Schwerkraft in größerer Entfernung von der Sonne dämpfte. Inzwischen aber ist klar, dass simple Wärmestrahlung die Pioneers bremst. Die Anomalie hat sich im luftleeren Raum aufgelöst.

Das letzte Puzzlestückchen hat vor Kurzem ein Forscherteam um Slava Turyshev vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa in Pasadena bei Los Angeles vorgelegt ( Physical Review Letters, Bd. 108, S. 241 101, 2012). Die Forscher haben sämtliche alte Daten über die Raumschiffe analysiert, die sie finden konnten.

Diese waren zum Teil noch auf Magnetbändern gespeichert, für die erst funktionierende Lesegeräte gefunden werden mussten. Als das gelungen war, konnten die Forscher die Positions- und Geschwindigkeitsdaten der ersten 19 Jahre des Flugs rekonstruieren. Schon damals kamen die Sonden langsamer voran als gedacht.

Der Effekt war winzig, aber messbar: Er machte etwa ein Zehnmilliardstel der Erdanziehung aus. Die Raumschiffe verloren so einige hundert Kilometer pro Jahr. Zum Vergleich: Pioneer 10 ist nach 40 Jahren Flug vermutlich 15 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt.

Die einzige Ursache ist offenbar die asymmetrische Wärmeabstrahlung des Raumschiffs. In Flugrichtung vorne sind die Elektronik und die Plutoniumbatterie eingebaut, die deutlich wärmer sind als das Weltall. Wenn ihre Infrarot-Wellen eine der Sonden nach vorn verlassen, bekommt diese jedes Mal einen winzigen Rückstoß ab.

Die nach hinten abgegebene Wärme kann diesen Effekt nicht vollständig ausgleichen, weil dort die große Parabolantenne stets ungefähr in Richtung Erde zeigt. Ein Teil der nach hinten gerichteten Strahlung wird von ihrer Rückseite nach vorn umgelenkt. Turyshev vergleicht den resultierenden Effekt in der New York Times mit der Bremswirkung, die das Fernlicht auf ein fahrendes Auto hätte.

Zu dem Schluss, dass die Wärmestrahlung die Pioneer-Anomalie erklären kann, waren zuvor auch schon ein portugiesisches Team und Forscher aus Bremen gekommen. Claus Lämmerzahl von der dortigen Universität erzählt, dass alle drei Gruppen nach einem Treffen in Bern vor vielen Jahren begonnen hätten, präzise Computermodelle der Nasa-Sonden zu konstruieren. Die Daten zu Temperatur und Stromverbrauch der Sonde erlaubten ihm dann, die bremsende Wärmestrahlung genau zu berechnen.

© SZ vom 25.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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