Menschheitsgeschichte:Lernen von Latrinen

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Mittelalterliche Latrinen, gefunden bei Ausgrabungen in Dänemark. (Foto: Søe et al)
  • Dänische Forscher haben DNA aus bis zu 2500 Jahre alten Kotproben untersucht.
  • In den Latrinen überdauerte Erbmaterial aus Pflanzen und Tieren, die wohl zum Speiseplan der damaligen Menschen zählten.
  • In Dänemark gab es demnach gelegentlich Finnwal, Kartoffeln waren dort noch nicht bekannt.

Von Sophie Rotgeri

So manches Wissen über unsere Vorfahren lässt sich aus überraschenden Quellen gewinnen. Soeben haben Genetiker, Biologen und Archäologen in jahrhundertealten Latrinen faszinierende Einblicke gewonnen. Was sie aus dem Kot alter Zeiten herauslesen, legen die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Plos One dar. Das Team um Martin Søe von der Universität Kopenhagen fand unter anderem heraus, mit welchen Tieren die Menschen einst zusammenlebten und wovon sie sich ernährten. Aus den Kotproben konnten sie auch darauf schließen, dass die Menschen in den Niederlanden eher Wein tranken, in Dänemark und Litauen hingegen Bier bevorzugten.

Die untersuchten Proben stammen aus Latrinen, die in Dänemark, den Niederlanden, Litauen, Jordanien und Bahrain ausgegraben wurden. Die ältesten Kotreste stammen aus dem fünften Jahrhundert vor Christus sowie aus dem sechsten Jahrhundert nach Christus und wurden im Mittleren Osten gefunden. Die Proben aus Nordeuropa stammen aus dem 11. bis 18. Jahrhundert.

Die Forscher analysierten allerlei Erbgutreste, die sie in den Stuhlproben finden konnten. Auf diese Weise konnten sie die organische Zusammensetzung besser bestimmen als durch die bisher übliche Mikroskopie, schreibt die Forschergruppe in ihrem Fachaufsatz. Ob diese Art der Forschung nicht im Wortsinne etwas anrüchig ist? "Die Proben riechen nicht mehr unangenehm", erklärt Christian Kapel von der Universität Kopenhagen, der an der Untersuchung beteiligt war. "Die ältesten haben nach gar nichts gerochen. Manche Proben waren wie Sand und manche waren ungefähr so wie Humus, mit dem man zu Hause Blumen pflanzt."

Besonders interessant für die Wissenschaftler: Parasiteneier

In den Kotresten fanden Søe und seine Kollegen zum Beispiel reichlich Eier von Parasiten wie dem Spul- und dem Peitschenwurm. Manche Wurmarten verbreiten sich von Mensch zu Mensch, andere jedoch springen von Schafen, Pferden, Hunden, Schweinen und Ratten auf Menschen über - für die Wissenschaftler ein Hinweis darauf, dass Menschen und Tiere eng beisammen lebten. Andere Parasitenarten zeugen davon, dass die Menschen sich von rohem oder schlecht gegartem Fisch und Schweinefleisch ernährten.

Im Erbgutgemisch aus den Latrinen hat aber auch pflanzliche und tierische DNA überdauert, was Rückschlüsse auf das Ess- und Jagdverhalten der damaligen Menschen erlaubt. Demnach jagten die Ureinwohner Dänemarks nicht nur Feldhasen und Rehe, sondern auch Finnwale. "Wir waren sehr überrascht, als wir Wal-DNA in einer der dänischen Proben gefunden haben", sagt Christian Kapel. "Man hat das zwar für möglich gehalten, aber das ist etwas, das wir ohne die DNA-Analyse niemals herausgefunden hätten. Denn man hat keine Knochen von Walen gefunden."

Außerdem standen bei den Menschen von einst vor allem Kohl und Buchweizen, aber auch Gerste, Erbsen und andere Hülsenfrüchte sowie Erdbeeren, Pflaumen, Birnen, Rhabarber und weitere Beeren auf dem Speiseplan. Kartoffeln und Möhren, wie sie heute in Dänemark viel gegessen werden, kannte man damals noch nicht. Davon fanden die Forscher keine Rückstände.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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