Trotz aller Fähren, Tanker und Frachter, trotz der Millionen Badegäste und trotz der massiven Unruhen in zahlreichen Anrainerstaaten, von Syrien bis Libyen: Das Mittelmeer ist nach wie vor eines der weltweit artenreichsten marinen Ökosysteme. 17 000 verschiedene Algen, Fische, Krebs- und Weichtiere sind Biologen im Wasser des Mittelmeers bekannt. Ein Fünftel davon sind weltweit einmalige Organismen, die es nur in der Unterwasserwelt zwischen Haifa und Tarifa, zwischen Venedig und Tunis gibt.
Hinzu kommt jedoch eine zweite, für viele Meeresbiologen Besorgnis erregende Komponente: Rund 1000 der im Mittelmeer anzutreffenden Pflanzen- und Tierarten sind erst in den vergangenen 150 Jahren hinzugekommen, die meisten sogar erst in den vergangenen fünf Jahrzehnten. Und sie breiten sich oft schneller und aggressiver aus als die angestammten Arten, berichtet eine Forschergruppe um Stelios Katsanevakis im Fachjournal Frontiers in Marine Science. In einem europaweiten Erkundungsprojekt haben die Forscher die Häufigkeit invasiver Spezies und deren geografische Verteilung ermittelt. Als Basis diente eine Datenbank des European Alien Species Information Network EASIN.
Vor allem Weichtiere reisen im Ballastwasser von Frachtschiffen
Das bedeutendste Einfallstor für exotische Neuzugänge im Mittelmeer ist demnach der vor 145 Jahren eröffnete Suezkanal. Mehr als 400 fremde Fisch- und Weichtierarten sind durch diesen menschengemachten Schifffahrtsweg ins Mittelmeer eingedrungen. 80 Prozent der Invasoren sind erst in den vergangenen 50 Jahren hinzugekommen. In manchen Zonen des östlichen Mittelmeers, zum Beispiel vor der Küste Israels, stellten die Forscher fest, dass auf einem Quadrat von nur zehn mal zehn Kilometern bis zu 129 aus dem Roten Meer stammende Spezies, die meisten davon Fische, anzutreffen sind.
Andere exotische Arten, vor allem Weichtiere, sind mit dem sogenannten Ballastwasser angereist. Das ist Meerwasser, welches Frachter in ihren Rumpf pumpen, um bei Fahrten ohne Ladung stabil zu bleiben. Beim Aufnehmen neuer Ladung wird das Ballastwasser einfach ins lokale Hafenbecken gepumpt - und mit ihm allerlei Organismen aus fernen Erdteilen. Tatsächlich ließ sich anhand der Daten feststellen, dass die geografische Häufigkeit dieser blinden Passagiere den gängigen Schifffahrtsrouten folgt.
Generell nimmt die Dichte invasiver Arten vom Südosten des Mittelmeers nach Nordwesten hin ab. Die Verteilung der ursprünglichen Mittelmeer-Spezies verläuft reziprok. Einzelne Hotspots fremder Meerespflanzen fanden sich zudem in der Lagune von Venedig sowie im französischen Golfe du Lion.