Neurobiologie:Das Lächeln der Mäuse

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  • Wissenschaftler konnten mit einem Computerprogramm fünf verschiedene Emotionen aus den Gesichtern von Mäusen lesen.
  • Diese Erkenntnisse könnten auch für die Erforschung von Depressionen und Angsstörungen bei Menschen relevant sein.

Von Tina Baier

Ähnlich wie beim Menschen spiegelt auch der Gesichtsausdruck von Mäusen Gefühle wider. Allerdings können Menschen die Unterschiede in der Mimik der Nager normalerweise nicht erkennen. Forschern vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie ist es jetzt gelungen ein Computerprogramm zu entwickeln, das in der Lage ist, Mäusen fünf verschiedene Emotionen vom Gesicht abzulesen ( Science).

Bei Menschen und Affen ist unbestritten, dass sie Gefühle haben, und dass sich ihr Gemütszustand in ihrem Gesicht widerspiegelt. Dabei ist der zu einer bestimmten Emotion gehörende Gesichtsausdruck innerhalb einer Art gleich. So kräuselt sich bei jedem Menschen, der sich ekelt - egal, ob Börsenmakler an der Wallstreet oder Indianer im brasilianischen Regenwald - die Nase, die Augen werden schmal und die Oberlippe verzieht sich asymmetrisch.

Die Forscher konnten Freude, Ekel, Unwohlsein, Schmerz und Angst messen

Den meisten Tieren wird dagegen oft abgesprochen, dass sie überhaupt Gefühle haben. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass ihre Gesichter für Menschen ausdruckslos erscheinen. Die jetzt erschienene Science-Studie zeigt, dass dieser Eindruck falsch ist. Der Computeralgorithmus, den die beiden Neurobiologen Nejc Dolensek und Nadine Gogolla entwickelt haben, kann Freude, Ekel, Unwohlsein, Schmerz und Angst in den Gesichtern von Labormäusen eindeutig erkennen. Er ist sogar in der Lage, die Stärke der jeweiligen Emotion zu messen. "Mäuse, die eine Zuckerlösung schleckten, zeigten viel freudigere Gesichtsausdrücke wenn sie hungrig als wenn sie satt waren", sagt Gogolla. Und Mäuse, die eine leicht salzige Lösung gefressen hatten, zeigten einen zufriedenen Gesichtsausdruck, der in Ekel umschlug, wenn die Lösung zu viel Salz enthielt. Diese Variabilität beweist nach Ansicht der Forscher, dass die Mimik der Mäuse kein Reflex auf einen bestimmten Reiz ist, sondern dass sie tatsächlich den emotionalen Zustand der Tiere widerspiegelt.

Gefühle entstehen aber nicht nur durch Reize aus der Umwelt, sondern auch im Gehirn selbst. Tatsächlich ist es den Forschern auch gelungen, bei den Mäusen etwa den Gesichtsausdruck für Ekel hervorzurufen, indem sie bestimmte Regionen im Gehirn der Tiere aktivierten, die bekanntermaßen mit Gefühlen zu tun haben. Ihren Ergebnissen zufolge scheint es speziell in der sogenannten Inselrinde, die ein Teil der Großhirnrinde ist, Nervenzellen zu geben, die für ein ganz bestimmtes Gefühl "zuständig" sind. Freude-Neuronen beispielsweise sind genau dann aktiv, wenn auch das Gesicht der Tiere einen freudigen Ausdruck hat.

Diese Erkenntnisse könnten auch Menschen helfen, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden

Nach Ansicht der Neurowissenschaftler Benoit Girard und Camilla Bellone von der Universität Genf, die einen Begleitkommentar in Science geschrieben haben, lässt sich aufgrund dieser Erkenntnisse künftig besser erforschen, wie Emotionen im Gehirn entstehen. Das könnte irgendwann auch Menschen zugutekommen, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden. Beide Krankheiten haben nämlich mit einer falschen Verarbeitung von Emotionen zu tun. Girard und Bellone sehen aber noch andere Anwendungsmöglichkeiten. Vielleicht, so spekulieren sie, lassen sich die neuen Erkenntnisse auch nutzen, um Roboter zu konstruieren, die Emotionen von Menschen verstehen und selbst welche zeigen.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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