Kritik an Schwarz-Gelb:"Die Umwelt sitzt am Katzentisch"

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Ob Klimaschutz, Energiepolitik oder Artenerhalt - nach 100 Tagen schwarz-gelber Politik vermissen die großen Naturschutzverbände vor allem eines: eine klare Linie.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach Ansicht der großen Umweltverbände in ihren ersten 100 Tagen die Umweltpolitik spürbar vernachlässigt.

Rauchschwaden über einem Industriegebiet: Vor allem in der Klimapolitik fehlt den Umweltverbänden ein ressortübergreifendes Engagement der Ministerien. (Foto: Foto: dpa)

Während sich das Umweltministerium bemühe, seinen Aufgaben gerecht zu werden, spiele das Thema in den übrigen Ressorts kaum eine Rolle, kritisierten die Organisationen BUND, Deutscher Naturschutzring (DNR), Greenpeace, Nabu und WWF am Donnerstag in Berlin. "Die Umwelt sitzt am Katzentisch."

Vor allem in der Energie- und Klimapolitik, aber auch beim Schutz der biologischen Vielfalt, sei weder eine gemeinsame Linie noch ein ressortübergreifendes Engagement zu erkennen.

Die Ministerien für Umwelt, Wirtschaft, Agrar, Entwicklung, Verkehr und Forschung betrieben häufig eine gegensätzliche Politik in Sachen Umwelt, kritisierten die Verbände. Sie appellierten an Merkel, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in allen Ressorts als Priorität zu verankern.

DNR-Präsident Hubert Weinzierl warf Schwarz-Gelb "völliges Versagen" bei der zentralen Aufgabe vor, die Wirtschafts- und Finanzkrise und die ökologische Krise gemeinsam zu bewältigen. Anstatt Steuergeschenke an Hoteliers zu verteilen, hätte die Regierung den verringerten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Zukunftsbranchen wie den ökologischen Landbau gewähren können.

Der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, attestierte der Regierung im Umweltbereich wie in anderen Politikfeldern einen "Zick-Zack-Kurs". "Es gibt viele Ankündigungen und Versprechen, der notwendige ökologische Umbau der Wirtschaft aber wird auf die lange Bank geschoben", kritisierte Weiger.

"Kanzlerin auf Tauchstation"

Besonders sichtbar sei dies im Agrarsektor, wo mit milliardenschweren Subventionen die Überproduktion und der Export von Milch und Fleisch gefördert würden. Unverantwortlich sei auch, dass Schwarz-Gelb den Anbau der Genkartoffel Amflora unterstütze.

Nabu-Präsident Olaf Tschimpke forderte, die im Koalitionsvertrag versprochenen Bundesprogramme für biologische Vielfalt und Wiedervernetzung der Landschaft schnell umzusetzen und finanziell zu fördern. Zudem müssten vom Agrarministerium Mittel für Naturschutz- und Klimaschutzmaßnahmen bereitgestellt werden.

Für Greenpeace gibt die Bundesregierung beim Thema Atomkraft nach 100 Tagen ein konfuses Bild ab. Die Kanzlerin "geht bei diesem Thema lieber auf Tauchstation", stellte Geschäftsführerin Brigitte Behrens fest. Sie warnte die Bundesregierung vor einer Verlängerung der Reaktor-Laufzeiten.

Der WWF Deutschland kritisierte, Schwarz-Gelb komme beim Klimaschutz nicht aus den Startlöchern. Zwar habe sich die Regierung mit der Festlegung, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 senken zu wollen, gut positioniert. Es bleibe jedoch völlig unklar, wie dieses Ziel erreicht werden solle.

"Die Regierung muss jetzt die Weichen stellen, damit wir zur Mitte des Jahrhunderts den Treibhausgasausstoß auf fast Null fahren können", forderte WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Das werde den Aufbau ganz neuer Infrastrukturen voraussetzen und damit viele zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.

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