Neue deutsche Klimapolitik:Zwei Ministerien, ein Ziel

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40 Prozent weniger Emissionen fordern europäische Minister für Klima, Energie und Umwelt in einem Brief an die zuständigen EU-Kommissare. Bemerkenswert ist, dass neben der deutschen Umweltministerin Hendricks auch Wirtschaftsminister Gabriel unterzeichnet hat. Es ist das erste Mal, dass Wirtschafts- und Umweltressort gemeinsam Klimapolitik betreiben.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was Europas Klimapolitik angeht, war Deutschland zuletzt eine einzige Enthaltung. Wann immer Entscheidungen anstanden, etwa über die längst überfällige Rettung des Emissionshandels, war die schwarz-gelbe Koalition nicht eins - und enthielt sich.

Preschte Umweltminister Peter Altmaier von der CDU vor, hielt Wirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP dagegen. Und ohne das größte Industrieland Europas läuft im Klimaschutz der EU dummerweise nicht allzu viel.

Das allein macht den Brief so bemerkenswert, der diese Woche an die EU-Kommissare für Klima und Energie, Connie Hedegaard und Günther Oettinger rausgegangen ist. Er trägt die Unterschrift des britischen Energie- und Klimaministers Ed Davey, seines französischen Amtskollegen Philippe Martin, des italienischen Umweltministers Andrea Orlando - und gleich zwei Unterschriften aus Deutschland: Barbara Hendricks und Sigmar Gabriel, die Minister für Umwelt und Energie, haben beide unterzeichnet. Das ist neu.

"In der Vergangenheit haben sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium allzu oft gegenseitig gelähmt", sagt Hendricks. "Unsere gemeinsame Unterschrift ist auch das Zeichen, dass Deutschland jetzt wieder mit einer Zunge spricht, um den Klimaschutz in Brüssel voran zu bringen."

Zeit dafür ist es. Denn die deutsche Unentschlossenheit lähmte zuletzt auch die europäische Klimapolitik. Beispiel Emissionshandel: Monatelang fahndete die EU-Kommission nach einer mehrheitsfähigen Position zur Rettung des Emissionshandels - doch aus Berlin erhielt sie stets zwei Meinungen dazu. Erst aus den Koalitionsverhandlungen heraus machten Union und SPD Anfang November den Weg frei für eine Intervention, die den Preis der Klimaschutz-Zertifikate vorübergehend stabilisieren soll - es war eine Zustimmung in allerletzter Minute.

Noch wichtiger sind nun die Beratungen über die künftige Klimapolitik der EU - und genau darauf zielt auch die mächtige Phalanx der vier wirtschaftsstärksten EU-Länder. Denn das bisherige Ziel, minus 20 Prozent Emissionen gegenüber 1990, läuft 2020 aus. "Um eine führende Rolle spielen zu können, muss die EU eine frühe, klare und ambitionierte Position zu ihren heimischen Emissionsminderungen bis 2030 haben", heißt es in dem Schreiben.

Ein konkretes Ziel schwebe den Regierungen auch schon vor: "mindestens" minus 40 Prozent. Dutzende Milliarden an Investitionen in Klimaschutz würden so ausgelöst, werben die Minister, samt Jobs und Wachstum. Und obendrein helfe dies, Europas Importabhängigkeit bei Energie zu senken.

"40 Prozent Minderung wäre zwar immer noch zu wenig", sagt Regine Günther, Klimaexpertin bei der Umweltstiftung WWF. "Aber es ist gut, dass nun endlich Bewegung in die Debatte kommt." Immerhin wollen die vier Staaten auf Rechentricks verzichten. Denn das Ziel solle daheim in Europa erreicht werden, heißt es in dem Schreiben: also nicht durch Anrechnung von Klimaschutz im Ausland.

Womit Hendricks und Gabriel auch den Koalitionsvertrag zugunsten des Klimas ausgelegt hätten: Der nennt zwar auch ein 40-Prozent-Ziel, lässt aber offen, ob dieses nur in der EU oder auch bequem auswärts erbracht wird. So gesehen bewegen sich die beiden Minister am oberen Rand des Möglichen.

Die Zeit drängt

"Es wird höchste Zeit, dass Deutschland die europäische Klimapolitik wieder aktiv mitgestaltet", sagt Hendricks, die in dem neuen Tandem für den Klimaschutz zuständig ist.

Und die Zeit drängt: Schon Ende kommenden Jahres soll in Paris ein neues globales Klimaabkommen entstehen. Will die EU hier Akzente setzen, muss sie rechtzeitig ihre Ziele verbindlich festlegen - was angesichts der recht unterschiedlichen Vorstellungen etwa in Osteuropa nicht ganz einfach ist.

An diesem Donnerstag beraten im Europäischen Parlament die Ausschüsse für Industrie und Umwelt über die Klima- und Energieziele der Union. Auch hier könnten sich die 40 Prozent durchsetzen, samt Extrazielen für die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien.

Noch in diesem Monat könnte die EU-Kommission dann konkretere Vorschläge vorlegen, im März sollen die Staats- und Regierungschefs sich damit befassen. "Und wenn Wirtschafts- und Umweltministerium an einem Strang ziehen", sagt der Brüsseler CDU-Umweltpolitiker Peter Liese, "dann wird Deutschland in diesen Fragen auch wieder mehr Gehör finden in Europa."

© SZ vom 09.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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