Künstliche Befruchtung gegen Eizellen:Ein unmoralisches Angebot

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Für Klon-Experimente benötigen Mediziner menschliche Eizellen - doch die sind schwer zu bekommen. Britische Ärzte decken ihren Bedarf nun durch ein umstrittenes Tauschgeschäft.

C. Berndt

In Zeiten des Mangels ließen sich Ärzte schon immer gern in Naturalien auszahlen. Kohlenhändler lieferten ihnen im Krieg Briketts, Bauern brachten halbe Schweine. Nun herrscht in manchen Sparten der Medizin wieder Knappheit.

Für Klon-Experimente benötigen britische Mediziner zahlreiche Eizellen - doch die Spendenbereitschaft von Frauen war bisher eher gering. (Foto: Foto: ddp)

Und so kamen britische Fortpflanzungsmediziner auf die Idee, ihren Bedarf an raren Eizellen mit einem Gegengeschäft zu befriedigen: Wenn Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch die Hälfte ihrer Eizellen für Klon-Experimente spenden, so ist es jetzt Regel am Reproduktionszentrum der Universität in Newcastle-upon-Tyne, dann müssen sie nur die Hälfte der 3000 Pfund für eine künstliche Befruchtung zahlen.

Das "Egg-Sharing-Programm" laufe wunderbar, berichtete dessen Leiterin Alison Murdoch nun auf einer Stammzell-Konferenz in Barcelona. Das Eiertausch-Modell habe den Mangel in den Klon-Labors von Newcastle bereits behoben.

Zunächst hört sich die Idee ganz vernünftig an. Eizellen sind knapp, weil pro Monat üblicherweise nur eine den Eierstöcken einer Frau entspringt. Die Klon-Forschung aber, die in Großbritannien anders als in Deutschland erlaubt ist, hat erheblichen Bedarf.

Hohe Hormondosen

In Newcastle und anderswo wollen Wissenschaftler Zellen von Patienten klonen, um Therapien gegen Krankheiten wie Diabetes und Parkinson zu entwickeln. Dafür müssen sie das Erbgut zum Beispiel aus Hautzellen der Patienten in Eizellen verpflanzen.

Schon lange suchen die Institute deshalb freiwillige Spenderinnen. Doch die müssen sich einer unangenehmen und nebenwirkungsreichen Prozedur unterziehen: Mit hohen Hormondosen werden mehrere Eizellen pro Monat zum Springen gebracht und anschließend mit einer feinen Nadel geerntet.

Begeisterte Spenderinnen gab es deshalb bisher kaum. Die Harvard-Universität etwa hat mehr als 100.000 Dollar in Anzeigen investiert; doch es meldete sich nur eine Frau.

Für Frauen mit unerfülltem Babywunsch aber ist die Eizellspende theoretisch keine zusätzliche Belastung. Bei einer künstlichen Befruchtung (IVF) werden auf dieselbe Weise Eizellen geerntet - nur dass sie danach im Reagenzglas mit Sperma befruchtet werden.

Deshalb haben die Ärzte aus Newcastle auch kein Problem mit ihrer finanziellen Offerte. "Es gibt ja keine zusätzlichen körperlichen Risiken zur IVF-Behandlung", sagt Alison Murdoch.

Paradoxe Lage

Bioethiker sind trotzdem entsetzt. Die Spende sei nicht wirklich freiwillig, sagt Ingrid Schneider von der Universität Hamburg. Ein unerfüllter Babywunsch bedeute oft eine seelische Notlage, und viele Paare könnten sich die künstliche Befruchtung ohne den Kostenerlass kaum leisten.

Wenn die Patientinnen aber die Hälfte ihrer Eizellen weggeben, müssen sie nach fehlgeschlagenen Befruchtungsversuchen umso schneller wieder hohe Hormondosen über sich ergehen lassen, um neue Eizellen zu gewinnen. Diese Behandlung werde jedoch mit gesundheitlichen Risiken bis hin zum Eierstockkrebs in Zusammenhang gebracht, so Schneider.

Die Lage der Frauen sei emotional schwierig: "Einerseits sollen die Eizellen ihren sehnlichen Kinderwunsch erfüllen, andererseits sollen sie sie als bloßen Rohstoff behandeln."

Beobachter fragen sich, in welchen Bereichen der Medizin demnächst noch Tauschhandel stattfinden werden. Zahlreiche Teile des menschlichen Körpers sind für die Gewebe-Industrie und die Transplantationsmedizin interessant geworden. Und gleichzeitig verstehen sich Ärzte zunehmend als Anbieter lukrativer Dienstleistungen.

© SZ vom 15.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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