Evolution:Wo sind die Fraffen?

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Der britische Biologe und Atheist Richard Dawkins holt nach, was er in seinen bisherigen Büchern versäumt hat: Er präsentiert eine Sammlung der verfügbaren Belege für die Evolution. Ein Buch für genau jene Menschen, die es nicht lesen werden.

Markus C. Schulte von Drach

The greatest Show on Earth, heißt das neue Buch des Biologen und Atheisten Richard Dawkins im Original - und der Titel wird dem Buch deutlich gerechter als der deutsche Titel Die Schöpfungslüge. Dieser soll natürlich eine Assoziation mit Dawkins Buch Gotteswahn hervorrufen, seinen Frontalangriff gegen den religiösen Glauben und seine Institutionen. Doch das neue Buch "richtet sich nicht gegen die Religion", erklärt Dawkins gleich zu Anfang.

Ein Fraffe (engl. Fronkey). Eine solche Mischform fordern Kreationisten als Beleg für die Evolution. Die gibt es aber nicht, genauso wenig wie Schimpafanten, Krokodilenten und Löwüffel. Wer sich mit der Evolutionstheorie auseinandersetzt, der weiß auch, wieso. (Foto: Mit freundlicher Genehmigung von M.C.Eric)

Worum es Dawkins geht, sagt eher der Untertitel des Buches: "Warum Darwin recht hat". In seinen bisherigen Büchern habe er lediglich "Stolpersteine" für das Verständnis der Evolutionstheorie beseitigt, jedoch nicht die eigentlichen Belege dafür erläutert, dass die Evolution eine Tatsache ist, räumt Dawkins ein. Das holt er nun nach. Und dass er damit zugleich einmal mehr die biblische Darstellung der Schöpfung im Buch Genesis als Mythos entlarvt, versteht sich von selbst.

Dawkins' Buch ist nur eines in einer Vielzahl von Werken, die das gleiche Ziel haben: Darzulegen, was Charles Darwin und Tausende von Wissenschaftlern vor und nach ihm an Erkenntnissen zur Entstehung und Entwicklung des Lebens und der Lebewesen zusammengetragen, überprüft, verworfen und bestätigt haben.

Allerdings tut Dawkins das wie gewohnt auf die ihm eigene eindrucksvolle, gut lesbare und verständliche Weise. Er tut es auf einem Niveau, wo man als Nicht-Biologe noch versteht, worum es geht, und auch als Naturwissenschaftler noch mit Vergnügen liest.

Alles, was man braucht, um zu begreifen, dass die Evolution eine Realität ist, die wichtigsten Erkenntnisse aus der modernen Paläontologie, Genetik und Molekularbiologie, fasst er zusammen und stellt eine Reihe von eindrucksvollen Beispielen vor, wo Evolution gewissermaßen vor unseren Augen stattgefunden hat und noch immer stattfindet. Er setzt sich mit Fragen nach dem Ursprung von Schmerzen, Leid und dem Bösen auseinander, gesteht ein, wo es noch keine Antwort zu geben scheint und schlägt interessante Erklärungsansätze vor.

Darüber hinaus bietet er überzeugende Überlegungen an, warum es eigentlich so lange gedauert hat, bis sich die Vorstellung von der Wandelbarkeit der Arten durchsetzen konnte - beziehungsweise warum sie sich noch immer nicht bei allen durchgesetzt hat. Die Ursachen gehen hier offenbar bis auf Platon und den Essentialismus zurück.

Und selbst die modernen Paläoanthropologen sorgen mit ihrem Streit um die Zuordnung fossiler Knochen heute noch für falsche Vorstellungen von der Entwicklung des modernen Menschen. Schließlich könnte man zwar die Entwicklung zu einer modernen Art beschreiben, wenn man die vollständige Generationenfolge in die Vergangenheit zurückverfolgen könnte bis zu dem Punkt, an dem sie von einer früheren Art ausgehend ihren Ursprung genommen hat. Doch dieses Ursprungstier wäre den Eltern seinen Artgenossen so ähnlich, dass man es noch für sich genommen nicht als neue Art betrachten würde.

Das macht es so schwierig, zu entscheiden, welche Fossilien menschenähnlicher Wesen zur Gattung Mensch ( Homo) gezählt werden sollten, und welche zur Gattung Ardi- oder Australopithecus. Ein klarer Schnitt lässt sich nur machen, eben weil es Lücken in der Reihe der Fossilien gibt. Und das sprichwörtliche "missing link" zwischen Menschen und Affen kann man demnach gar nicht finden.

"Schaut doch hin"

Gerade weil die Belege für die Evolution so überzeugend sind, demonstriert Dawkins in seinem Buch immer wieder sein Unverständnis gegenüber der Weigerung der Kreationisten, sie zur Kenntnis zu nehmen. Ständig fordern sie sie an, dabei müssten sie doch nur hinschauen. Und sein Entsetzen darüber, dass nicht nur 40 Prozent der US-Bürger dem Glauben an eine göttliche Schöpfung anhängen, sondern dass dieses ideologische Gedankengut auch in Europa zunehmend Verbreitung findet, ist so groß, dass er hin und wieder jenen Ton an den Tag legt, den ihm viele Leser bereits im Gotteswahn krummgenommen haben.

So stellt er eine ärgerlich unsensible Assoziation zwischen den Leugnern der Evolution und den Holocaust-Leugnern her. Natürlich zeichnet beide Gruppen eine Gemeinsamkeit aus: Sie leugnen trotz aller Beweise die Tatsachen. Doch der Vergleich wirkt geschmacklos und ist schlichtweg überflüssig.

Anschaulich ist dagegen die Vorstellung vom Lehrer für römische Geschichte, der sich plötzlich mit einer "lautstarken Bande von Ignoranten" konfrontiert sieht, die mit starker politischer und finanzieller Unterstützung versucht, die Schüler davon zu überzeugen, die Römer hätten niemals existiert. Plötzlich ist der Lehrer gezwungen, seine Energie auf einen "Kampf gegen diese Erscheinungsform von Unwissenheit und Vorurteil" zu verwenden, "die Sie zum Heulen bringen könnte, wenn Sie nicht zu sehr mit ihrer Bekämpfung beschäftigt wären".

Manche Argumente der Kreationisten sind wirklich zum Heulen, und man kann Dawkins verstehen, dass er manchmal die Geduld mit ihnen verliert. Wenn die Menschen über Frösche und Fische von Affen abstammen, warum gibt es dann unter den Fossilien keine Fraffen?, fragen diese Leute allen Ernstes. Wo sind die Krokodilenten?

Gerade erst haben Anhänger des türkischen Kreationisten Adnan Oktar, besser bekannt unter dem Namen Harun Yahya, in Deutschland eine Vortragsreihe veranstaltet. Mit dem gebetsmühlenartig vorgetragenen Argument, sämtliche gefundenen Fossilien würden perfekt angepasste Lebewesen zeigen und könnten deshalb keine Zwischenformen sein, versuchen sie, die Leute für dumm zu verkaufen. Yahya ist dabei schon so weit gegangen, dass er vor einigen Jahren in seinem Atlas der Schöpfung nicht nur etliche Fossilien falsch zugeordnet hat. Er hat sogar auf die Aufnahme eines Fliegenköders (!) zurückgegriffen, um eine zu den Fossilien passende moderne Köcherfliege zu finden.

Dawkins Buch Die Schöpfungslüge richtet sich ausdrücklich an diese "Geschichtsleugner", aber es gibt wenig Grund zur Annahme, dass diese es lesen werden. Realistischer ist die Hoffnung, dass möglichst viele aufgeschlossene Menschen sich auf den neuesten Stand bringen und so das Rüstzeug haben für Diskussionen mit Kreationisten im Freundes- und Bekanntenkreis.

Die Schöpfungslüge

Warum Darwin recht hat

Richard Dawkins

Ullstein Hardcover

ISBN-10: 3550087659

ISBN-13: 978-3550087653

24,95 Euro

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